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Psychotherapie
Lesezeit: 10 Minuten

Ich träum mich mutig!

Warum Entspannung für ängstliche Kinder so wichtig ist

In unserer schnelllebigen und Smartphonegeprägten Zeit entwickeln immer mehr Menschen Angststörungen. Vor allem bei Kindern steigt die Zahl Betroffener stetig an. Es ist an der Zeit, uns kritisch mit dieser Gefahr auseinanderzusetzen.

Angst ist ein negatives Grundgefühl, das sich in Situationen äußert, die als bedrohlich/ gefährlich empfunden werden. Ängste sind in Intensität und Erleben unterschiedlich:

  • einfache Unsicherheiten (Scheu, Beklommenheit …)
  • Zwänge (Esszwang, Kontrollzwang …)
  • Furchtformen (Verletzungsfurcht, Versagensfurcht …)
  • Phobien (Agoraphobie, Klaustrophobie …)
  • Paniken (Angstanfall, Schockstarre …)
  • Psychosen (Neurotische Ängste, Verfolgungswahn …)

Wie äußert sich Angst?

Angst kann sich auf mehreren Ebenen bemerkbar machen:

Körperlich
Die Hände werden feucht und schweißig, der Blutdruck steigt an. Wir schwitzen oder frieren. Atem und Herzschlag beschleunigen sich, Muskeln verkrampfen. Man spürt oft Zittern, Stechen oder Hämmern in der Brust, einen Kloß im Hals, fühlt sich gefesselt, hat weiche Knie, ein unangenehmes Kribbeln in den Beinen. Schwindel und Übelkeit kommen ebenso vor wie Durchfall und vermehrter Harndrang.

Seelisch
Man fühlt sich ängstlich, ist angespannt und nervös.

Gedanklich
Man kann sich nicht mehr konzentrieren und grübelt, was alles Schlimmes passieren kann. Die Gedanken kreisen.

Verhaltenstechnisch
Man meidet bestimmte Situationen.

Warum empfinden wir Angst?

Angst ist eigentlich ein sinnvolles (Ur-)Gefühl, das uns vor Gefahren warnt. Wir werden alarmiert und bereiten uns auf Kampf/Flucht vor. Der Überlebenstrieb schaltet sich ein und schärft alle Sinne. Durch schnelle Reaktionen wurde so früher das Überleben unserer Spezies gesichert. Empfinden wir jedoch in Situationen Angst, von denen keine richtige Gefahr ausgeht, sprechen wir von einer unangemessen Angst, die schädlich auf uns wirkt und unsere Lebensqualität beeinträchtigt. Wir fürchten uns vor etwas, was keine Bedrohung darstellt.

Entstehung

Die Fähigkeit, Angst zu empfinden, ist angeboren. Jeder Mensch trägt sie in sich. Dazu kommt erlerntes Verhalten. Wem suggeriert wird, dass eine bestimmte Situation angstauslösend ist oder wer solch eine Situation erleben musste, speichert diese mit dem Gefühl Angst ab. Auch traumatische Erlebnisse sorgen dafür, dass wir bestimmte Situationen als bedrohlich ansehen. Oftmals rechnen Betroffene ständig mit der Möglichkeit einer Wiederholung und tragen diese Gedanken mit sich herum. Kinder können von überängstlichen Eltern lernen, Situationen als gefährlich anzusehen, obwohl diese es in Wirklichkeit nicht sind. Länger anhaltende starke Anspannungsgefühle können ebenso in Angst münden.

Angststörungen bei Kindern

Furcht und Angst sind Gefühle, die bei Kindern in bestimmten Situationen normal sind. Alle Kinder durchleben angstbesetzte Phasen, deren Inhalte sich mit Alter und kognitiver Entwicklung verändern. Diese normal verlaufenden Ängste sind mild, treten nur vorrübergehend auf und stehen in klarem Bezug zum Entwicklungsstand des Kindes, sie sind nicht klinisch. Bei immer mehr Kindern nehmen Furcht und Angst jedoch ein übersteigertes Ausmaß an und werden krankhaft. Angststörungen gehören mittlerweile zu den häufigsten psychischen Störungen dieser Altersgruppe.

