35 Jahre Paracelsus Heilpraktikerschulen
Paracelsus interviewt Eckhardt Martin
Diplom-Kaufmann, Heilpraktiker, Geschäftsführer von Europas Naturheilkunde-Akademie Nr. 1, Gründervater von vier Berufsverbänden mit über 14.000 Mitgliedern, Herausgeber von drei Fachmagazinen, Herr Martin, was kommt als Nächstes?
Immer langsam, die wahre Leistung liegt ja bekanntlich im Erhalten. Das ist vor allem in Zeiten schneller Veränderungen nicht einfach. Immerhin feiert die Paracelsus Heilpraktikerschule in diesem Jahr ihr 35-jähriges Bestehen, das spricht schon sehr für erfolgreiches Beharrungsvermögen. Das spricht eher von ständigem und vorausschauendem Entwickeln und Verändern, schließlich sind die Paracelsus Schulen heute kaum noch mit den Schulen des Münchener Heilpraktiker Kollegs von 1976 zu vergleichen. Da gleicht sie eben auch der Welt, die sich nicht mehr mit damals vergleichen lässt. Heute leben doppelt so viele Menschen auf unserem Planeten, und wer hätte damals sich vorstellen können, was das kleine Ding da vor Ihnen alles kann.
Ich werde Ihr Lob an Steve Jobs weiterreichen, aber Spaß beiseite: Herr Martin, Paracelsus bildet immer noch die weitaus meisten Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker in Deutschland aus.
Der Unterschied zu damals und auch zu allen anderen Anbietern von Heilpraktikerausbildungen liegt in der thematischen Breite der Bildungsangebote und in der Differenzierung der Angebote. Wir waren die Initiatoren für etliche neue Berufsbilder. Wir haben die Tierheilpraktiker wiederentdeckt, wir haben Freie Psychotherapeuten an allen Schulen ausgebildet, lange bevor der Heilpraktiker für Psychotherapie daraus wurde. Bei uns wurden so erfolgreiche Ausbildungsprogramme wie Massagetherapeut, Sport-, Kinderheilpraktiker oder der Wellnesstrainer entwickelt. Bei Paracelsus kann man heute bundesweit auch zwischen fast 11.000 Weiterbildungsseminaren jährlich wählen.
Sie waren bei Gründung Ihres Unternehmens gerade einmal 30. Hatten Sie damals schon die jetzige Dimension der Institution im Visier?
Nicht in den ersten Monaten nach der Gründung, aber schon nach einem Jahr hatten wir mit 33 Schulen eine bundesweit agierende Institution mit Hunderten von Dozenten. Die Dozenten wurden der eigentliche Motor der Entwicklung, weil sie täglich neue Ideen einbrachten, die wir regional testen und bei Erfolg bundesweit umsetzen konnten. Sie waren Ärzte und praktizierende Kolleginnen und Kollegen, die ihre Praxiserfahrungen in die Ausbildung einbrachten.
Wie konnten Sie die Schulen so schnell bundesweit etablieren? Ist Paracelsus ein Franchiseunternehmen?
Das könnte so wirken, weil unsere Studienleiter an den einzelnen Schulen sehr viel Spielraum für Eigeninitiative haben, so dass ihre jeweilige Persönlichkeit sehr stark die einzelne Schule prägt, aber de facto ist Paracelsus eine zentral verwaltete Gesellschaft, in der ich nun seit 35 Jahren die Verantwortung als Geschäftsführer trage.
Wie wurde Paracelsus so schnell zur Mutter aller Heilpraktikerschulen? Wo war da die Konkurrenz?
Die gab es so gut wie nicht. Nur in Hamburg und München existierten Heilpraktikerschulen ansatzweise, verkauften für viel Geld schlechtes Fernschulmaterial, während Paracelsus, damals noch Münchener Heilpraktiker Kolleg, mit den Ausbildungsgruppen in die Universitäten einzog. Wir hatten einen Großteil der deutschen Anatomievorstände unter Vertrag genommen! Wir konnten uns eine Zukunft des gerade erst wieder erwachenden Berufsstands nur mit einer untadeligen und anspruchsvollen Ausbildung vorstellen.
