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Psychotherapie
Lesezeit: 6 Minuten

Stress

r9906_st Das Wort Stress ist heute zu einem Schlagwort geworden.

Der Begriff stammt aus dem Englischen und bedeutet soviel wie „Druck” oder „Verbiegung”.

Ursprünglich wurde er in der Materialforschung verwendet, um den Druck zu bezeichnen, der auf einen Körper einwirkt.

1936 hat der Mediziner Hans Selye diesen Begriff auf den Menschen übertragen, indem er ihn anders definierte:

„Der Mensch befindet sich dann im Stress, wenn er auf einen Reiz von innen oder außen mit einer Aktivierungsreaktion antwortet.”

 

Wie Stress entsteht

Zunächst einmal wird über die Augen ein akutes Gefahrensignal durch die Nerven zum Gehirn gemeldet und von dort über Nervenbahnen zur Nebenniere. Diese schüttet Hormone, die Katecholamine oder besser bekannt als Adrenalin (auch Epinephrin) und Noradrenalin (Norepinephrin) aus.
Als Folge davon erhöht sich die Herzschlag- und Atemfrequenz, der Blutdruck und die Muskelanspannung steigen ebenso wie die Blutfettwerte, die Aufmerksamkeit und das Reaktionsvermögen. Zucker- und Fettreserven werden den Muskeln zugeführt, so dass der Körper in Sekundenbruchteilen dazu in der Lage ist, Höchstleistungen zu vollbringen.

Angeborenes Verhalten

Die Stressreaktion ist also ein allen Menschen und höher entwickelten Tieren angeborenes Verhalten, das bei Gefahr alle Energiereserven im Körper mobilisiert. Es rührt noch aus der stammesgeschichtlichen Entwicklung des Menschen her, als unseren Vorfahren bei einer drohenden Gefahr nur wenige Möglichkeiten zum Überleben blieben: Angriff, Flucht oder das „Totstellen”. Bis heute hat sich an der Reaktionsweise des Menschen nichts geändert, aber an den Umweltbedingungen, unter denen wir leben.

Das vegetative Nervensystem

Das Stressgeschehen im Körper wird vorwiegend durch endokrine Drüsen und die beiden Äste des vegetativen Nervensystems Sympathicus und Vagus bestimmt. Anhand folgender Tabelle werden die Wirkungsweisen beider Nervenäste deutlich:
 

 

Sympathicusaktivierung

Vagusaktivierung

Stoffwechsel

Anstieg des gesamten Stoffwechsels Abfall des gesamten Stoffwechsels

Durchblutung

Drosselung der Durchblutung der Haut und der Verdauungsorgane; Steigerung der Durchblutung der arbeitenden Skelettmuskulatur Sehr geringe direkte Wirkung auf die Durchblutung

Herz

Arterielle Hypertonie
Steigerung der Frequenz, der Kontraktionskraft, der Erregbarkeit; insgesamt also: Steigerung der Fördermenge des Blutes
Absinken der Fördermenge des Blutes

Atmung

Erweiterung der Bronchien Verengung der Bronchien

Magen-Darm-Kanal

Hemmung der Darmtätigkeit, Minderung der Magensaftproduktion Steigerung der Darmtätigkeit, Steigerung der Magensaftproduktion

Auge

Puppillenerweiterung

Pupillenverengung

Tränendrüsen

Hemmung der Sekretion

Steigerung der Sekretion

Schweißdrüsen

Verstärktes Schwitzen

——-

Stress-Typen

Die beiden Äste bestimmen auch den „Stress-Typ”: Zum einen den Sympathicotoniker, der im Alltag meist sehr leicht erregbar, nervös und zu Explosionsreaktionen neigt. Körperlich findet man bei ihm Herzklopfen, Bluthochdruck, Kopfschmerzen und/oder erhöhte Blutfettwerte. In Stresssituationen reagiert er nach dem Urprinzip „Kampf oder Flucht”. Zum anderen gibt es den Vagotoniker, der die Variante des „Totstellens” bevorzugt. Dafür wird offensichtlich weniger Energie benötigt, (Beim Totstellen darf ich nicht auffallen!) d.h. der Blutdruck fällt, die Muskeln erschlaffen, Schwindelgefühle können auftreten und es kann als Reaktion auf eine gefährliche Stresssituation sogar zum Kollaps oder dem sogenannten Vagusschock kommen.

