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Tierheilkunde
Lesezeit: 10 Minuten

Hüftdysplasie beim Hund

Osteopathische Interventionen zur Unterstützung der Beweglichkeit

Fast jeder Hundehalter hat schon davon gehört und bekommt Sorgenfältchen auf der Stirn: Hüftdysplasie (HD). Abgesehen von den Schmerzen und der eingeschränkten Beweglichkeit, die der Hund dadurch erlebt, können auch erhebliche Behandlungskosten auf den Halter zukommen. Jedoch gibt es viele Möglichkeiten, wie man Hunden mit HD helfen kann. Ich möchte Ihnen die besten therapeutischen Optionen aus Sicht der Tierosteopathie vorstellen.

Was ist eine Hüftdysplasie?

Das Krankheitsbild bezeichnet eine Fehlbildung des Hüftgelenks: Hüftpfanne und Oberschenkelkopf passen nicht optimal zueinander. Das Hüftgelenk ist ein Kugelgelenk, hier liegt der Kopf des Oberschenkelknochens im Normalfall passgenau in der Hüftpfanne. Somit kann das Bein nicht nur nach vorne und hinten, sondern auch seitwärts und schräg bewegt werden. Liegt eine HD vor, können die Hüftbewegungen nur eingeschränkt oder gar nicht durchgeführt werden und sind in vielen Fällen mit Schmerzen verbunden.

Wie entsteht die HD?

Diese Fehlbildung des Hüftgelenks ist überwiegend genetisch bedingt, sie kann von einem oder beiden Elternteilen vererbt werden. Eine HD kann einseitig oder beidseitig vorhanden sein. Auch unterschiedliche Schweregrade sind möglich. Zusätzlich gibt es noch einige weitere Faktoren, die eine Hüftdysplasie begünstigen:

  • zu schnelles Wachstum
  • Fehl- und Überbelastungen in der Wachstumsphase
  • falsche Fütterung
  • ungünstige oder zu spät versorgte Fraktur

Ebenso können ältere Hunde betroffen sein, bei denen die HD im Rahmen altersbedingter Gelenkabnutzung entstanden ist.

Als Folge der Hüftdysplasie können Knochenhautentzündungen und Arthrosen entstehen, die das Gelenk noch mehr in der Bewegung einschränken und ebenfalls sehr schmerzhaft für den Hund sein können.

Jeder Hund kann unter einer HD leiden, jedoch gibt es Rassen, die häufiger betroffen sind. Dazu gehören Deutsche Schäferhunde, Sennenhunde, Rottweiler, Labradore, Golden Retriever, Bernhardiner und Deutsche Boxer. Bei diesen Rassen liegt der Schwerpunkt des Körpers mehr auf der Hinterhand, sodass diese stärker belastet wird.

Wie erkennt man eine Hüftdysplasie?

Eine leichte HD ist nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Sie zeigt sich meist erst nach stärkerer Belastung, z.B. nach langen Wanderungen. Bei mittleren und stark ausgeprägten Hüftdysplasien treten häufig sichtbare Anzeichen für das Krankheitsbild auf.

Spezifische Symptome sind

  • ausgeprägter Hüftschwung oder wackeliger, steifer Gang
  • Instabilität der Hinterbeine (oft bei jungen Hunden)
  • Hasengalopp (Hund stößt beim Galopp beide Hinterbeine gleichzeitig ab)
  • mühsames Aufstehen und Hinlegen
  • verminderte Aktivität, Bewegungsunlust
  • Lahmheit und Nachziehen sowie Überkreuzen der Hinterläufe
  • Schmerzen
  • Berührungsempfindlichkeit im Bereich des Hüftgelenks
  • Hochstehen des unteren Hinterbeines beim auf der Seite liegenden Hund als Folge der verspannten Adduktoren, die versuchen, das Bein stabil zu halten
  • schräges Sitzen oder Rutschen auf eine Seite beim Platz machen
  • Vermeiden von Treppen- und ins Auto steigen

Unspezifische Symptome können sein

  • allgemeine Schmerzanzeichen, z.B. vermehrtes Hecheln, Schmatzen, Knabbern und Lecken an den schmerzenden Stellen im Hüftbereich
  • Verhaltensveränderungen
  • Verspannungen in überlasteten Körperpartien, z.B. im Rücken und an den Schultern

Grundlegendes zur Osteopathie

Die Grundprinzipien der Osteopathie lauten:

Der Körper ist eine Einheit Alles im Körper hängt zusammen, nichts kann nur für sich allein betrachtet werden. Man soll also immer den ganzen Körper in Augenschein nehmen, auch wenn nur ein einzelnes „Problem“ besteht, da dessen Ursache und Ursprung weit vom Symptom entfernt liegen kann.

