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Psychotherapie
Lesezeit: 7 Minuten

Sexualität – ein Spiegel der Seele

Sexualität ist kein Tabuthema mehr. Dennoch – wenn Männer und Frauen darüber reden, treffen zwei Welten aufeinander. 10 Jahre beratende Arbeit mit Menschen, die sexuelle Probleme hatten, haben mir jedoch gezeigt: für Männer ist Sexualität eher ein Genußmittel, für Frauen ein Ausdruck ihrer Liebe.

Die Männer

Männer gehen sehr distanziert mit ihren Gefühlen um. Niemand soll merken, das sie eigentlich ganz empfindsame Wesen sind. Außerdem finden Männer es lästig, wenn spontane Gefühle ihre Pläne durchkreuzen. Also lautet die Devise: Bleib cool, dann gelingt Dir alles! Wer sich jedoch – nach innen und nach außen – cool verhält, reduziert sein eigenes Vermögen, lebendig zu sein. Da werden Gefühle nur gebremst erlebt- innere Leere macht sich breit und die Freude am Leben geht verloren. Nur extreme Gefühle können den Mann noch in Wallung bringen: Aggression, Abenteuer und Sex. Erfrischend belebt er das Einerlei des Alltags-Sex also als Stimulans für eintönige Gestalten. Sozusagen der Appetithappen für Zwischendurch, denn: “Was hat Mann schließlich sonst vom Leben?!?”

Bei Frauen ist das anders. Interesse an Sexualität bekommen sie erst richtig, wenn in der Partnerschaft alles stimmig ist und die Sorgen des Alltags nicht mehr auf ihnen lasten. Dann meldet sich die Lust, dann können Frauen sich ihren Gefühlen hingeben. ” Erst die anderen, dann Du”, ist nämlich die Devise, dir Frauen gelernt haben. Einen gute Mutter, Hausfrau und Partnerin ist Frau eben dann, wenn sie alles erledigt hat und sich um die anderen kümmert. Erst wenn diese Last weg ist, “darf” sie sich um ihre eigenen Bedürfnisse kümmern. Entsprechend selten haben Frauen Lust auf Sexualität- entsprechend selten fühlen sie sich in der Lage, ihrer Liebe auch körperlichen Ausdruck zu verleihen.

Die Beziehung

Soll eine Partnerschaft gelingen, setzt das voraus, daß Männer und Frauen sich ändern. Die Männer müßten lernen, die ständige Anwesenheit der Gefühle zu akzeptieren. Sie sollten versuchen, angenehme und unangenehme Gefühle in sich willkommen zu heißen. So würden sie den Weg des Herzens finden. Den Frauen empfehle ich, einen gesunden Egoismus an den Tag zu legen. Das heißt: weniger auf andere, sondern mehr auf sich selber achten. Und wer auf sich selber achtet und sich wichtig nimmt, der wird auch dem körperlichen Genuß mehr Platz einräumen können. Erst dann werden sich die Geschlechter auf gleicher Ebene treffen können.

Die Last mit der Lust

Wer mit Frauen redet, deren Liebesleben gestört ist, wird immer wieder feststellen, daß Männer es sind, die die Sexualität für die Frauen zum Problem gemacht haben. Lustlosigkeit und Orgasmusprobleme sind dabei wohl die häufigsten Reaktionen auf unverantwortliches Verhalten der Männer.

Die Liebe schläft

Viele Frauen verlieren oft plötzlich die Lust – in Folge von Geburten oder anderen einschneidenden Erlebnissen. Es scheint, als würden sie die Gelegenheit nutzen, um sich von ihren aktuellen Partnern körperlich distanzieren zu können. Der Hintergrund: die Frau ist in dieser konkreten Situation von ihrem Mann in grob verletzender Weise mißachtet oder ignoriert worden. So wird z.B. inzwischen jeder Mann bei der Geburt eines gemeinsamen Kindes anwesend sein. Ob dieser werdende Vater jedoch auch von Herzen der Geburt beiwohnt, wird von der Frau deutlich registriert.

Ist er innerlich unbeteiligt, so wird sie ihm dies – bewußt oder unbewußt – nie verzeihen. Oder: eine ungewollte Schwangerschaft soll beendet werden; die Frau bittet ihren Mann, sie auf diesem schweren Weg zu begleiten, er behauptet aber, keinen Urlaub bekommen zu können. Der Clou: eine Woche später nimmt er sich 2 Tage frei für einen Segeltörn mit seinen Freunden. Auch dies ist für eine Frau schwer verzeihlich. Die meisten Frauen verlieren jedoch eher langsam die Lust. Fast unbemerkt verschwindet sie, schleichend über Jahre hinweg. Auch hier reagiert die Frau auf ihren derzeitigen Partner; auch hier hat der Mann durch sein Verhalten der Frau die Lust ausgetrieben. Z.B. nimmt er generell eine verächtliche Einstellung seiner Frau gegenüber ein, oder er nötigt sie, obwohl sie keine Lust hat, zu sexuellen Handlungen, oder er bricht in allen Lebensbereichen sein Versprechen, in guten und in schlechten Zeiten zu seiner Frau zu stehen, usw. …
Was hier auffällt: nur Frauen, die solche Verletzungen und Mißachtungen duldsam und schweigend ertragen, verlieren ihre Lust. Lernt die Frau, sich selber wichtiger zu nehmen, sich für ihre Bedürfnisse und Gefühle einzusetzen und gegen Verletzungen vorzugehen, so wird ihre Lust auch wieder aufkeimen. Oder sie wird ihren Mann verlassen.