Die wichtigsten Angststörungen bei Kindern:

  • Trennungsangst
  • Phobie
  • Generalisierte Angststörung

Nach Erhebungen des Robert-Koch-Instituts zur psychischen Gesundheit von Kinder- und Jugendlichen (BELLA-Studie) sind rund 10% der deutschen Kinder und Jugendlichen von einer akuten Angststörung betroffen. Experten-Schätzungen zufolge sind es sogar über 15%.

Symptome

Da Kinder Ängste nicht mit dem Verstand erfassen und ihre Pein oft nicht in Worte fassen können, ist es schwierig, Angststörungen zu erkennen und zu diagnostizieren. Die häufigsten Symptome von Angststörungen bei Kindern sind:

  • nachlassende Neugierde
  • Regression
  • Einnässen/Einkoten
  • Isolation (selbst gewählt)
  • Passivität/Hyperaktivität
  • selbstverletzendes Verhalten
  • Trichotillomanie
  • Zwang
  • Zittern/Stottern
  • Atemnot

Die wichtigsten Verhaltensänderungen, die auf eine Angststörung hinweisen, sind das Verstummen des Kindes und das Auftreten einer neuen, bisher ungekannten Aggressivität.

Wissenswertes

Während Jungen oft aggressiv und gewalttätig werden, ziehen sich Mädchen in ihr Schneckenhaus zurück, hungern oder verletzen sich selbst. Scheue Kinder sind häufiger von Angststörungen betroffen als extrovertierte. Sie lassen sich von veränderten Alltagssituationen mehr irritieren und reagieren in neuer Umgebung ängstlich.

Ursachen

Grundsätzlich ist fast immer das familiäre Umfeld das Problem. Ungünstiges Familienklima und niedriger sozioökonomischer Status (materielle Armut, sozialer Abstieg, konflikt-/gewaltreiche Familienverhältnisse) tragen zur Angststörungsentwicklung bei Kindern bei. Auch Trennung der Eltern reißt tiefe Wunden bei Kindern und lässt heftige Ängste entstehen, die sich chronifizieren können.

Schulangst bezeichnet Ängste mit Bezug auf die Schule. Je jünger das Kind ist, umso mehr ist mit körperlichen Phänomenen, z.B. Bauchschmerzen, Kopfschmerzen oder allgemeinem Unwohlsein, zu rechnen. Auch Fingernägelkauen, Schlafstörungen und Einnässen können Ausdruck von Schulangst sein.

Der schulängstliche Schüler nimmt die Leistungs-/sozialen Anforderungen der Schule als schwere seelische Gefährdung wahr. Oft entstammt Prüfungsangst überhöhter Ansprüche von Lehrern, Eltern oder unrealistischer Ambitionen des Kindes selbst. Misserfolge können vom Kind als Versagen deklariert werden und dafür sorgen, dass sich allgemeine Ängstlichkeit zur handfesten Schulangst entwickelt.

Aber auch Gewalt in der Schule, Mobbing, Kränkungen durch Mitschüler/Lehrer und Außenseitererfahrungen sind Ursachen. Wenn Kinder mit solchen Situationen nicht fertig werden, drohen ihnen seelische Schädigungen von Rückzugs- über aggressives Verhalten bis hin zu Suizidgefährdung.

Was Eltern tun können

Die Wahrnehmung und Anerkennung kindlicher Not ist wichtig. Es gilt, das Kind zu stärken, sich den Herausforderungen zu stellen und nicht davonzulaufen. Konkrete Handlungsansätze sollen gemeinsam überlegt und erarbeitet werden. Erfragen Sie, wovor das Kind genau Angst hat:

  • Vor dem Aufrufen im Unterricht? Dranzukommen?
  • Davor, Fehler zu machen? Sich zu blamieren?
  • Wird es von Mitschülern gemobbt? Gehänselt? Geschlagen?
  • Was spielt sich auf dem Schulhof ab?
  • Wie geht der Lehrer mit den Kindern um? Und im Speziellen mit ihm? Fühlt es sich vom Lehrer gut/schlecht behandelt?
  • Kann das Kind souverän vor der Gruppe sprechen? Hat es Angst davor?

