Fallstudien
Fallstudie aus der körpertherapeutischen Praxis
Die persönliche Atemform – Leben in der ureigenen Konstitution
Jeder Mensch atmet, doch nicht alle atmen gleich. Es gibt zwei Atemformen: die aktive Ein- und passive Ausatmung oder die passive Ein- und aktive Ausatmung. Die eigene Atemform bestimmt nicht nur Körperhaltung und Bewegungsrhythmus, sie beeinflusst auch den Stoffwechsel maßgeblich. So gibt die Atemform Hinweise, wie man sich individuell bestmöglich bewegen und verhalten sollte.
Patientin
Barbara, 42 Jahre
Per E-Mail erhalte ich eine Terminanfrage. Die Klientin möchte ihre vielen orthopädischen Probleme „endlich in den Griff bekommen“. Zahlreiche Spezialisten hätten sich erfolglos an ihr abgearbeitet. Schmerzen im Rücken und Verspannungen im Nacken seien besonders präsent. Sie fühle sich erschlagen und hilflos.
Anamnese und Befund
Barbara ist aufgrund negativer
Beziehungserfahrungen alleinstehend. Aufgewachsen ist sie in einem strengen Elternhaus. Man hatte „gerade zu sitzen“,
sich normgerecht zu kleiden, Anweisungen von Älteren, Lehrern, Ärzten zu befolgen usw. Nach ihrer Ausbildung zur
Bankkauffrau ist sie nun seit über 20 Jahren im gleichen Betrieb tätig. Erste Rückenbeschwerden traten bereits mit
Anfang 20 auf. Es folgte eine Bandscheibenoperation mit 31. Seit über 15 Jahren leidet sie unter massiven
Nacken-Schulter-Verspannungen.
Die Körperanamnese ergibt: starke Verspannungen im unteren Rücken, ausgelöst durch eine labile Beckenorganisation, gegen die sich der Rumpf krampfhaft aufrichtet. Die Schultern ziehen subtil nach hinten, gleichwohl fällt der Schultergürtel nach vorne. Dazu kommen zahlreiche Verspannungen in der Gesichtsmuskulatur, besonders der Kiefermuskel ist im Dauertonus.
Insgesamt ergibt sich nach Gespräch und Körpersprachenanalyse folgendes Bild: Große innere Labilität, die durch äußere Anstrengung kompensiert werden muss. Besonders auffällig ist eine flache Atmung, bei der Lungenspitzen und Brustkorb unzureichend durchlüftet werden.
Atemformen-Analyse
Die Patientin ist eine dominante
Einatmer-Persönlichkeit, hat die für sie notwendigen Verhaltensformen aber aufgrund zahlreicher „Hinweise“ und
„Lehrmeinungen“ gestört. Dazu zählen die Spannungen im Rumpf (Bauch nach hinten ziehen, um schlank und gerade zu
wirken; Rücken starr halten, um arbeitsbereit zu sein), die Betonung Bauchatmung statt der Brustatmung (seit
Kindesbeinen an im Turnunterricht und später im Yogaunterricht vermittelt bekommen) sowie die Organisation ihres
Arbeitsplatzes (Bildschirm steht unter der Horizontaltlinie des Kopfes, Stuhl hat keine nach hinten dehnbare
Rückenlehne, strikte Einhaltung der Pausenzeiten).
Therapieziel
ist es, Barbaras Atemform und damit der
Einatmung Raum zu geben.
Arbeitsplatz
Empfehlungen für die Neuorganisation des
Arbeitsplatzes: Bildschirm erhöhen, um den Hals dehnen zu können, Schwingstuhl oder Stuhl mit weit nach hinten
dehnbarer Rückenlehne (Volumenvergrößerung im Brustkorb) und jederzeit, wenn der Körper das Bedürfnis verspürt,
Fokussierung auf einfache Bewegung.
Allgemein
Barbara soll die eigene Atemform besser
wahrnehmen und unterstützen. Konkret: den Atem in den Brustkorb lenken, Liegen auf dem Rücken, Erweiterung der
dehnenden Kräfte im Körper, Vermeidung aktiver Bauchatmung. Spezielle Übungen sind die Beckenrolle zur Entlastung des
unteren Rückens und eine Visualisierung der inneren Aufrichtung statt derer mit Muskelkraft. Für die Ausdauer empfehle
ich Spazieren, Wandern oder Laufen. Oberstes Ziel der Bewegungstherapie ist es, sich das eigene Körpergefühl wieder
selbst bewusst zu machen.