Der Körper bremst

Orgasmusprobleme sind nur vor dem Hintergrund einer Kindheit zu verstehen, in der die Frau umfassend und lang anhaltend in ihrer seelischen und körperlichen Identität von den Eltern mißachtet worden ist. Hier finden wir oft einen Vater, der weit ab von jeder Gerechtigkeit seine Familie tyrannisiert. Wie ein Despot kann er neben sich keine eigenständige Identität dulden und ist daher bemüht, seine heranwachsende Tochter zu demütigen und zu erniedrigen. Eine schwache Mutter steht ihm zur Seite, die den Kindern keinen Schutz bieten kann oder will. “Ich mag mich nicht -ich will nicht sein”. Tiefe seelische und körperliche Blockaden sind die folge, die es der Frau schwer machen, sich ihren Emotionen und Erregungen einfach hinzugeben. Solche Erregungsblockaden (oder Orgasmusstörungen) lassen sich aufheben, indem die Frau beginnt, sich eine neue, eigene und frei gewählte Identität aufzubauen. Erst dann wird sie ihre Gefühle frei und genußvoll erleben können.

Er kommt zu schnell …
… er steht nicht mehr …
… über Störungen der männlichen Sexualität

Rund 30 % aller Männer, die im großstädtischen Bereich leben, leiden unter seelischen bedingten Störungen ihres Liebeslebens. Von den meisten gefürchtet, stellt die sexuelle Störung für den einzelnen Mann ein-Bankrotterklärung all dessen dar, was er unter Männlichkeit versteht.

Besser, stärker, schneller…

Das wohl häufigste Problem ist der vorzeitige Samenerguß. Kurz bevor der Mann in die Frau eindringt oder schnell danach bekommt er seinen Samenerguß – mal mit dem Gefühl der Befriedigung, mal nicht. Organische Ursachen (Phimose; zu kurzes Bändchen zwischen Vorhaut und Eichel) sind eher die Seltenheit. Vielmehr treffen wir hier auf Männer, die mit ihrer eigenen Person überhaupt nicht zufrieden sind. Voller Unruhe versuchen sie, beständig und in allen Lebenslagen besser, stärker, schneller. Seine übersteigerten Erwartungen an sich und die Angst vor dem Versagen schaffen eine hohe Grundspannung im Mann. Jede zusätzliche Spannung – wie zum Beispiel die sexuelle Erregung – überlastet Körper und Seele. Es kommt zu einer spontanen, unkontrollierbaren Entlastungsreaktion: der vorzeitige Samenerguß befreit von innerem Überdruck. Beratungsarbeit bedeutet hier, herauszufinden, weshalb der Mann mit seiner eigenen Identität so unzufrieden ist. Er wird lernen, seine hohen Erwartungen auf ein ihm angemessenes Maß anzupassen. Gleichzeitig erarbeiten wir einen Weg, der es ihm in allen Lebensbereichen ermöglicht, authentischer und offener mit seinen Gefühlen umzugehen zu können.

Was tun bei Impotenz?

Einen etwas schwierigeren Weg haben Männer vor sich, die unter Erektionsstörungen leiden bzw. impotent sind. Ihr Kennzeichen sind eine sehr ängstliche Grundhaltung, der sie mit deutlichem Imponiergehabe entgegen treten. Ursächlich für diese sexuelle Störung ist das Verhältnis zwischen Sohn und Vater: letzterer beherrscht seine Familie wie ein Despot, der keine eigenständige Person neben sich ertragen kann. Seinem Sohn stellt er unausweichliche Fallen: Dessen empfindsamen und bedürftigen Seiten verhöhnt er – die kraftvvollen und aggressiven Seiten bestraft er streng. Eine stabile eigene Identität kann der Sohn so nicht entwickeln. Quer durch alle Lebensbereiche fehlen diesem dadurch die Eigenschaften, seinen “Mann im Leben zu stehen”. Häufige Brüche im privaten und beruflichen Lebenslauf weisen auf die mangelnde Selbständigkeit hin.

Sich auch innerlich aufrichten…

In der Sexualberatung wird dieses Thema als zentraler Punkt aufgegriffen: jede Intervention wird dem Mann dabei behilflich sein, sich innerlich aufzurichten, den eigenen Wert zu erkennen und sich kraftvoll in die Welt einzubringen. Sein Sexualleben wird auf diese Weise ebenfalls gestärkt, und er wird sich auch dort potent erleben können.

Volker van den Boom
Praxis für Sexual- und Partnerschaftsberatung

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