Süßholz gegen Orangenhaut
Eine neue Strategie zur Cellulite-Behandlung
Zwischen 40 und 120 Milliarden Fettzellen hat ein Erwachsener, je nach Leibesfülle. Sie dienen der Thermoregulation und stellen ein Energiereservoir wie auch einen mechanischen Puffer dar. Daneben arbeiten sie als endokrines Organ, das gleich einer chemischen Fabrik über 100 stoffwechselaktive Substanzen produziert. So wird hier u.a. das Hormon Cortisol hergestellt, das einen wichtigen Impuls für die Neubildung von Fettzellen in der Haut liefert und an der Entstehung von Cellulite (gynoide Dystrophie) beteiligt ist. Glycyrrhetinsäure aus der Süßholzwurzel (Lakritz) kann kutanes Fettgewebe abbauen, indem es in den Stoffwechsel von Cortisol eingreift. Da das Fettgewebe der Haut die Körperoberfläche modelliert, konnte so ein neues Therapieprinzip bei Cellulite entwickelt werden, da über die Verringerung des Fettgewebes das Hautrelief verbessert werden kann.
Ungeliebte Orangenhaut
Als Cellulite bezeichnet man das Nebeneinander von Vorwölbungen und Dellen an der Hautoberfläche, v.a. an Oberschenkeln, Hüfte und Gesäß. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass die Cellulite – im Gegensatz zur entzündlichen Cellulitis – eine Beschreibung für einen Hautzustand ist und keine Erkrankung darstellt.
Eine wesentliche Rolle bei deren Entstehung spielt das kutane Fettgewebe. Dieses enthält verschiedene Zelltypen, darunter Fibroblasten, Makrophagen, Monozyten und Vorläuferzellen von Fettzellen. Nur ein Drittel aller Zellen im Fettgewebe sind voll ausgebildete Fettzellen (Adipozyten).
Die Neubildung von Fettzellen (Adipogenese) ist ein biologisch hochkontrollierter Prozess, der seit über 25 Jahren erforscht wird. Dabei erhalten die Vorläuferzellen u.a. durch hormonelle und ernährungsbedingte Faktoren Signale für den Übergang in Fettzellen (Adipozytendifferenzierung). Auch die Zell-Zell-Kommunikation spielt bei der Adipogenese eine Rolle. Das Gleichgewicht zwischen Neubildung, Wachstum und Auflösung (Apoptose) der Fettzellen bestimmt das gesamte Körperfett.
Die zwischen Kutis und Körperfaszie gelegene Subkutis besteht weitgehend aus einer bis mehrere Zentimeter dicken Schicht von Fettgewebe und modelliert damit die Körperoberfläche. Die Dicke ist unterschiedlich und von verschiedenen Faktoren abhängig.
Ihr Gesamtgewicht beträgt normalerweise zwischen 20 und 25 kg. Sie enthält die Hälfte bis zwei Drittel der Gesamtfettmasse des Organismus, die ansonsten auch um fast alle Organe herum vorkommt. In der Subkutis bilden sich Fettpolster, deren Verteilung geschlechtsabhängig verschieden ist: Beim Mann dominieren sie in der oberen Körperhälfte, besonders am Bauch. Bei der Frau sind sie v.a. unterhalb des Nabels an Becken, Gesäß und Oberschenkeln lokalisiert.
Ultraschalluntersuchungen der von Cellulite betroffenen Haut zeigen eine unregelmäßige Vorwölbung von Fettzellen in die Dermis. Bei Frauen findet man zudem ein diffuses Muster irregulärer und unterbrochener Bindegewebszüge direkt unterhalb der Dermis. Bei Männern ist diese Schicht glatt und durchgehend.
Die obere Subkutisschicht besteht bei Frauen aus stehenden Fettzellkammern, die durch das Bindegewebe röhrenförmig voneinander getrennt sind. Diese Fetteinheiten wölben sich beim seitlichen Zusammenpressen der Haut polsterartig hoch. So entsteht das typische Hautrelief, das einer gesteppten Matratze oder der Oberfläche einer Orange ähnelt („Orangenhaut“). Mit zunehmendem Lebensalter vergrößern sich die Fettzellen.
