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Tierheilkunde
Lesezeit: 8 Minuten

Mykotherapie für Tiere

Auch Tiere profitieren von der Vitalkraft der Pilze

Der therapeutische Einsatz von Pilzen ist in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) seit über 3500 Jahren prominent. Auch in westlichen Ländern findet diese Methode mehr und mehr Anklang, sowohl im Humanbereich als auch in der Tierheilkunde. Schließlich wird sie inzwischen auch intensiv wissenschaftlich erforscht.

Pilze sind wahre (Über-)Lebenskünstler

Neben Pflanzen und Tieren werden Pilze in einem eigenen Reich klassifiziert. Da sie standorttreu wachsen, aber keine Photosynthese betreiben können, müssen sie andere Wege erschließen, um sich zu ernähren und zu überleben. Hierfür zersetzen sie in ihrer unmittelbaren Umgebung entweder totes (Saprophyt) oder bereits geschädigtes, lebendes organisches Material (Parasit) und spielen somit eine wichtige Rolle im Kreislauf der Natur. Eine dritte Strategie ist, eine für beide Seiten vorteilhafte Lebensgemeinschaft mit Pflanzen und Tieren einzugehen (Symbiont), indem sich die Beteiligten gegenseitig als Nährstoffquelle nutzen.

Was steckt drin?

Pilze enthalten u.a. wertvolle Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, Aminosäuren und verschiedene komplexe Kohlenhydratverbindungen (Polysaccharide). Viele Inhaltsstoffe, z.B. die Mannane (Antigen von Candida), können von Mensch und Tier leicht im Stoffwechsel weiterverarbeitet werden. Aus diesem Grund spricht man von einer hohen biologischen Wertigkeit.

Pilze im Einsatz

Zu den therapeutisch eingesetzten Pilzen gehören Shiitake, Maitake, Cordyceps, Agaricus blazeii murill (ABM), Chaga, Hericium, Pleurotus, Auricularia, Reishi, Polyporus, Coriolus versicolor und einige andere mehr. Heimische Pilze sind bisher wenig untersucht, häufig haben sie auch ein wesentlich geringeres Wirkspektrum. Allerdings gibt es Ausnahmen, die gerne und erfolgreich in der Therapie eingesetzt werden. Zu ihnen gehört u.a. der Coprinus comatus.

Pilze haben Power!

Vorab ein wichtiger rechtlicher Hinweis: Bei der Anwendung von Pilzen im therapeutischen Kontext sind Begriffe wie „Heilung“ oder „Heilpilze“ zu vermeiden. Besser ist es, von „Vitalpilzen“ zu sprechen.

Therapeutisch kann man Pilze vielfältig verwenden, da sie ein breites Wirkspektrum abdecken. Sie unterstützen das Immunsystem und haben durchblutungsfördernde, blutdruckausgleichende, entzündungshemmende, blutzuckerregulierende, antibiotische/antivirale, antioxidative, reinigende sowie adaptogene Eigenschaften.

Erfolgreich eingesetzt werden können sie bei Herz-Kreislauf-Krankheiten, Diabetes, EMS, Beschwerden des Bewegungsapparates oder des Magen-Darm-Trakts wie auch bei Allergien, Akne, autoaggressiven Erkrankungen, ECS, Gicht, Schilddrüsenproblemen und allgemein überschießenden Zellreaktionen. Daneben wirken sie positiv auf das Nervensystem und die Psyche ein.

Nebenwirkungen sind i.d.R. nicht zu befürchten. Jedoch können sich bei der Anwendung von Shiitake allergische Reaktionen zeigen. Der Pilz sollte daher vor der Anwendung erst in Kleinstmengen getestet werden. Zu beachten ist auch, ob man eine Immunstimulation oder eine Immunmodulation bewirken will. Dies ist v.a. bei Retroviren unbedingt zu beachten!

Nach der Einnahme von Pilzpräparaten kann es in den ersten Tagen zu „Ausleitungs-Symptomen“, wie z.B. vermehrtem Schwitzen, kommen. Diese Effekte sind erwünscht und kein Grund zur Besorgnis. Die Vorteile der Anwendung überwiegen bei weitem.

Im Folgenden stelle ich einige Pilze vor, die regelmäßig in der Tierheilpraxis zum Einsatz kommen:

Shiitake – Der Pilz für alle Fälle

Der Shiitake (Lentinula edodes oder Pasaniapilz) wird auch „König der Pilze“ bezeichnet. Er ähnelt dem Champignon (Pilzhut braun, Stiel eher beige) und wächst bevorzugt auf Hartholz. In China und Japan wird er auf Walnussbäumen, Esskastanien, Buchen, Eichen und Ahornbäumen angebaut, kommt aber auch wildwachsend vor. In Europa und Nordamerika findet man ihn nicht in freier Natur, er wird hier aber mehr und mehr kultiviert.