Psychosomatische Erkrankungen

Eine zu grobe Einteilung in nur zwei Typen ist allerdings unzulänglich. Viele Menschen sind Mischtypen. Bei den beiden Extremtypen zeigen sich jedoch Neigungen zu unterschiedlichen psychosomatischen Erkrankung. So wird der Sympathicotoniker eher zu Gefäß- und Kreislaufkrankheiten, Herzinfarkt und Bluthochdruck neigen, während bei Vagotoniker eher niedriger Blutdruck, Darmbeschwerden, Bronchialasthma und Magen- und Darmgeschwüre zu finden sind. Der einstmals sinnvolle Mechanismus des Körpers durch Energiezuwachs mit Stress umzugehen, kann heutzutage den Körper schädigen. Auch die notwendigen Erholungsphasen fehlen oft. Die nächste Stresssituation folgt, noch ehe die vorangegangene verarbeitet wurde. Wird der Mensch über einen längeren Zeitraum zu vielen Stresssituationen ausgesetzt, spricht man von Distress, dem schädlichen, krankmachendem Stress. Eine seiner negativen Auswirkungen: er lässt die Immunabwehr sinken und leistet dadurch Krankheiten unterschiedlichster Art Vorschub. Mit ihm einher gehen oftmals negative Gefühle wie Ärger, Angst, Verzweiflung, Eifersucht ect..
Anzeichen, dass die normale Aktivierungsreaktion bereits viel zu lange dauert, finden sich in unspezifischen Symptomen, über die eine hohe Zahl von Männern und Frauen klagen: Kreuz- und Rückenschmerzen, Herzklopfen, -jagen, Schwindelgefühl, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, übermäßiges Schlafbedürfnis, Gelenk- und Gliederschmerzen, Nacken- und Schulterschmerzen, starkes Schwitzen, Druck- und Völlegefühl, Magenschmerzen, Infekte, erhöhter Blutdruck, Erschöpfungszustände usw..
Insbesondere dann, wenn keine körperliche Grunderkrankung zu finden ist, liegt der Verdacht auf eine überschießende Aktivierungsreaktion nahe.

Die Stress-Skala

Zur Überprüfung der eigenen Stresssituation bietet sich die folgende Punkte-Skala an. Hierin geht es um Untersuchungswerte, die annähernd gute Richtwerte für jeden Menschen darstellen. Dabei sind die Erlebnisse der letzten zwölf Monate entscheidend.

Stress- Pkt.   Stresssituationen

100·············Tod eines Ehepartners
73 ··············Scheidung
65···············Trennung vom Ehepartner
63 ··············Tod eines Familienmitglieds
53 ··············Eigene Krankheit
50 ··············Heirat
47 ··············Verlust der Arbeit
44 ··············Krankheit in der Familie
40 ··············Schwangerschaft
39 ··············Arbeitsplatzwechsel
37 ··············Tod eines Freundes
36 ··············Berufswechsel
35 ··············Streit in der Ehe
29 ··············Kinder verlassen Eltern
26 ··············Schulbeginn oder -abschluss
25 ··············Änd. des Lebensstandards
23 ··············Ärger mit dem Chef
20 ··············Wohnungswechsel
16 ··············Schlafgewohnheit ändern
15 ··············Essgewohnheiten ändern
12 ··············Weihnachten
13 ··············Urlaub
11 ··············geringfügige Gesetzesübertretung

Diese Punktzahlen sind lediglich als Indikator zu verstehen, weil die individuelle Beurteilung einer Situation von jedem Einzelnen unterschiedlich ist. Zahlreiche Untersuchungen haben aber ergeben, dass mit mehr als 200 Stresspunkten innerhalb von einem Jahr auch die Gefahr einer körperlichen Erkrankung steigt.

Positiver Stress

Neben der negativen Form des Distress gibt es noch den als positiv empfundenen Eu-Stress. („EU” – vom griechischen Wort für „gut” abgeleitet.) Beim Eu-Stress wird ein Reiz nicht als Bedrohung, sondern als Herausforderung betrachtet. Er wird begleitet von positiven Gefühlen wie Freude, Glück, Begeisterung oder Stolz. Freudige und Erfolgserlebnisse wirken auf die körpereigene Abwehr stärkend, darum auch hat Vitalität und Lebensfreude viel mit Eu-Stress zu tun. Man findet ihn in Bereichen von z.B. Sport, Urlaub, Hobby usw. Eu- und Di-Stress haben viele Gemeinsamkeiten (z.B. wird in jedem Fall dem Körper vermehrt Energie zur Verfügung gestellt), aber sie unterscheiden sich deutlich im emotionalen Bereich. Nur allein den Distress zu bekämpfen, würde ein ziemlich eintöniges Leben mit sich bringen und so hat sich in der Praxis die Suche nach Eu-Stress-Erlebnissen nicht nur bei Patienten mit depressiven Verstimmungen bewährt.

Einfache Stress-Mittel

Einige einfache Möglichkeiten, besser mit Stress fertig zu werden:

  • Sport treiben: Joggen, Rad fahren, Schwimmen, tanzen gehen ect. (die einfachste Methode, überschießende vegetative Reaktionen in den Griff zu bekommen)
  • ein geeignetes Hobby suchen und sich dafür genügend Zeit freihalten
  • versuchen, einen geregelten Tagesablauf einzuhalten
  • anstehende Probleme nicht verschieben
  • keine unerreichbaren Ziele setzen
  • Entspannungsmethoden in Kursen, Seminaren oder bei der Volkshochschule erlernen: Yoga, Meditation, Tai Chi, Autogenes Training oder die Progressive Muskelrelaxation nach E. Jacobson (siehe auch PARACELSUS-Report 6/98)

Ursula Gruschka
Heilpraktikerin für Psychotherapie

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