Glosse: Hatschi!
Jetzt im Frühsommer kommt man nicht mehr ganz so leicht ins Gespräch miteinander wie im Winter. Da geht das irgendwie einfacher. Schon deshalb, weil es viel häufiger vorkommt, dass wir „Gesundheit“ wünschen, sobald aus irgendeiner Ecke ein „Hatschi“ ertönt. Auch wenn es sich nicht wirklich um ein richtiges Gespräch handelt, sondern lediglich um die Hoffnung, dass der Niesende seine Bakterien für sich behält.
Aber auch jetzt kann es bei kurzfristigen Wetterwechseln und der nicht passenden Kleidung zu Verkühlungen kommen. Und es gibt viele andere Faktoren, die bei dem einen die Entwicklung einer leichten bis schweren Erkältung eher begünstigen als bei dem anderen. Jeder Körper reagiert anders.
Husten, Niesen, Schnäuzen – all das sind Anzeichen dafür oder Hinweise darauf, dass der Körper mit unliebsamen Besuchern kämpft. Meine Idee ist, dass diese sicht- und hörbaren Symptome geschickt werden, damit wir nun doch bitte endlich auf uns achtgeben. Nicht jeder Mensch hört immer und stets in sich hinein. Nimmt jedes Zipperlein wahr und dann auch noch ernst. Für diejenigen unter uns, die eher darüber hinweggehen, sind die lauten, offensichtlichen Anhaltspunkte da. Gleichzeitig wird damit auch das Umfeld gewarnt. Wie bei einer Lautsprecherdurchsage: „Achtung, Achtung, hier befindet sich gerade eine Person in einem nicht akkuraten Gesundheitszustand. Bitte passen Sie auf!“
Spannend zu beobachten ist, dass ausgerechnet diese Menschen sich klamottenmäßig oft an Trends orientieren, die möglicherweise nicht ganz so gesundheitsfördernd sind. Gerade bei Jugendlichen erlebe ich es häufig, dass sich um den Hals ein kilometerlanger Schal dreht, während die Bekleidungsindustrie weiter unten keinen Umsatz zu machen scheint. Was meine Augen da erkennen, das sind freie Nieren, weil die Jacke an der Taille aufhört und ein Unterhemd uncool ist. Zusätzlich fangen die heutigen Hosen erst unter dem Beckenknochen an und enden dann auch schon wieder am Knöchel. Ich habe kürzlich erst gelesen, dass das Zeigen der Achillessehne der neueste Modeschrei sei. Sie wird unter Jugendlichen auch „Fußtaille“ genannt (wahrscheinlich das nächste Jugendwort des Jahres) und soll schön drahtig und stark wirken, ähnlich einem Kabelstrang mit einem Grübchen rechts und links davon. Deshalb muss sie auch immer frei liegen, damit andere Personen ihren Anblick genießen können. Selbstverständlich darf sie nicht in hohen Schuhen verschwinden. Egal ob Schnee oder Regen oder einfach nur kalt – man trägt Turnschuhe oder Ballerinas.
Gut, jeder darf modetechnisch seine eigenen Erfahrungen machen. Ganz besonders, wenn das augenscheinlich nicht mit dem aktuellen Wetter zusammenpasst. Der Nachteil dieser Selbsterfahrung ist dann aber oft eine gesundheitliche Einschränkung, weil die Diskrepanz eben auch dem Körper nicht gefällt. Es mag natürlich an meinem fortgeschrittenen Alter liegen, dass ich dafür einfach wenig Verständnis aufbringe; allein der Anblick dieser kleinen nackten Körperzonen lässt mich frieren … Falls sich jetzt jemand fragt, ob ich denn in meiner Jugend nicht ebenso kurzfristige Modetrends mitgemacht habe. Nun ja, das Unterhemd war auch damals schon uncool. Doch meine Pullover gingen immer bis über den Hosengürtel. Es könnte auch daran gelegen haben, dass es einfach keine kurzen Rollkragenpullover gab und der Schaltrend erst später begann.