Seelischer Bereich
Das Thema „Unterdrückung der eigenen
Gefühle und Bedürfnisse“ ist zentral in der Biografie der Patientin. Sich selbst zu erfahren, durch den eigenen Körper
die vorhandenen Ungleichgewichte zu spüren, ist eine Brücke hin zur Veränderung. Knochengerüst, Muskelspannung und
Bindegewebsfluss „berichten“ ausführlich von ihrem Dilemma und können neu eingestellt werden, sodass dies auch zu
einer Veränderung der Persönlichkeit beitragen wird.
Verlauf und Ergebnis
Die Neujustierung des Arbeitsplatzes
führt, gepaart mit der Lösung alter Glaubenssätze (es ist wichtig, den Bauch einzuziehen, stets gerade zu sitzen, den
Nacken zu beugen etc.), schon nach zwei Wochen zu deutlichen Veränderungen. Barbara berichtet, ihr Körper fühle sich
entspannter an, und es fließe aufgrund der veränderten Atemmöglichkeiten Vitalität in den Körper.
Barbaras seelische Themen bedürfen längerer Anpassungszeiten, sodass wir uns sechs Wochen später wiedersehen – mit deutlich verbessertem Ergebnis. Nach einer abschließenden Sitzung, während der sie die Ziele, die sie zu Beginn formuliert hat, mit dem aktuellen Ergebnis überprüft, ist die grundlegende Therapie mit Hilfe der Atemformen beendet.
In Barbaras Fall haben wir einen Stufenplan entwickelt, da die Beeinträchtigung ihrer Körperpersönlichkeit besonders massiv gewesen ist. Doch auch dieser dient in meiner Arbeit ausschließlich als Hilfe zur Selbsthilfe, als Therapie im Wortsinn.
Marco Gerhards
Gesundheitspädagoge, Körpertherapeut, Anthropologe, Buchautor
Buch-Tipp
Marco Gerhards:
Die Atemformen beim Menschen.
Mit 111
Wahrnehmungsübungen.
Neue Erde Verlag
Fallstudie aus der Coaching-Praxis
Wachse über dich hinaus!
Wie oft im Leben sind wir schon über uns hinausgewachsen? Egal welche Erlebnisse das waren, es ging ihnen immer eine Veränderung im Denken voraus, ob bewusst oder unbewusst. Etwas wurde vorstellbar, was zuvor unmöglich erschien. Deshalb ist es viel effektiver, das Denken zu ändern statt des Verhaltens. Wenn wir kreativer denken, ändert sich das Verhalten automatisch.
Klientin
Maria, 47 Jahre
Maria hat nach einer langen Phase des Sorgens für Haushalt und Kinder den Wunsch, wieder im Berufsleben Fuß zu fassen. Schon beim Aufsetzen von Bewerbungsschreiben merkt sie, dass ihre Gedanken häufig zu ihrer letzten Arbeitsstelle vor der Geburt des ersten Kindes zurückwandern. Das letzte Jahr dort hat sie als sehr unangenehm in Erinnerung. Mobbende Kollegen, Degradierung und das Erledigen niederer Arbeiten begleiteten damals ihren Berufsalltag. Ihre Befürchtungen, dass es wieder so werden könnte, halten sie zurück, Bewerbungen zu schreiben. Und wenn sie dann tatsächlich eine verschickt hat, erhält sie Absagen. Gleichzeitig ist die Familie inzwischen auf ein Zusatzeinkommen angewiesen, und das sorgt für zusätzlichen Druck.
Im Folgenden fasse ich die wesentlichen Schritte meiner Begleitung zusammen:
1. Das Denken bestimmt das Erleben
Maria beginnt, ihr
Denken bezüglich des beruflichen Wiedereinstiegs zu beobachten. Vieles kreist um ihr Aussehen, die lange Berufspause,
ihre rudimentären Computerkenntnisse, die letzte Arbeitsstelle und den Druck, möglichst schnell etwas zu finden. Das
ist ihre „Wahrheit“ über ihre Qualifikation für den Arbeitsmarkt und ihr Hauptfokus.
2. Wie gut nährt dieser Fokus?
Der Fokus wirkt wie ein
Filter, der aus einer Fülle an Informationen nur dazu passende Gegebenheiten auswählt. Im Fall von Maria ist es ein
Fokus, der Misserfolge vorprogrammiert. Zudem setzt sie ihre Imaginationsfähigkeiten nicht ein, um eine gute Arbeit,
ein Erfolgserlebnis zu visualisieren.
3. Wem oder was glauben Sie?
Im Denken sind wir
unbegrenzt flexibel und voller Fantasie. Mit kreativem Denken erschließen wir Möglichkeiten, anstatt Vergangenem Macht
über uns zu geben. „Du stößt nicht an deine tatsächlichen Grenzen, du stößt nur an die Grenzen deines Denkens. Es ist
an der Zeit, dich zu trauen und deinen optimalen beruflichen Wunsch zu formulieren.“ Mit diesem Motto beginnt Marias
Wachstumsprozess.