Der Körper ist in der Lage, sich selbst zu heilen Der Körper verfügt über Selbstheilungskräfte und Regulationsmechanismen. Ziel der osteopathischen Behandlung ist es, diese anzuregen und zu unterstützen.

Funktion bedingt Struktur und umgekehrt Ist die Körperstruktur eingeschränkt, wirkt sich dies auf die Funktion aus und umgekehrt.

Die arterielle Regel Der Körper kann nur gut funktionieren, wenn ein optimaler Zu- und Abfluss von Blut und Lymphe gewährleistet ist.

In der Osteopathie ist das Prinzip der Bewegung ebenso wichtig wie diese Grundprinzipien. Krankheiten können einhergehen mit einer verminderten Eigenbewegung von Körperstrukturen, z.B. Muskeln, Sehnen, Bändern, Gelenken, Organen. Wie bei einem Uhrwerk mit vielen kleinen Zahnrädern kann ein stehendes Rädchen dazu führen, dass der gesamte Organismus nicht mehr funktioniert.

Osteopathie beim Hund

Was für den Menschen gut und hilfreich ist, kann für unsere tierischen Begleiter auch nicht schlecht sein – und somit wurden im Lauf der Zeit die osteopathischen Techniken auch auf den Tierkörper übertragen. Ziel der Hundeosteopathie ist es, die Beweglichkeit und somit das Wohlbefinden des Tieres zu erhalten.

In der Hundeosteopathie bedient man sich verschiedener manueller Techniken, die auf Knochen, Sehnen, Muskeln, Bindegewebsstrukturen, Organe und das Nervensystem wirken sollen. Zur Untersuchung und Behandlung werden nur die Hände benutzt. Sie sind dem Osteopathen sowohl Auge als auch Ohr. Mit ihnen kann er sämtliche Anomalien, z.B. Gewebeveränderungen, unterschiedliche Muskelspannung, Bewegungseinschränkungen und Temperaturunterschiede, erkennen.

Diese Feinfühligkeit erfordert zum einen enormes anatomisches Wissen, zum anderen jede Menge Erfahrung. Der Hundeosteopath muss nicht nur wissen, wo sich Gelenke, Muskeln, Organe etc. befinden, er muss auch genau wissen, wie sich das jeweilige Gewebe anfühlen und anhören sollte, um bestehende Anomalien ausfindig zu machen.

Osteopathie bei Hunden mit HD

Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich osteopathische Interventionen sehr positiv auf das Wohlbefinden und die Beweglichkeit des Hundes mit Hüftdysplasie auswirken kann.

Da im Körper alles zusammenhängt, führt die Hüftdysplasie nicht nur dazu, dass die Beweglichkeit der Hüfte eingeschränkt ist, sondern es sind auch andere Bereiche des Körpers aufgrund von Kompensationsmechanismen betroffen. Bei einer HD versuchen die Hunde, das betroffene Bein zu schonen, was dazu führt, dass das andere Hinterbein mehr belastet wird und dort Verspannungen entstehen. Ebenso wird die kontralaterale Vorhand mehr belastet, was dort zu Verspannungen und Blockaden führt. Im weiteren Verlauf kann sich die Halsmuskulatur verspannen, die mit der Vorhand zusammenhängt. In dessen Folge können an der ganzen Wirbelsäule Verspannungen und Blockaden entstehen, die für den Hund Bewegungseinschränkungen und Schmerzen bedeuten.

Ich skizziere hier nur einige mögliche Folgen – aber wir sehen jetzt schon, dass die HD eine ganze Reihe an Symptomen nach sich ziehen kann. Daher ist es wichtig, bei einer Hüftdysplasie umfassend aktiv zu werden und den Hund so gut wie möglich zu unterstützen, damit er so lange wie möglich aktiv sein kann.