Nachfragen und Verständnis zeigen

Ein liebevolles Gespräch in vertrauter Atmosphäre mit Ihrem Kind hilft ihm, sich seiner Angst zu stellen und über diese zu reden. Verständnis für die Probleme ist wichtig, das muss vermittelt werden, aber dramatisieren sollten Sie nicht. Beim gemeinsamen Durchspielen der Angstsituation gilt es zu besprechen, was schlimmstenfalls passieren kann und welche Handlungsalternativen es gibt.

Das Ermutigen des Kindes, die Lösung der Schulprobleme anzugehen, macht ihm Mut. Üben Sie mit ihm die Bereiche (z.B. Mathematik), die ihm schwerfallen. Suchen Sie das Gespräch mit Lehrern/Eltern von Mitschülern. Seien Sie im Umgang mit Ihrem schulängstigen Kind liebevoll und haben Sie Geduld, bis sich erste positive Wandlungen einstellen.

Das Unterbewusstsein stärken

Im tiefen Entspannungszustand ist es möglich, den Kontakt zum Unterbewusstsein herzustellen, mit ihm zu kommunizieren und zu arbeiten. Hier können die Weichen für eine positive(re) Zukunft gestellt werden. Denn die neuen Formeln wirken aus dem Unterbewusstsein heraus in das Bewusstsein und verändern das Denken des Betroffenen in die gewünschte Richtung hin.

Neben der medizinischen Hypnose und dem Autogenen Training gibt es den großen Bereich der Meditationen. Eingebunden in eine schöne Fantasiereise und zu freundlicher Hintergrundmusik werden neue Denk- und Handlungsansätze eingeübt. Kinder sprechen überaus positiv auf diese Form der Entspannung an.

Geführte Fantasiereisen

In meiner langjährigen Arbeit mit Kindern habe ich einige Fantasiereisen geschaffen, die sich den Angstproblemen von Kindern annehmen. Spielerisch in Form von geführten Meditationen können sich Kinder „mutig träumen“. Als Anregung für Ihre Praxisarbeit und für die eigenen, womöglich ängstlichen Kinder gibt es nun als Inspiration die Meditation „Der Sandstrand“, die sich hervorragend zum Einschlafen eignet. Viel Freude damit!

Der Sandstrand
Der Tag neigt sich dem Ende. Du liegst in deinem Bett und bereitest dich aufs Schlafen vor. Schließe deine Augen und freue dich auf eine tolle Reise in das Abenteuerland. Das Abenteuerland hat den besten Spielplatz der Welt. Dort kannst du dich austoben und viel Spaß haben. Stelle dir eine schöne Wiese vor, auf der du stehst. Um Dich herum siehst du bunte Blumen, kräftige Bäume und deine Lieblingstiere spielen.

Die Sonne scheint, und eine große Brücke liegt vor dir. Freudig läufst du los und über die Brücke, und da vorne glitzert es schon. Mit einem breiten Strahlen kommst du an das andere Ende, wo eine hübsche Fee dich begrüßt. „Hallo“, sagt sie, „willkommen im Abenteuerland. Hier warten fantastische Erlebnisse auf dich. Habe ganz viel Spaß“, lächelt sie und zeigt dir den Weg.

Du siehst einen roten Autoscooter und hast riesige Lust, dich hineinzusetzen und eine rasante Fahrt zu erleben. Steige ein, gurte dich an, und los geht´s! Du drückst auf das Gaspedal und der Scooter beginnt zu fahren – erst langsam, dann schneller. Du jubelst vor Freude, so viel Spaß macht es.