Wie dem auch sei, am Ende gibt es Viren und Bakterien für alle. Besonders dann, wenn einfach drauflos geniest wird. Ähnlich wie bei einer Gießkanne, nur dass ich dann wirklich keine Blume sein will. Ich weiß bis heute nicht, wer sich das ausgedacht hat. So einfach frei durch die Gegend zu niesen. Egal ob auf offener Straße oder in geschlossenen Räumen. Einfach den Ellenbogen gehoben, am besten den eigenen, und diesen als Schutz benutzt – schon wäre vielen Menschen geholfen. Stattdessen erlebe ich, dass manch einer noch Schwung holt, indem tief eingeatmet und der Kopf theatralisch nach hinten geworfen wird. Wenn ich diese Aktionen wahrnehme, dann laufe ich rot an. Mehr innerlich als äußerlich, weil ich nicht nachvollziehen kann, warum man das tut. Warum kann man nicht einfach ein Taschentuch bereithalten? Wenn möglich eines aus Stoff. So wie unsere Großväter es schon hatten.
Jeder ist für seine Gesundheit selbst zuständig. Und natürlich kann ich mich täglich mit Desinfektionsmittel einbalsamieren, bis meine Haut brennt. Kein Ding. Ich kann mir auch eine Maske übers Gesicht legen und wie eine angehende OP-Schwester zum Einkaufen gehen. Dabei die Türen mit den Füßen aufstoßen und alles, was ich berühre, sofort mit einem Feuchttuch entkeimen. Ich kann mich im Vorfeld impfen lassen. Ich kann viel Gemüse essen und auf genügend Schlaf achten. Ich kann Vorsorgeuntersuchungen absolvieren und grünes Zeug aus dem Mixer trinken. Ich kann kneippen (nicht zu verwechseln mit einem regelmäßigen Besuch in der Bar), schröpfen und meditieren. All das bringt mich jedoch nicht weiter, wenn Mitmenschen einfach in den Raum niesen, ohne Rücksicht darauf, wer gerade neben ihnen steht.
Mir ist klar, dass das Niesen ein Schutzreflex ist, mit dem Fremdkörper aus der Nase geschleudert werden. Und zwar mit einer sehr hohen Geschwindigkeit. Damit es eben schnell geht und nicht weiteres Unheil in der Nase angerichtet werden kann. Klingt logisch. Trotzdem reicht allein diese Information, um zu erkennen, dass nicht ungeschützt geniest werden muss und sollte. Überhaupt sollte ungeschützt nichts weitergegeben werden, was nicht auf gegenseitiger Einigung beruht. Das nur mal so am Rande.
Früher wurde in die Hände geniest. Eine Möglichkeit, die dann erfolgreich ist, wenn der Niesende umgehend danach zum Hände waschen verschwindet. Doch das ist nicht immer möglich. Die Gründe sind vielfältig: z.B. weil die Besprechung gerade anfängt, der Vortrag läuft oder das Telefon läutet. Das alles sind tolle Wege, um Bazillen weiter zu verschenken.
Die Armbeuge scheint besser geeignet, weil sie selten direkt in Kontakt mit Menschen kommt. Auf den ersten Blick eine gute Lösung. Wird das Kleidungsstück allerdings nach dem Niesanfall mehrfach getragen, dann ist auch diese Möglichkeit keine erfolgversprechende Strategie.
Die wirksamste Barriere, um die eigenen ungebetenen Viren nicht ungefragt weiterzugeben, ist wohl immer noch das Taschentuch.
Welchen Weg Sie auch gehen, bitte denken Sie daran: Gesundheit geht uns alle an – Sie selbst und auch die Gemeinschaft.
In diesem Sinne, kommen Sie gut durch die wechselhafte Jahreszeit.
Ihre Jana Ludolf
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Mediatorin und Familiencoach
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