Fallstudie

Der Deutsche Schäferhund Loki wird mir in der Praxis vorgestellt. Zum damaligen Zeitpunkt ist er 9 Jahre alt. Seinem Herrchen ist aufgefallen, dass der Hund hinten „kürzer tritt“. Sein Gang sei steif geworden. Zusätzlich zur vom Tierarzt vorgeschlagenen Therapie wünscht er sich Unterstützung von mir.

Anamnese

Lokis Halter ist vorab mit ihm beim Tierarzt gewesen. Dass Loki immer schon eine leichte HD hat, war bekannt (Schweregrad C). Diese hat ihm aber bisher keine Probleme bereitet. Aufgrund seines Alters zeigen sich inzwischen arthrotische Veränderungen, die die Beweglichkeit einschränken und die Hüftdysplasie offenkundig machen. Dies wird vom Tierarzt mitgeteilt. Er rät zunächst zur Physiotherapie, was Lokis Halter umsetzt. Der Hund trainiert daraufhin regelmäßig u.a. auf einem Wasserlaufband. Zusätzlich erhält er einen Futterzusatz für die Gelenke.

Eine Hüftdysplasie wird beim Tierarzt meist mit einem Röntgenbild diagnostiziert. Darauf sind der Schweregrad der HD (Grad A-E) wie auch eine etwaige Arthrose zu erkennen. Je nach Schweregrad wird das weitere Vorgehen festgelegt: Bei einer leichten oder mittleren HD sieht die konventionelle Therapie eine Anpassung von Gewicht und Belastung sowie eine Unterstützung durch Physiotherapie mitsamt Muskelaufbau vor. Ebenso können spezielle Zusätze im Futter oder die Gelenkgesundheit fördernde Mittel zum Einsatz kommen. Hat der Hund Schmerzen, können auch Schmerzmittel verabreicht werden. Bei einer schweren HD sind chirurgische Maßnahmen erforderlich, z.B. Beckenosteotomie, Symphysiodese, Denervation oder die Implantation eines künstlichen Hüftgelenks.

Untersuchung und Befund

Zunächst sehe ich mir Loki in Bewegung an: sowohl im Schritt als auch im Trab. Schon jetzt wird sichtbar, dass die Hüfte ein Problem hat. Deshalb habe ich auf die Begutachtung des Galopps verzichtet. Ohnehin ist es bei Tieren oft so, dass das Gangbild im schnelleren Tempo besser wird.

Danach folgt eine gründliche Untersuchung. Auch wenn es auf den ersten Blick ersichtlich ist, welches Gelenk eingeschränkt ist, begutachte ich immer den ganzen Hund. Jedes Gelenk wird von mir komplett überprüft und durchbewegt. Ebenso wird die Muskulatur palpiert und eingehend betrachtet, um Asymmetrien zu evaluieren. Auch der Bauchraum und die Organe werden abgetastet, um Spannungen zu erfühlen und zu überprüfen, ob sich die Organe frei im Bauchraum bewegen können.

Ich stelle fest, dass beide Hüftgelenke des Schäferhundes in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt sind, das rechte mehr als das linke. Am Ende der Hüftgelenksbewegung reagiert Loki mit Schmerzen, am meisten bei der Hüftbeugung und der Abduktion des Beines.

Ich kann bereits sehen und während der Untersuchung auch fühlen, dass die Hinterbackenmuskulatur (M. biceps femoris und M. semitendinosus) schon etwas abgebaut hat und die mediale Oberschenkelmuskulatur, die Mm. adductores (M. gracilis, M. sartorius, M. pectineus, M. adductor magnus), verspannt ist. Ebenso zeigen sich Verspannungen in beiden Schultern, mehr jedoch auf der linken Seite. Es kommt häufig vor, dass die Vorderbeine und vermehrt die kontralaterale Schulter Last aufnehmen, wenn die Hinterhand blockiert ist. Da das rechte Hüftgelenk stärker eingeschränkt ist, überrascht e sich die Verspannungen vorne vornehmlich auf der linken Seite zeigen.

