Respiratorisch-kardinale Funktionsstörungen nach Hanna
Zwei natürliche Therapien
DIE FUNKTIONELLE EINHEIT VON LUNGEN UND HERZ
Herz und Lungen bilden in anatomischer und physiologischer Hinsicht eine Einheit, sie sind gewissermaßen ein Organ. Das venöse Blut gelangt von den rechten Herzkammern in die Lungen, wird dort mit Sauerstoff versorgt und fließt dann in die linken Herzkammern, von wo es in den Körperkreislauf gepumpt wird. Diese funktionelle Einheit zwischen Lungen und Herz ist für die Bewertung und Behandlung von Herz-Kreislauf- Erkrankungen von großer Bedeutung.
Eine intakte Lungenventilation hat eine Reihe von positiven Effekten für die Herzfunktion:
- Die Herzfrequenz ist vermindert, das Herz wird geschont.
- Das Herzminutenvolumen ist reduziert, d.h. die aus einem der Herzventrikel ausgetriebene Blutmenge überschreitet nicht einen bestimmten Wert, was wiederum einen energieökonomischen Effekt hat.
- Der periphere systolische Blutdruck ist reduziert.
- Das Herz-Kreislauf-System wird durch die parasympathischen Funktionen desvegetativen Nervensystems kontrolliert und positiv reguliert.
- Der durch die respiratorische Sinusarrhythmie induzierte Wechsel von ansteigendem und abfallendem Blutdruck wirkt sich günstig auf die Gefäße aus: die Gefäßwände werden massiert und werden durch den pulsierenden Druck glattgespült, was letztlich zu einer Erhöhung der Geschmeidigkeit der Gefäße führt.
Die respiratorische Sinusarrythmie der beschriebenen Art ist nicht pathologisch, sondern physiologisch und sie ist
die Gewähr intakte Herzkranzgefäße.
Verkehren sich die vorgenannten fünf Komponenten in ihr Gegenteil um, was sehr
häufig bei alternden Menschen beobachtet wird, ist das ein Hinweis auf ins Pathologische sich verändernde Prozesse,
aber nicht eine Folge des Altwerdens.
Die bei älteren Menschen beobachteten Probleme, wie Hypertonie,
Arterienverengung, Herzschmerzen und Hyperventilation, haben ihre Ursache nicht in der Tatsache, dass diese Menschen
alt sind, sondern darin, dass diese Menschen gestörte Atemfunktionen und – wie gezeigt damit einhergehend –
Herzfunktionsstörungen haben. (Die Herzfunktionsstörungen führen in der Folge zu strukturellen kardialen
Veränderungen).
Aus der Tatsache, dass zwischen respiratorischen und kardialen Funktionen eine enge Beziehung
besteht, lassen sich entsprechende prophylaktische und therapeutische Maßnahmen ableiten.
Um es verkürzt zu sagen: Eine intakte Lungenventilation bietet die beste Gewähr sowohl für die Gesundheit der Lungen als auch für die des Herzens.
Wir wollen im folgenden kurz zwei einfache, aber nichtsdestoweniger sehr wirkungsvolle therapeutische Ansätze darstellen, mit deren Hilfe der gesamte Komplex respiratorischer und kardialer Probleme angegangen werden kann.
ERSTER THERAPIEANSATZ: HANNA-SOMATICS
Er basiert auf Erkenntnissen Thomas Hannas, der seinerseits Ergebnisse Moshé Feldenkrais weitergeführt hat. Hanna hat
an Tausenden von Patienten/Klienten beobachtet, dass deren Muskulatur chronisch verspannt ist. Die Muskeln der
Betroffenen verbrennen auch im Ruhezustand Energie. Sie sind ohne Unterbrechung aktiv. Die Muskeln dieser Menschen
sind bretthart und schmerzen. ‚
Die Dauerkontraktionen der Muskeln führen zu den unterschiedlichsten Beschwerden,
die von den Orthopäden diagnostiziert werden als Bandscheibenverschleiß, Bandscheibenvorfall, Lordose, Kyphose,
Skoliose, Neuralgie, Arthritis, Schleimbeutelentzündung, Knochenentzündung, Osteoporose, spinale Stenose,
Spornbildung, Karpaltunnelsyndrom, Degenerierung, postoperatives Trauma, nicht diagnostizierbare Schmerzen,
Hypochondrie usw. Die eingeleiteten schulmedizinischen Maßnahmen versuchen, die Symptome zu beheben mit der
Konsequenz, dass die Beschwerdefreiheit meist nur unvollständig und temporär ist. Die Muskelverspannungen sind
zivilisatorisch bedingt: der Mensch der industriellen Gesellschaft ist einem lebenslänglichen Dauerstress ausgesetzt.
Die Muskeln reagieren, archetypischen Mustern der Flucht bzw. des Angriffs entsprechend, mit dem, was Hanna
Stop-Reflex bzw. Start-Reflex nennt. Im Stop-Reflex drückt sich Angst, im Start-Reflex Anstrengung aus. Mischen sich
beide Reflexe, was recht häufig der Fall ist, entsteht die typisch “senile” Haltung, wie man sie von älteren vom Leben
gebeutelten Menschen kennt.
Neben den lebenslänglich einwirkenden Stressoren spielen bei den chronischen
Muskelkontraktionen traumatische Ereignisse, wie Verletzungen usw., eine Rolle. Werden die chronischen
Muskelkontraktionen aufgehoben, verschwinden – so Thomas Hanna – die vorerwähnten Gesundheitsprobleme.
