Glosse: Woher kommt der Schmerz … und warum?
Mit akutem Schmerz haben wir Heilpraktiker eher selten zu tun, meist nur bei Patienten, die wir schon kennen und die lieber gleich zu uns kommen. Unser Arbeitsgebiet ist häufiger der chronische oder chronisch rezidivierende Schmerz, der seine Funktion als Alarmsignal bereits verloren hat. Die empfundenen Schmerzen können unangenehm bis unerträglich sein. Sie reichen vom Kopfschmerz, der sich oft zu spät einstellt, über Lumbago bis hin zum BTCP-Zustand (Breakthrough Cancer Pain, ICD-10: G89.3), der einem das Leben versauen, es gar beenden kann. Die Erstanamnese ergibt bisweilen eine Odyssee an Therapeuten-Besuchen, was mich mit der Frage konfrontiert: Was soll ich mir jetzt noch einfallen lassen, was ein Kollege nicht auch schon probiert hat? Das hat alles nicht geholfen, sonst wäre der Patient ja jetzt nicht hier.
Wir Heilpraktiker kennen zwar eine Reihe therapeutischer Ansätze, ich habe hinreichend gute Erfahrungen damit, aber v.a. die Schmerzakupunktur erklärt mir nicht, woher der Schmerz eigentlich kommt. Es ist ihr auch egal. Aber ich bin mir des Risikos bewusst, dass der Schmerz wiederkommen kann, und dann wäre es schon hilfreich, zu wissen, ob es einen benennbaren Ursprung gibt, der auch therapierbar ist. Einen Auslöser, von dem ich wissen sollte, bevor ich die Alarmanlage ausschalte. Es könnte ja doch irgendwann mal wieder irgendwo brennen.
Um der Ursache wie ein Detektiv auf den Grund zu gehen, eignet sich ein zentraler Baustein im Methodenkoffer der Kinesiologie: der Muskeltest. Dieser kann sehr gut für diagnostische sowie therapeutische Zwecke eingesetzt werden. Und zwar, weil uns der Muskeltonus und dessen unwillkürliche Veränderung einiges über den funktionellen Zustand des Körpers und unseren Patienten selbst verrät. Er kann dem Feinsinnigen offenbaren, an welcher Stelle eine Störung ihren Ursprung hat, auch wenn der Feinköpfige es gar nicht weiß. Das Körpergedächtnis offenbart Zusammenhänge, die für den Verstand nicht einsehbar sind. Und so findet sich die Ursache mitunter weit entfernt vom Schmerzgeschehen und so manches Mal auch nicht mal auf der Körperebene.
Dass die Zusammenhänge der Kinesiologie auf den ersten Blick unwahrscheinlich wirken, ist die Folge des heute allgegenwärtigen Menschenbildes, nach dem wir aus Fleisch und irgendwie noch Geist bestehen, nicht ganz klar, Bewusstsein, Unterbewusstsein, ziemlich diffus … Die ältere Annahme, dass da noch mehr sein müsse, was sich auf subtileren Ebenen abspielt, ist Vielen nur begrenzt zugänglich. Das geht weit über den rein physikalischen Begriff von Energie hinaus. Es ist komplexer. Treten wir auf diese Weise mit einem Menschen in Verbindung, geht etwas in uns in Resonanz. Wir nehmen einen veränderten Muskeltonus wahr, beginnen etwas zu ahnen. Plötzlich erscheinen Bilder vor dem inneren Auge, für die es eine zweidimensionale Erklärung nicht gibt. Ahnungen von Dingen, die auch dem Patienten selbst wenig zugänglich sein können. Was wir da ahnen, kann zutreffen oder auch nicht, das ist reine Statistik. Aber schon ein einsames kleines Wort kann mächtige Prozesse in Gang setzen, die schon mal in Tränen enden können.
Steve de Shazer hat mal mit einer Patientin gearbeitet, die vor Scham ihr Symptom nicht nennen wollte. Er hat es erfolgreich getan. Ich habe davon erfahren und dachte mir: Das probiere ich auch aus! Und es funktioniert. Es gibt Zeugen.
Nun stelle man sich einen Schmerzpatienten vor, der darüber klagt, dass ihm das Herz so weh tut. Aber er weiß einfach nicht warum. Die gründlichste klinische Untersuchung ergibt keinen Befund. Funktionelle Kardiomyopathie. Aber nun hat doch dieses Herz in den Jahren seines Lebens so vieles schmerzfrei mitgemacht. Was also liegt so bleischwer auf ihm, dass es derart schmerzt? Wir fahnden und finden: Es ist der Kummer, oh Kummer!
Aus meiner systemischen Therapieerfahrung heraus weiß ich, dass allein die Kenntnis der Ursache einer Störung keine hinreichende Voraussetzung für einen Heilungsprozess ist; auch wenn es sich so leicht sagen lässt: „Erstmal die Ursachen finden!“ Der wichtigste Schritt in Richtung Gesundheit ist eine Entscheidung: Will ich den so vieldimensional eingebundenen Schmerz annehmen, oder will ich ihn weiter mit was auch immer betäuben? Will ich mich meinem Schmerz stellen, oder will ich weiterhin ausweichen und ihn genauso wie meine negativen Gefühle unterdrücken?
Die Annahme, dass es „negative Gefühle“ geben soll, hat mich schon öfter verblüfft. Was soll das sein? Schmerz, Trauer, Zorn, Angst, Neid, Rachsucht, Hass, Ärger – naja, wir haben sie meistens nicht lieb, diese Gefühle, aber sie haben ihre berechtigte Funktion, und schließlich ist ein gefühlsarmes Leben ganz gewiss nicht wünschenswert.
Was also, wenn ein Schmerzpatient vom Kinesiologen seines Vertrauens unter die Lupe genommen und dieser Familiengeschichten entdecken würde, von deren Existenz der Patient bislang nichts ahnte? Vielleicht wird erst jetzt und nur auf diese Art der Herangehensweise deutlich, dass da über lange Jahre viele Tränen ungeweint geblieben sind, die in der Gegenwart die Kopfschmerzen verursacht haben. Jetzt liegt es an ihm, wie er mit seinem Schmerz umgehen will. Es ist seine Entscheidung.
Thomas
Schnura
Psychologe M.A., Heilpraktiker und Dozent
Foto: © KomootP I adobe.stock.com
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