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Naturheilkunde
Lesezeit: 7 Minuten

Krebs auf dem Vormarsch

Sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe als „Bollwerk“

Jeder vierte Tod resultiert heute aus einem Krebsleiden – Tendenz stark steigend. Zwar zählen in Deutschland Herz-Kreislauf-Krankheiten immer noch zu den häufigsten Todesursachen, aber das wird sich nach den Prognosen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bald drastisch ändern. Der Herztod ist auf dem Rückzug, wohingegen Krebs immer häufiger vorkommt. Derzeit erkranken hierzulande jährlich 450000 Menschen neu an Krebs! Das sind 30% mehr als noch im Jahr 1990. Gemäß einem aktuellen Bericht der WHO werden Krebserkrankungen weltweit bis zum Jahr 2025 um zusätzliche 40% ansteigen. Umso wichtiger wird hier die Prävention – allen voran eine Ernährung, die reich ist an sekundären Pflanzeninhaltsstoffen. Was also sollten wir essen, was tun und was lassen?

Prävention ist die einzige Chance

Krebs ist eine multifaktorielle Erkrankung, d.h. es haben meist mehrere Aspekte Einfluss auf die Tumorentstehung. Genussmittel, Bewegungsmangel, Fehlernährung, viral bedingte Infektionen und Übergewicht können Risikofaktoren darstellen. Nicht zuletzt erhöht das Alter die Gefahr für Krebs, da mit den Jahren auch das Immunsystem „vergreist“. Die Aktivität der humoralen und zellulären Abwehr wie die immunologisch relevanten Komponenten der körpereigenen Tumorüberwachung lassen mit der Zeit nach.

Im Rahmen der Krebsprävention ist neben dem Verzicht auf Rauchen und zu viel Alkohol v.a. die Qualität der zugeführten Nahrung von Bedeutung. Auch das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) betont, dass mehr als ein Drittel aller Krebsneuerkrankungen vermeidbar wären, da sie auf Faktoren zurückgeführt werden können, die persönlich beeinflussbar sind.

Pflanzliche Kost ist krebspräventiv

In Obst und Gemüse ist eine Vielzahl bioaktiver Pflanzeninhaltsstoffe enthalten, die im Kampf gegen Krebs eine Schutzfunktion haben können. Dabei sind es weniger die Vitamine, mehr die Substanzen im „Grünfutter“, welche die Pflanzen als Schutz z.B. gegen Bakterien- und Virenbefall, Umweltgifte und UV-Stress bilden.

Diese „Phytonutrients“, wie die sekundären Pflanzeninhaltsstoffe genannt werden, sind chemisch betrachtet eine heterogene Gruppe aus diversen Substanzklassen. Obgleich sie in der Nahrung – im Gegensatz zu den Makroelementen (Kohlenhydrate, Proteine, Fette) – nur in geringen Mengen vorkommen, weisen sie pharmakologische Wirkungen auf, die äußerst interessant sind. Auffällig ist, dass allen Klassen der sekundären Pflanzeninhaltsstoffen eine antikarzinogene Wirkung zugesprochen wird (s. Tabelle).

Polyphenole: Krebsschützende Stoffe von besonderem Wert

Die größte Gruppe der sekundären Pflanzeninhaltsstoffe sind die Polyphenole. Diese bieten für die Prävention von Tumorerkrankungen ein breites und interessantes Potenzial.

Krebserkrankungen sind mit subklinischen Entzündungen assoziiert. Unter dem Einfluss von Entzündungsmediatoren im Blut werden Tumorzellen vom Immunsystem schlechter erkannt, deren Apoptose wird ausgebremst und die Angiogenese gefördert. Polyphenole wirken antientzündlich. Sie hemmen die Entzündungskaskade (via Lipoxygenasen und Cyclooxygenasen) sowie die Bereitstellung des entzündungsfördernden Transkriptionsfaktors NF-kappa B.

Polyphenole wirken chemopräventiv: Sie aktivieren Entgiftungsenzyme und inaktivieren die durch Fremdstoffe und Gifte vermehrt anfallenden freien Radikale. Sie unterstützen die humorale und zelluläre Abwehrleistung des Körpers und begünstigen die Apoptose entarteter Zellen. Somit können sie bei der körpereigenen Tumorüberwachung wertvolle Funktionen ausüben.