Ein über
Jahre wirkender Stress und traumatische Ereignisse, die eine bestimmte Schonhaltung fixieren, führen zu
habitualisierten Muskelverspannungen. Das Zentralnervensystem (ZNS) der betroffenen Patienten verlernt im Laufe der
Zeit, wie sich bestimmte Muskeln im entspannten Zustand anfühlen. Hanna spricht in dem Zusammenhang von
sensomotorischer Amnesie (SMA). Wenn der Patient/Klient bei der Ausführung bestimmter Übungen spürt, wie sich Muskeln
im entspannten Zustand anfühlen, wird die sensomotorische Amnesie aufgehoben. Das heißt: In den entsprechenden
kortikalen und subkortikalen Arealen des Gehirns wird die Erinnerung daran, wie es sich anfühlt, wenn bestimmte
Muskeln bewegt werden, zurückgebracht. Im Gehirn der Patienten wird ein gespeichertes falsches Funktionsmuster
gelöscht und durch ein richtiges ersetzt.
Die von Thomas Hanna entwickelten somatischen Übungen (Hanna-Somatics)
sind nicht nur indiziert bei den oben bereits auf geführten diversen orthopädischen und sonstigen Affektionen, sondern
sie sind auch eine auf die Verlangsamung der Atemfrequenz ausgelegte Atemtherapie. Denn es besteht ein Zusammenhang
zwischen den Verspannungen der Skelettmuskulatur und der Atmung: Die von sensomotorischer Amnesie (SMA) betroffenen
Patienten leiden infolge ihrer pathologischen Haltung auch stets an einer flachen Atmung. Werden die Verspannungen der
Skelettmuskulatur aufgehoben, lernen die Patienten/Klienten auch wieder, physiologisch richtig zu atmen (und richtig
atmen ist Zwerchfellatmung).
Thomas Hannas Methode ist besonders geeignet für herzkreislaufkranke Menschen, die
bereits älter sind oder die wegen ihrer erheblichen Schmerzen oder aus anderen Gründen immobil sind.
ZWEITER THERAPIEANSATZ: URBEWEGUNG
Die Urmenschen, ständig auf der Suche nach Nahrung, waren gezwungen, täglich weite Strecken zurückzulegen, teils
gehend, teils laufend. Die Bewegung gehörte zum Leben des Menschen wie die Aufnahme pflanzlicher Nahrung. Erst zu dem
Zeitpunkt, als der Mensch das Feuer kennenlernte, Tiere zu züchten in der Lage war und Getreide anbaute, begann er
sich die ihm von der Natur gebotene Pflanzenkost durch Zivilisationskost (Kochen und Braten von Tierfleisch; Verbacken
von Mehl usw.) zu ersetzen. Und – was vielleicht der schlimmste Fehler war – der Mensch wurde immobil, er wurde –
anthropologisch formuliert – zum Stubenhocker.
Der Preis, den der Zivilisationsmensch für die Immobilität zahlen
muss, ist hoch: verschlackte Gefäße, Bluthochdruck, Herzbeschwerden aller Art, Verdauungsprobleme, Gelenkbeschwerden,
Rückenschmerzen, Krebs usw. (Dass bei den genannten Gesundheitsproblemen natürlich auch die völlig denaturierte
Nahrung, auf die der Mensch genetisch nicht programmiert ist, eine große Rolle spielt, wollen wir hier außer acht
lassen.)
Dauerlaufen im Sinne einer Urbewegung des Menschen hat nichts mit Sport zu tun. Sport ist
leistungsorientiert, führt deshalb häufig zu Überforderungen und macht nicht selten krank. Werden bestimmte
Verhaltensregeln beachtet, ist der gesundheitliche Effekt enorm. (Genaueres findet sich in meinem Aufsatz (“Jogging
als naturheilkundliche Therapie?”, in: “PARACELSUS report”, Heft 5, 1997, S. 4ff.).
Gehen wir zunächst in gebotener Kürze auf einige Verhaltensregeln ein. Unabhängig vom Grad zivilisationsbedingter Gesundheitsschädigung lassen sich folgende allgemeine Hinweise geben:
- Die Dauerlaufzeit allmählich steigern.
- Kleine Schritte machen, damit der Schwerpunkt des Körpers nicht zu hoch angehoben werden muss. Letzteres wäre mit einem zu hohen Energieaufwand verbunden.
- Von der Fußspitze aus nach hinten abrollen. Also nicht mit der ganzen Fußsohle auf den Boden trampeln, wie man das oft beobachten kann.
- Gutes Schuhwerk benutzen.
- Eine Ersatzjacke bzw. einen Ersatzpullover mitnehmen und nach der Hälfte der Laufzeit anziehen, um eine eventuelle schweißbedingte Unterkühlung zu vermeiden.
- Nach dem Dauerlaufen im Wechsel warm und kalt und halbkalt duschen. Drei bis vier Gläser Gletscherwasser (z.B. Evian) trinken.
- Täglich laufen. Nicht nur einmal oder zweimal in der Woche. (Der gesundheitliche Effekt liegt in der Regelmäßigkeit.)
RESÜMEE
Die beschriebenen zwei Methoden (Hanna-Somatics und Dauerlauf) haben einen günstigen Effekt in Bezug auf Atmung und
Kreislauf. Was an beiden Ansätzen aber besondere Beachtung verdient, ist die Tatsache, dass der Kranke selbst aktiv
wird.
Ein wichtiger Sachverhalt, wie ich meine. Die Aktivität stärkt das Selbstvertrauen. So wirkt sich Bewegung,
nicht nur vitalisierend auf den Körper aus, sondern auch auf die Psyche. Das so viel zitierte und arg strapazierte
Denkmodell von der Leib-Seele-Einheit des Menschen – hier wird’s Ereignis.
Dr. Kurt-Peter Rhein
Gesundheits-Coach
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