Nun hältst du an, denn vor dir liegt ein riesiger Abenteuerspielplatz. Viele Kinder sind schon da und lachen und spielen um die Wette. Zuerst möchtest du rutschen und siehst eine lange Rutsche. „Die ist es“, sagst du und kletterst die Stufen hinauf. Jetzt setzt du dich hin und lässt los. Hui! Die Rutsche ist toll … und schnell! Du rutscht tiefer und tiefer, und kommst unten an. Du möchtest noch einmal. Doch diesmal soll es die ganz große Rutsche sein. Mann, ist die hoch! Da trauen sich kaum andere Kinder rauf. Fast alle schauen nur zu.

Und du? Traust du dich? Spüre deinen Mut und deine Kraft und sage dir: „Ich kann das!“ Entschlossen gehst du zur langen Treppe der Riesenrutsche und kletterst hinauf. Alle Kinder schauen dir gebannt zu. Sie bewundern dich für deinen Mut. Endlich oben. Die Rutsche ist der Wahnsinn. So hoch und so lang. Du setzt dich hin und schubst dich los.

Du rutscht wie ein Weltmeister und jubelst vor Freude dabei. Als du unten ankommst, klatschen dir alle Kinder Applaus. Du bist glücklich und spürst dein Selbstvertrauen wachsen. Schaue dich um und du entdeckst eine Reifenschaukel. Schnell bist du dort und setzt dich auf den Reifen … und los geht´s! Immer mehr Schwung gibst du dir, und immer höher kommst du. Juhu! „Noch mehr Schwung und noch höher. Schaut her, wie gut ich es kann“, rufst du hinab, und alle Kinder schauen begeistert zu dir hoch.

Von der Schaukel aus siehst du einen netten Jungen, der zu dir hoch ruft: „Hast du schon die Abenteuer-Seilbahn gesehen?“ „Nein“, antwortest du. „Komm mit, ich zeige sie dir“, kreischt der Junge freudig und läuft vor. Du pendelst aus und folgst ihm, und da vorne ist tatsächlich eine tolle Abenteuer-Seilbahn. „Nur leider traue ich mich nicht, sie ist nämlich mächtig schnell“, sagt der Junge. „Aber ich traue mich“, sagst du stolz und rennst hoch auf den Hügel. Du hängst dich an das Seil, und ab geht die Fahrt! Du saust die lange Schnur entlang, es ist so toll. Der Junge applaudiert dir für deinen Mut, während du an ihm vorbeisaust und das Bahnende erreichst.

Es ist schon spät geworden, gleich wird der Spielplatz schließen. Verabschiede dich von allen netten Kindern und verspreche ihnen wiederzukommen zu ihnen ins Abenteuerland. Du läufst über die Brücke zurück zur Wiese, von der du gekommen bist. Dort steht dein Bett und wartet auf dich. Du bist nach dem vielen Spielen nun müde und willst schlafen. Lege dich hin und decke dich zu. Die strahlende Sonne geht unter und der faszinierende Mond erscheint.

Denke noch einmal an den Spaß, den du hattest, und daran, wie mutig du heute warst, und freue dich auf morgen, wenn du wieder ins Abenteuerland zum Spielen gehen darfst. Du siehst die hübsche Fee neben dir am Bett stehen, die zu dir sagt: „Schlafe nun ein und träume schön. Ich beschütze dich.“

Susanne HühnSusanne Hühn
Ausgebildete Lebensberaterin und ganzheitliche Physiotherapeutin; seit 1986 begleitet sie Menschen auf ihrem Weg zur Gesundung; Autorin zahlreicher psychologischer Ratgeber und Meditations-CDs
kontakt@susannehühn.de

CD-Tipp
Susanne Hühn:
Ich träum mich mutig.
Fantasiereisen für Selbstvertrauen und innere Stärke.
Schirner Verlag

Fotos: © eelnosiva / fotolia.com, © Soloviova Liudmyla / fotolia.com

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