Bei der Seitneigung des Halses kann ich feststellen, dass die Bewegung nach rechts etwas zäher ist als nach links. Auch dieses Bild passt zur verspannten linken Schulter, da bei der Seitneigung des Halses nach rechts die linke Hals- und Schultergürtelmuskulatur mehr gedehnt wird.

Therapie

Sind bei einer Hüftdysplasie bereits entzündliche Prozesse mit Knochenzubildungen vorzufinden (Arthrose), darf nicht manipuliert werden. Meinen therapeutischen Fokus lege ich daher darauf, die Adduktoren an beiden Hinterläufen mit sanften Techniken zu lockern und die Hüftgelenke zu mobilisieren. Anschließend geht es darum, die Blockaden in den Schultern und der Halsmuskulatur zu lösen.

Die Adduktoren lockere ich mit der Strain-Counterstrain-Technik. Dabei wird eine Lockerung der Muskulatur und eine Verlängerung des verkürzten Muskels angestrebt. Hierfür werden die Muskelfasern manuell so weit verkürzt und in dieser Position für 90 Sekunden gehalten, bis sich die Tenderpoints (Schmerzpunkte) auflösen. Ebenso mobilisiere ich das Gelenk durch sanfte dreidimensionale Bewegungen. Bei den Schultergelenken und dem Schulterblatt kommt eine HVLA-Technik zum Einsatz. HVLA bedeutet „high velocity low amplitude“. Hier wird mit Hilfe eines schnellen Impulses mit wenig Bewegungsausmaß eine Manipulation am Gelenk durchgeführt, um darüber Blockaden zu lösen. An der Halswirbelsäule arbeite ich wieder mit der Strain-Counterstrain-Technik.

Welche Technik angewendet wird, hängt immer vom einzelnen Tier und dessen Bereitschaft zum Mitmachen ab.

Da Loki durch die eingeschränkte Hüftbeweglichkeit dauerhaft in eine Schonhaltung verfallen ist, muss ihm auch zwischen den Therapieterminen geholfen werden. Hierfür bitte ich sein Herrchen um Mitarbeit. Ich gebe ihm ein paar einfache Dehnübungen an die Hand, mit denen er sowohl Hinter- als auch Vorderbeine in ihrer Beweglichkeit unterstützen kann. Ebenso zeige ich ihm eine einfache Massagetechnik, um die verspannte Muskulatur zu lockern.

Weiterhin erkläre ich die Notwendigkeit des Aufbaus der Hinterbacken- und Oberschenkelmuskulatur. Hierfür empfehle ich isometrische Übungen und das Wasserlaufband. In Fällen wie bei Loki ist es tatsächlich sehr sinnvoll, einen Hundephysiotherapeuten hinzuzuziehen, da dieser den Muskelaufbau noch gezielter unterstützen kann.

Verlauf und Ausblick

Lokis Herrchen hat alle Empfehlungen dankbar angenommen und sehr gut umgesetzt. Er geht mit seinem Hund regelmäßig zur Physiotherapie, wo dieser auf dem Wasserlaufband läuft, um die Muskulatur aufzubauen und zu erhalten. Zu Hause führt er die Dehnübungen und Massagen durch und gibt Loki weiterhin spezielle Futterzusätze für die Gelenke. Einmal im Monat wird er bei mir vorstellig, damit die vorhandenen Blockaden gelöst werden können. Der Tierarzt meint, dass man mit diesem Konzept weitermachen könne, wenn es Loki damit gut gehe.

Fazit

Mit dem nötigen Willen und Verständnis auf Seiten des Halters kann man einen Hund mit Hüftdysplasie sehr gut mobil halten. Hierfür genügen einfache, aber regelmäßig durchgeführte Übungen. Die Hundeosteopathie ist als übergeordnete Behandlung eine sinnvolle und hilfreiche Ergänzung zur konventionellen Therapie. Sie kann dazu beitragen, dass der Hund trotz seiner Hüftdysplasie noch ein langes und aktives Leben haben kann.

Friederike Arndt
Tierosteopathin mit mobiler Praxis, Cell-Re-Active-Trainerin, Aromaberaterin für Mensch und Tier, Dozentin an den Paracelsus Gesundheitsakademien

f.arndt@tierosteopathie-arndt.de

 

Foto: © Petra Richli I adobe.stock.com

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