Mit einer Anwendung von Glycyrrhetinsäure aus der Süßholzwurzel gelang es, nicht nur die Zahl der Adipozyten, sondern auch deren Größe zu verringern.
Die Haut ist ein endokrines Organ
In den letzten Jahren konnte das Fettgewebe der Haut als endokrines Organ identifiziert werden. Es synthetisiert neben Leptin verschiedene Adipozytokine, die vielfältige physiologische Wirkungen haben, darunter den Plasminogen-Aktivator-Inhibitor (PAI-1), Angiotensinogen, Angiotensin II, Adiponektin, Interleukin 6 (IL-6), Tumornekrosefaktor alpha (TNFa), Resistin und Prostaglandine. Sie alle sind an der Pathophysiologie der Adipositas und ihrer Begleit- und Folgeerscheinungen, wie z.B. Bluthochdruck, Thrombose, kardiovaskulären Erkrankungen, Entzündungsreaktionen und Störungen der Immunabwehr, beteiligt.
Außerdem findet man im kutanen Fettgewebe eine Vielzahl von Enzymen, die in den Stoffwechsel und die Wirkung von Steroidhormonen involviert sind. Neben der Aromatase und der 11ß-Hydroxysteroiddehydrogenase Typ 1 (11ß-HSD 1) konnten aus Adipozyten und Präadipozyten-Zelllinien Reduktasen isoliert werden. Im Folgenden wird der Fokus auf die 11ß-HSD gelegt, und es werden Strategien für den Fettabbau aufgezeigt.
Adipozytenregulation und -wachstum
Die Bildung von Fettzellen erfolgt in zwei Schritten: Zunächst entstehen Vorläuferzellen (Präadipozyten) aus mesenchymalen Stammzellen, die dann in Fettzellen umgewandelt werden. Für die Adipozytendifferenzierung aus Präadipozyten sind die hormonelle Aktivität und das Vorhandensein von Transkriptionsfaktoren maßgeblich.
Bereits 1987 hatte Hauner mit seinen Mitarbeitern gezeigt, dass die Gabe physiologischer Konzentrationen von Cortisol oder anderen Kortikosteroiden in Gegenwart von Insulin innerhalb weniger Stunden zu einer 30- bis 70-fachen Zunahme der Zahl sich entwickelnder Fettzellen führte.
15 Jahre später untersuchten Tomlinsson und Stewart, welche Rolle Glukokortikoide bzw. deren Präzeptoren im Prozess der Fettzellenneubildung spielen. Präzeptor ist die mit den Glukokortikoid-Rezeptoren vergesellschaftete 11ß-HSD, die die Synthese von Cortisol aus Cortison und umgekehrt steuert. In ihrer 2002 publizierten Arbeit kamen die Forscher zu dem Schluss: Ohne Cortisol können sich keine Adipozyten bilden.
Dass durch die Hemmung der 11ß-HSD1 über Glycyrrhetinsäure aus der Süßholzwurzel auch die Aktivierung von Cortisol aus Cortison blockiert werden kann, konnten Bujalska und seine Mitarbeiter bereits 1999 nachweisen.
Fettgewebe, Glycyrrhetinsäure & Cortisol
Aufgrund dieser Aspekte lag die Assoziation nahe, dass durch Gabe von Glycyrrhetinsäure die Adipozytendifferenzierung und Bildung von Fettgewebe gehemmt werden kann. Die Nebenwirkungen bei oraler Anwendung machen jedoch eine ständige Überwachung des Patienten notwendig. Deshalb kam man auf die Idee, über eine kutane Anwendung in Form einer Creme hohe Wirkstoffkonzentrationen direkt ins Fettgewebe einzubringen. In Penetrationsstudien war der Nachweis gelungen, dass Glycyrrhetinsäure nach topischer Applikation in lebenden Hautschichten nachweisbar ist. Eine perkutane Absorption des unveränderten Wirkstoffs in die Rezeptorphase konnte nicht nachgewiesen werden, was hinsichtlich potenzieller Nebenwirkungen von Bedeutung ist.