Polyphenole wirken antiinfektiös. Das ist insofern von Bedeutung, da Infektionen das Risiko für unbemerkte, subklinische Entzündungsprozesse erhöhen. Spezielles Gewicht erhält diese Wirkung auch unter dem Aspekt viral bedingter Krebserkrankungen. So wurde festgestellt, dass die in diversen Fruchtextrakten vorhandenen Phenolsäuren (Chlorogen- und Gallussäure) und Flavonoide (Anthocyane) einen starken antiviralen Effekt gegenüber pathogenen Keimen aufweisen. Die Ellagsäure (aus Beerenfrüchten) hemmte das Wachstum von Helicobacter pylori. Vermutlich nehmen die Phenolsäuren Einfluss auf die intrazelluläre Signalübertragung. Es werden für diese Wirkeffekte aber auch physikalische Mechanismen (elektrostatische Bindungskräfte) diskutiert.

Obst ist nicht gleich Obst und Gemüse ist nicht gleich Gemüse

Phenolische Substanzen gehören zu den am weitesten verbreiteten sekundären Pflanzenstoffen in Obst und Gemüse, allerdings kommen sie dort in unterschiedlichen Konzentrationen vor. Als besonders polyphenolreich gelten Beerenfrüchte, allen voran die Gojibeere und die Acaibeere (Lycium chinense bzw. Euterpe oleracea). Die antioxidative Wirksamkeit der „Wolfsbeere“, wie Goji auch genannt wird, ist um ein Vielfaches höher als z.B. die von Zitrusfrüchten. Sie enthält mehr als das Tausendfache an Polyphenolen als die gleiche Menge an Orangen und ist reich an B-Vitaminen. Auch Acaibeeren, die Früchte einer im Amazonas-Regenwald beheimateten Palmenart, haben einen besonders hohen Gehalt an diesen Bioaktivstoffen.

Bei den Gemüsesorten gelten v.a. Kohl, Knoblauch und Spinat als polyphenolreich. Die ernährungsphysiologische Bedeutung von Kohlgewächsen (z.B. Brokkoli) wird inzwischen durch vermehrte Hinweise auf eine Reihe gesundheitsfördernder Wirkungen untermauert, die primär im Zellschutz, der Entgiftung und Tumorüberwachung liegen.

Besonders interessant ist der bioaktive Pflanzeninhaltsstoff Resveratrol, der im Rebstock und in den Schalen von Weintrauben vorkommt. Er weist ein hohes antientzündliches, antiinfektiöses, antioxidatives Potenzial auf. In-vitro-Tests mit kultivierten Darm-, Prostata-, Brust-, Pankreas-, Gebärmutter- und Melanomzellen zeigten, dass Resveratrol zudem antiproliferativ wirkt. Die proapoptotische Wirkung des Polyphenols basiert auf seinem Einfluss auf TRAIL (= Tumor necrosis factorrelated apoptosis-inducing ligand). Ebenso ist eine Wirkung dieses bioaktiven Pflanzeninhaltsstoffes auf bestimmte Transkriptionsfaktoren, welche die Zellproliferation aktivieren, bekannt. Im Tierversuch wurde gezeigt, dass die „Antiaging-Substanz“ eine lebensverlängernde Wirkung besitzt, die jener der Kalorienrestriktion vergleichbar ist (CR-Mimetikum). Tatsächlich wird durch Resveratrol die Aktivität von Sirtuinen (Histon-Deacetylasen) erhöht, die ihrerseits den Zellzyklus und die Reparaturfähigkeit der DNA positiv verändern. Es kommt zur Beeinflussung der Signaltransduktionswege und Regulation der Genexpression. Solche epigenetischen Kontrollmechanismen sind von erheblichem Einfluss auf die allgemeinen Alterungsprozesse und die Gesunderhaltung der Gewebe.