Der Shiitake enthält natürliches Glutamat. Diese freie Form der nicht-essenziellen Glutaminsäure löst die seit einiger Zeit bestätigte fünfte Geschmacksqualität Umami aus (würzig; neben süß, salzig, sauer, bitter). Traditionell wird der Pilz zur Verfeinerung von Speisen verwendet. Glutamat ist auch in vielen Fertigprodukten enthalten. Kauft man Shiitake als fleischigen Pilz, sollte man auf die Donggu-, Donko-, Tongku- oder Tonggu-Qualität achten.

Durch seine vielen Inhaltsstoffe (u.a. Vitamine, Spurenelemente, Lentinan, schwefelhaltige Aromastoffe) ist der Shiitake vielseitig einsetzbar.

Anwendung Bei Herz-Kreislauf-Leiden, Bluthochdruck, Arteriosklerose, Gelenkerkrankungen wie Gicht (nur Dalmatiner), Erkrankungen der Gebärmutter, zur Senkung der Blutfette, Unterstützung der Lebergesundheit, Stärkung des Immunsystems, auch bei übermäßigem Befall von Candida albicans.

Achtung! Bei Anwendung von Shiitakte kann es zu allergischen Reaktionen kommen! Es ist zu empfehlen, einen Erstkontakt auf der Schleimhaut zu generieren und 30 Minuten abzuwarten. Kommt es zu keiner Reaktion, kann das Tier den Vitalpilz problemlos zu sich nehmen.

Cordyceps – Aufbauend und kostbar

Der Cordyceps sinensis oder Tibetanische Raupenpilz kommt im Gebiet des Himalaya-Plateaus, vorwiegend in Tibet, in 3000 bis 5000 m Höhe vor. Er gehört zu den Schlauchpilzen (Ascomycota) und bildet seinen Fruchtkörper auf von ihm befallenen Insektenlarven (v.a. der Fledermausmotte). Sein Name leitet sich ab von „kordyle“ (griech. Keule) und „ceps“ (lat. Kopf) und beschreibt die keulenartige „Streichholzform“ des Pilzes mit seinem braunen, ca. 5-15 cm langen und schlanken Pilzhut. Seine Wirkungen, die eine allgemeine Stärkung der körperlichen und psychischen Lebensenergie zur Folge haben, sind dokumentiert und gehen ursprünglich zurück auf die Beobachtungen von Hirten, deren Yaks den Pilz während der Brunft und vor dem Winter gezielt ausgegraben und gefressen haben.

Leider kann der bestehende Bedarf heute nicht mehr über das natürliche Vorkommen gedeckt werden. Der Preis für den wilden Cordyceps ist daher astronomisch hoch. Er wird aufgrund großer Nachfrage z.B. an der Börse in Hongkong mit mehreren Zehntausend Dollar pro Kilogramm gehandelt. Zwar wurden in den 1990er-Jahren Pilzkulturen angelegt, diese haben jedoch noch immer keinen Fruchtkörper hervorgebracht. Zum Glück gibt es dank stetiger Forschung und Weiterentwicklung inzwischen einen gezüchteten Pilz, der dem Wildtyp sogar vorzuziehen ist, da er nährstoffreicher ist.

Anwendung Während der Cordyceps im Humanbereich u.a. als Aphrodisiakum dient, rücken in der Tierheilkunde andere Schwerpunkte in den Vordergrund. Hauptsächlich verabreicht man den Pilz ausgezehrten und geriatrischen Patienten, da er den intrazellulären Energiestoffwechsel harmonisiert und die Leistungs- und Regenerationsfähigkeit verbessert. Bei der Abgabe an Patienten, die wegen einer Hyperthyreose ausgezehrt wirken, beeinflusst Cordyceps den Muskelabbau positiv, nicht aber die Schilddrüsenproblematik (hier muss zu anderen Mitteln gegriffen werden).

Pferde und Katzen lieben den Geschmack dieses Vitalpilzes besonders, da er sehr phosphathaltig ist. Die Anwendung wird hier also stark vereinfacht.

Achtung! Bei einem Zuviel kann Cordyceps auch einen nachteiligen Effekt, nämlich langfristig eine Auszehrung bewirken. Wegen seiner stark anabolen Wirkung wird dieser Vitalpilz auch in den FN-Richtlinien geführt, er ist im Pferdesport also dopingrelevant!