4. Lebensfeuer stärken
Wenn wir richtig für eine Sache
brennen, ziehen wir die guten Dinge in unser Leben. Maria entdeckt, dass ihr Lebensfeuer zum Thema Wiedereinstieg nur
ein kleines Flämmchen ist. Ich lade sie ein, dem Feuer mehr Raum zu geben und es gut zu nähren. Während ihrer
Familienphase hat Maria viele neue Facetten von sich entdeckt. Sie hat ihren Kindern ein tolles Entwicklungsumfeld
geboten, im Elternbeirat mitgewirkt, sich äußerlich zu ihrem Vorteil verändert und ihr Talent im Gartenbau entdeckt.
Mit all dem nährt sie nun ihr Lebensfeuer, bis es lichterloh brennt. Zudem gibt sie unliebsame Erinnerungen hinein und
visualisiert, wie sie dem Feuer als neue Person entsteigt. Diese Übung integriert sie immer wieder in ihren Alltag.
5. Den Wachstumsweg wählen
Wir können gegen unsere
Lebensumstände ankämpfen oder die Harmonie dazu erhöhen. Oft beschäftigen wir uns mit Widerständen und Hindernissen
statt mit unterstützenden Kräften. Als neue Übung stellt Maria sich einen Weg vor, der auf ein Haus mit der Aufschrift
„gewünschte Arbeitsstelle“ zuläuft. Während sie ihn beschreitet, achtet sie auf Hindernisse und sucht Wege, diese zu
überwinden. Anschließend geht sie den Weg ein zweites Mal, schlendert ihn entlang und sammelt alle Geschenke ein, die
auf dem Weg zu finden sind. Der zweite Weg verbindet uns mit dem Feld der Möglichkeiten. Dann klopft sie laut an die
Tür des Hauses und gönnt sich Erfolgserlebnisse.
6. Wie lange dauert eine Veränderung?
Wir meinen oft, dass
es lange braucht, um aus alten Gewohnheiten auszusteigen. Im Feld der Möglichkeiten sieht das anders aus, wenn wir
z.B. mit „Lichtgeschwindigkeit“ arbeiten. Maria nutzt die Idee eines Lichtfunkens. Immer wieder beobachtet sie ihre
Gedanken und lässt die kontraproduktiven in diesen Lichtfunken einfließen und im Universum verschwinden.
7. Im Feld der Visionäre
Ich lade Maria ein, einen
beliebigen Alltagsgegenstand zu wählen. Sie entscheidet sich für einen Stift. Mit ihm taucht sie ein in das Feld der
Ideen, reflektiert über Kreativität und Erfindungsgeist, die in diesem Gegenstand stecken, welche gedanklichen Grenzen
dazu überwunden werden und welches Vertrauen in die Möglichkeiten darin gegeben ist. Der Stift wird ihr Anker und
Visionsobjekt für die Unterschrift auf ihrem Arbeitsvertrag.
Ergebnis
Maria hat sich aus starren Denkstrukturen gelöst
und mit kreativen Lösungsansätzen entdeckt, was in ihr steckt. Drei Monate später hat sie ihre Traumstelle gefunden.
Wenn wir lernen, kreativer zu denken und individuelle Ideen entwickeln, wie wir leidenschaftlicher leben können, ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir über uns hinauswachsen.
Susanne Weikl
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Coach, Buchautorin
suwei@arcor.de
Buch-Tipp
Susanne Weikl:
Wachse über dich hinaus!
Mit kreativem Denken
leidenschaftlicher leben.
Schirner Verlag.
Fallstudie aus der tierheilkundlichen Praxis
Angstbesetzte Situationen neu konditionieren
In der Verhaltensbiologie unterscheidet man zwischen den Begriffen „Angst“ und „Furcht“. Angst beschreibt ein eher diffuses Gefühl. Dieses ist nicht auf ein Objekt bezogen und bringt das Tier in eine allgemein höhere Alarmbereitschaft. Furcht hingegen ist immer auf ein externes Objekt bezogen, d.h. das Tier hat „Furcht vor etwas oder jemand“, z.B. vor dem Tierarzt, der Impfspritze oder der Wurmkur.
Bei einem Fluchttier wie dem Pferd werden negative Assoziationen, also die Verknüpfung einer Situation, eines Gegenstands oder einer Person mit Stress, Angst oder Schmerzen, sehr tief verankert. Ist das Pferd in der Natur nicht in der Lage, rechtzeitig einen Gefahrenreiz zu erkennen, kann es innerhalb von wenigen Sekunden zu spät sein.