Jene antikanzerogenen Wirkmechanismen der Polyphenole, v.a. die Hemmung der tumorinduzierten Neovaskularisation, werden auch in Humanstudien untersucht. Hier sind speziell Pharmakologie und Dosisfindung des Resveratrols von zentraler Bedeutung. Dieses wird im menschlichen Organismus rasch metabolisiert und in Sulfat- und Glucuronidkonjugate überführt. Untersucht wurden Resveratrol-Dosierungen zwischen 0,1 und 2,5 mg/Tag, diese gelten als probat für eine mehrwöchige bzw. längerfristige Anwendung. Höhere Dosen von 20-25 mg werden in aktuellen Fachpublikationen allenfalls als Einmalgabe, keinesfalls als mehrtägige oder längerfristige Dosierung empfohlen. Unter hochdosierten Einzelgaben sind mögliche negative Effekte (z.B. prooxidative Wirkung) nicht auszuschließen. Daher ist die Anwendung von Resveratrol im Verband mit anderen antioxidanzienreichen Substanzen (z.B. Beeren-, Gemüse-, Gewürzpflanzenextrakten, enthalten z.B. in „plantazym“, Apotheke) sinnvoll und zu bevorzugen.

„Heiße“ Knollen – Ingwer und Kurkuma

Auch Gewürzpflanzen, wie die Gelbwurz mit ihrem Polyphenol Kurkumin oder die Ingwerwurzel mit ihrem Inhaltsstoff Gingerol, sind in diesem Zusammenhang interessant.

Zu Kurkumin gibt es inzwischen über 2500 veröffentlichte wissenschaftliche Studien, was das große Interesse seitens der Forschung an diesem bioaktiven Pflanzeninhaltsstoff signalisiert. In Indien wird Kurkuma in der traditionellen Volksheilkunde seit mehr als 4000 Jahren u.a. bei Verdauungsproblemen, entzündlichen Prozessen jeglicher Art (z.B. auf der Haut, im Mund- und Rachenraum, im Verdauungstrakt) und zur Stärkung der Abwehrkraft angewendet. Als aktive Komponente wurde Kurkumin bereits im 19. Jahrhundert aus der Gelbwurz isoliert und in den vergangenen Jahrzehnten intensiv auf seine krebspräventive Wirkung hin untersucht. So konnte u.a. belegt werden, dass es Transkriptionsfaktoren, die bei der Tumorüberwachung und bei inflammatorischen Prozessen eine Rolle spielen, günstig beeinflusst. Weiter wurde gezeigt, dass Kurkumin die Expression diverser Cyclooxygenasen (COX-2) und Lipoxygenasen (LOX), Metallomatrixproteasen (MMP-9), des Tumornekrosefaktors (TNF) und von Wachstumsfaktor-Rezeptoren (EGFR = epidermal growth factor receptor) hemmen kann. Das Gelbwurzpolyphenol hat ausgeprägte neuroprotektive Effekte und nicht zuletzt einen Wirksynergismus mit Resveratrol (z.B. kombiniert in „plantazym“, Apotheke).

Jedoch zeichnet sich auch bei Kurkumin in höheren Dosierungen (im Gramm-Bereich) eine limitierte Absorption ab, weswegen bei diesen hohen Zufuhrmengen ebenfalls toxische Effekte diskutiert werden. Auch hier gilt: Kurkumin am besten in Kombination mit anderen, natürlich vorkommenden polyphenolhaltigen Lebensmitteln (Extrakten) anwenden, um möglichen Schadeffekten entgegenzuwirken.

Fazit

Einer Kost, die reich an bioaktiven Pflanzeninhaltsstoffen ist, wird ein hohes krebspräventives und antientzündliches Potenzial zugesprochen. Die Vielfalt hat Vorrang vor der verzehrten Menge. Jedoch sind diejenigen Beeren und Früchte, die vorrangig im Sinne von „Superfood“ zu nennen wären (allen voran Gojibeeren und Acaibeeren), hierzulande kaum verfügbar, sodass die Zufuhr über geeignete Nahrungsergänzungsmittel in Erwägung zu ziehen ist. Diese sollten auch polyphenolhaltige Gemüsesorten(-extrakte) sowie Gewürze (z.B. Kurkumin, Gingerol) enthalten, da hierüber nicht nur von einer synergistischen Wirkung der bioaktiven Pflanzeninhaltsstoffe auszugehen ist, sondern auch von einer optimalen antioxidativen Wirkung unter weitgehender Vermeidung prooxidativer Effekte.

Prof. Dr. rer. nat. Michaela DöllProf. Dr. rer. nat. Michaela Döll
Dipl.-Biologin mit mehrjähriger Forschungserfahrung, Expertin für Lebensmittelchemie und Ernährungsmedizin, Autorin
mail@prof.drmdoell.de

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