Hericium – Top bei Magen-Darm-Beschwerden

Der Hericium erinaceus (Igelstachelbart) ist ein spektakulärer Pilz. Er wird an die 1,50 m groß und kann bis zu 500 kg wiegen. Da er keinen Stiel besitzt, sondern lediglich aus „haarigen Stacheln“ besteht, erklären sich auch seine anderen Namen, wie „Affenkopfpilz“ (chin.), „Löwenmähne“ (engl.) oder „Weißer Bommel“ (franz.). Sein Ursprungsland ist China, vereinzelt ist er auch in alten Wäldern Europas zu finden. Er wächst saproparasitisch in Baumwunden oder an alten Bäumen.

Anwendung Aufgrund der in ihm enthaltenen Kohlenhydratverbindungen (v.a. Xylane, Glukane und Erinacin) findet dieser Speise- und Vitalpilz vorwiegend Anwendung in der Regulation von Magen-Darm-Erkrankungen, z.B. Magengeschwüren oder chronischen Magenschleimhautentzündungen. Er kann auch bei innerer Unruhe und Schlafstörungen gegeben werden. Sehr prominent ist die Hemmung der Histaminausschüttung.

Achtung! Bei hochdosierter Anwendung können erhöhter Kotabsatz und Durchfall auftreten. Dieser sollte aber nicht länger andauern und ist als ausleitender Effekt gewünscht.

Fallbeispiel

Meine Patientin war eine Europäisch Kurzhaar, die nur noch 2,5 kg wog. Die Besitzerin war hilflos. Sie berichtete, dass ihre Katze zwar sehr viel fresse, aber selbst unter Spezialfutter, das der Tierarzt gegen das Untergewicht verordnet hatte, immer weiter abnehme. Außerdem tränke sie mehr Wasser als die zweite im Haushalt lebende Katze.

Der Kot sah normal aus und roch nicht auffallend. Was mir ins Auge sprang, waren die Ohren – diese waren innen irgendwie „schmutzig“; weder schwarz, was auf Milben hingedeutet hätte, noch hatte ich den Eindruck, dass es ein Hefepilz war. Da das Problem schon länger bestand, sprach das für eine allgemein verminderte Immunität.

Ich schickte die Besitzerin mit ihrer Katze zum Tierarzt, damit dieser einen Bluttest machen sollte. Speziell die Schilddrüsen- und Nierenwerte wollte ich erfahren. Zeitgleich empfahl ich die Gabe von Vitalpilzen, hier Cordyceps, Shiitake und Polyporus. Nach dem Ergebnis der Blutuntersuchung ergänzten wir noch Mönchspfeffer. Schließlich sollten die Ohren der Katze regelmäßig mit Olivenöl gesäubert werden.

Der Bluttest hatte, wie vermutet, eine Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose) ergeben. In Folge der Schilddrüsen-Regulierung und unter der Gabe von Cordyceps nahm die Katze weniger Futter zu sich und baute schnell wieder Muskulatur auf. Der Shiitake sollte das Immunsystem stärken und der Polyporus auf die Nieren wirken. Dieser Pilz hat diuretische, auch remineralisierende Eigenschaften und führt ausgeschwemmte Nährstoffe wieder zu. Für meine Überlegungen war auch die folgende Aussage der chinesischen Medizin relevant: „Die Nieren öffnen sich in die Ohren“. In der Folgezeit musste die Besitzerin immer seltener zum Olivenöl greifen. Und nach wenigen Wochen ging es dem Tier wieder gut. Die Katze hatte an Gewicht zugelegt, das langjährige Ohrenproblem war beseitigt.

Fazit

Vitalpilze sind, rechtlich gesehen, Nahrungsergänzungsmittel. Erfahrungsgemäß mit großem Potenzial. Sie können als Pulver oder Extrakt einzeln gegeben oder gemischt werden, um ein größeres Wirkspektrum zu generieren.

Die erfolgreiche Anwendung der Mykotherapie erfordert jedoch grundsätzlich die Erfahrung eines gut ausgebildeten Therapeuten, denn die Methode baut auf den komplexen Konzepten der Traditionellen Chinesischen Medizin auf. Dann können Vitalpilze auch in der Tierheilpraxis sehr gute Dienste leisten.

Peggy FrankePeggy Franke
Tierheilpraktikerin mit Schwerpunkten Erste Hilfe und Ernährungsberatung für Tiere, Dozentin an der Paracelsus Schulen
info@tierheilpratikerbodensee.vet

Buch-Tipp
Wanda May Puffer:
Mykotherapie für Tiere.
Vitalpilze: Heilkraft, Wirkung und Anwendung.
Thieme Verlag

Fotos: © Sandy Schulze / fotolia.com, © ExQuisine / fotolia.com, © Prot / fotolia.com, © nortongo / fotolia.com

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