In jüngster Zeit finden glycyrrhetinsäurehaltige Salbenzubereitungen Anwendung im Rahmen der Therapie von Neurodermitis. In der Kosmetik werden Süßholzwurzel-Präparate zur Vermeidung von Hautentzündungen und zur Vorbeugung von Hautirritationen verwendet.
Studien zur Wirkung von Glycyrrhetinsäure
Armanini und seine Mitarbeiter untersuchten 18 gesunde Frauen im Alter zwischen 20 und 33 Jahren mit normalem Body-Mass-Index, denen eine Creme auf die Oberschenkel appliziert wurde. 9 Probandinnen erhielten eine Cremegrundlage mit 2,5% Glycyrrhetinsäure, die 9 anderen lediglich die Cremebasis. Nach einem Monat wurde die Dicke des subkutanen Fettgewebes der behandelten Oberschenkel mit Hilfe von Ultraschall gemessen. Ergebnis war, dass es zu einer deutlichen Reduktion des kutanen Fettgewebes bei der Wirkstoffgruppe gegenüber der Placebogruppe gekommen war. Außerdem zu einer Reduktion des Oberschenkelumfangs.
Forscher in Korea konnten feststellen, dass Glycyrrhetinsäure auf zwei Wegen zum Abbau von Fettgewebe beiträgt: In Präadipozyten hemmte sie die Adipogenese, in ausgereiften Fettzellen förderte sie die Lipolyse. Das rechtfertigt nicht nur den Einsatz von Glycyrrhetinsäure im kosmetischen Bereich gegen Cellulite (z.B. mit Minus Adip extra®), sondern schafft auch interessante Perspektiven für die Medizin, z.B. für die Behandlung des Lipödems.
L-Carnitin und das kutane Fettgewebe
Diese Aminosäureverbindung unterstützt das Bodyshaping, indem es Fettsäuren zur Energiegewinnung in die Muskelzellen transportiert. In der Sportmedizin genießt L-Carnitin längst einen herausragenden Ruf. Es kann eine effizientere Energieerzeugung aus den körpereigenen Fettdepots fördern. Das bedeutet: Weniger Erschöpfung und mehr Effizienz beim Figurtraining. Auch die Regeneration nach sportlicher Belastung verbessert sich durch Ergänzung von L-Carnithin.
Die Effektivität von L-Carnitin ist in klinischen Versuchen nachgewiesen. So konnten japanische Probanden in einer aktuellen Studie innerhalb von vier Wochen gegenüber einer Placebogruppe signifikante Erfolge beim Bodyshaping verzeichnen. Dabei wurden täglich nur geringe L-Carnitin-Dosen verabreicht. 2018 konnten Hamburger Wissenschaftler nachweisen, dass L-Carnitin in speziellen Hautzelllinien (SZ95) konzentrationsabhängig die ß-Oxidation von Fettsäuren im Vergleich zu Kontrollzellen aktivieren kann, wodurch die intrazellulären Lipidkonzentrationen gesenkt werden. In Penetrationsexperimenten mit Schweinehaut wurde schließlich nachgewiesen, dass L-Carnitin die Dermis erreicht.
Fazit
Glycyrrhetinsäure aus der Süßholzwurzel und L-Carnitin können den Stoffwechsel von Fettzellen beeinflussen. Ersteres wirkt nach äußerlicher Anwendung sowohl über die Hemmung die Adipogenese in heranreifenden Fettzellen als auch durch Förderung der Lipolyse in ausgereiften Fettzellen fettabbauend im kutanen Fettgewebe. Zusammen mit dem körpereigenen L-Carnithin (z.B. in Minus Adip extra®), das die ß-Oxidation stimuliert und die intrazellulären Lipidkonzentrationen senkt, ergeben sich zwei verschiedene, synergistisch wirkende Therapieansätze, die zum Abbau des kutanen Fettgewebes und zur Verbesserung des Erscheinungsbildes der Hautoberfläche beitragen. Somit können sie gemeinsam als pflegendes Kosmetikum bei Cellulite in Betracht gezogen werden.
Jens
Bielenberg
Apotheker und Medizinjournalist mit Schwerpunkten Phytotherapie, Vitamine und
Mineralstoffe
Jens.Bielenberg@t-online.de
Foto: © llhedgehogll / stock.adobe.com
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