Patientin
Donna, 13-jährige Warmblutstute
Problemstellung
Die Stute hat Furcht vor Spritzen seitens
des Tierarztes. Sie lässt sich nicht impfen, ohne dass eine massive Abwehrhaltung auftritt, gekennzeichnet durch
Flucht, Steigen oder Austreten mit der Vorhand.
Trainingsansatz
Eine negative Assoziation kann im
Pferdeverhaltenstraining durch kleine Lernschritte wieder positiv besetzt werden. Wichtige Grundlage hierfür ist, dem
Pferd in der negativ besetzten Situation eine Handlungsalternative zu bieten. Es eignet sich hierfür das Einnehmen
einer entspannten, gesenkten Kopfhaltung. Diese lässt sich über das Halfter oder mit leichtem Druck im Genick
konditionieren und abrufbar machen.
Wichtig ist, diese Konditionierung nicht in der negativen Situation zu üben, sondern während eines ruhigen Moments im Training.
Durch die gesenkte Kopfhaltung erfährt das Pferd auch mit Blick auf seine Gehirnphysiologie eine Entspannung. Beruhigende Botenstoffe, wie Serotonin, werden ausgeschüttet. Die gegenteilige Körperhaltung, die eine durch Stress gekennzeichnete Situation widerspiegelt – erhobener Kopf, angespannte Rücken- und Unterhalsmuskulatur – führt dazu, dass Substanzen wie Adrenalin und Cortisol im Körper freigesetzt werden.
Ist einmal eine entspannte Haltung in Ruhe konditioniert worden, lässt sich diese auch in einer Situation abrufen, in der das Pferd bislang das Verhalten von Abwehr oder Flucht als Lösung wählen würde. Man geht hier schrittweise vor und bringt das Pferd nicht sofort komplett in die bisher negativ besetzte Situation, sondern schätzt ab, auf welchen Reiz das Pferd mit Abwehr oder Flucht reagieren würde. Diese Stressoren werden nach und nach in das Training aufgenommen und nacheinander über das o.g. Vorgehen positiv besetzt.
Training im Praxisfall
Zurück zu Donnas Furcht vor der
Spritze: Während ruhiger Momente arbeiten wir auf dem Reitplatz oder in der Reithalle mit einer Attrappe. Zu
konditionierendes Ziel bei Donna ist, dass die Berührung am Hals mit der Spritze mit einer gesenkten Kopfhaltung
endet. Der Druck am Hals wird nach und nach gesteigert, und die Stute lernt immer mehr, dass die entspannte Haltung
die Lösung für das bisher negativ assoziierte Thema sein kann.
Wichtig ist, dass der Druck nicht während der Abwehr oder dem Vermeidungsverhalten weggenommen, sondern eine kurze Zeit lang beibehalten wird, sodass dem Pferd sanft geholfen wird, seinen Ausweg in der Entspannung zu suchen. Als Unterstützung wird hier der Kopf leicht über das Halfter gesenkt.
Der Einfluss der menschlichen Körperspannung ist in solchen Fällen nicht zu unterschätzen. Trainer und Besitzer, die diese Situation üben, haben darauf zu achten, in einer entspannten Körperhaltung mit niedrigem Muskeltonus zu agieren. Körperspannung wird vom Pferd übernommen und kann als Trigger fungieren, um die Furcht oder den Angstzustand auszulösen.
Nachdem die gesenkte Kopfhaltung auf den Reiz der Spritzenattrappe zuverlässig abrufbar geworden ist, wird bei Donna der nächste Lernschritt angesteuert. Wir führen dieselbe Übung am Anbinder und in der Stallgasse wiederholt durch. Die neue Routine gibt der Stute Sicherheit und lässt sie die Situation erstmals positiv verknüpfen.
Dauer und Verlauf
Nach einem einmaligen Initialtraining
meinerseits und einem Wiederholungstermin zwei Wochen später hat die Besitzerin nun eine klare Anleitung für den
Trainingsfortgang. Sie übt einen Monat lang, 3x wöchentlich. Danach kann die Stute in Ruhe geimpft werden, ohne dass
das übliche Abwehrverhalten auftritt.
Fazit
Mit den beschriebenen Schritten einer
Umkonditionierung von mit Angst besetzten Situationen oder Gegenständen können Pferd und Besitzer Alltagsprobleme
effektiv genommen werden.
Dr. Vivian Gabor
Biologin, promovierte Pferdewissenschaftlerin mit Spezialgebiet
Lernverhalten des Pferdes
DVD-Tipp
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Pferdepsychologie praktisch erklärt.
Mit Wissen und
Gefühl zur feinen Kommunikation.
Arminius Media
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