Gerade einmal 1.200 Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker gab es damals, erst 1967 erklärte das Bundesverfassungsgericht die faktische HP-Zulassungssperre für verfassungswidrig.
Endlich sagt das mal einer korrekt. Noch heute wird der Berufsstand gerne als Erfindung der Nazis gebrandmarkt. Dabei wurde das Heilpraktiker- Gesetz 1938 allein zu dem Zweck erlassen, die Heilpraktiker in die Reichsheilpraktikerkammer zu zwingen, wo man sie dann auf Parteilinie bringen konnte. In den tausend Jahren der Nazizeit und 22 Jahre lang danach wurde dann aber kein einziger Kollege mehr zugelassen. Heute gehört der Heilpraktiker zum medizinischen Alltag in unserem Land.
Zum Glück für unsere hyperregulierte Medizinlandschaft, in der die Ärztekollegen wie fremdgesteuerte Roboter agieren. Sie müssen sich jeden Handgriff vorschreiben lassen und werden total überwacht und kontrolliert. Ein widerwärtiges Monopolyspiel von Pharmalobby, Ärztefunktionären, Krankenkassen und geschmierter Politik um das Geld der Bürger. Der Heilpraktiker ist ja oft so etwas wie die Zuflucht oder Berufungsinstanz der Patienten, denen das Schulmedizin-System keine adäquate Hilfe mehr bietet. Die meisten gesundheitlichen Probleme sind zivilisationsbedingt, haben ihren Ursprung in falscher Lebensführung, Stress, Bewegungsmangel, Fehlernährung und in der seelischen und sozialen Ebene ihren wahren Kern, da helfen keine Pillen. Der Heilpraktiker hat dagegen das bessere Konzept: Ganzheitliche Sicht und die Aktivierung der natürlichen Abwehrkräfte. Für die Volksgesundheit wäre es besser, wenn die Schulmedizin sich aus der Pharmaumklammerung lösen könnte. Vielleicht gibt ja bald die zunehmende Unwirksamkeit der Antibiotika dazu Anlass, eine der zweifelhaftesten Ergebnisse der modernen Medizin.
Wie alles begann: Die Damen und Herren der frühen Paracelus-Jahre – 2. von links ist Eckhardt Martin
Besteht die Gefahr, dass die Politik die Heilpraktiker in Deutschland abschafft?
Nun, ich bin da nicht sehr besorgt. Wir sind inzwischen doch zu zahlreich und Millionen Patienten würden ungern auf unsere Dienste verzichten. Das wissen auch die Parteipolitiker aller Couleur. Die haben sehr wohl auch mitbekommen, wie die Bevölkerung in der ehemaligen DDR den Heilpraktiker mit offenen Armen aufgenommen hat. Wer die Heilpraktiker abschaffen will, wird einen Sturm der Entrüstung aus der Bevölkerung ernten! Es besteht aber aller Anlass, sich zu wehren gegen weitere Zugriffe der Brüsseler Bürokratie, die offenbar auch noch das letzte Heilpflänzchen unter die Kuratel der Pharmamultis stellen will. Das hat uns bereits Abertausende bewährte Arzneizubereitungen gekostet und könnte sich fortsetzen.
Wie sehen Sie die Zukunft der Ausbildungslandschaft der Heilpraktiker?
Ich bin auch hier kein Freund des Rufs nach dem Staat, obwohl ich nicht besonders gerne sehe, wenn Hinterhofschulen wie Pilze aus dem Boden sprießen und inzwischen jede zweite Fahrschule meint, Heilpraktikerausbildung anbieten zu müssen. Das ist zwar nichts Neues, und fast alle Pilze sind nach kurzer Zeit wieder verschwunden, aber es ist dennoch ärgerlich, wenn wir Seminare oder Arbeitsskripten stets kurz nach Erscheinen mit kleinen Veränderungen im Internetangebot zahlreicher Kosmetikschulen wiederfinden. Das ist wohl der Preis der Transparenz durch das Internet. Die Studierenden fallen aber auf die Blitzausbildungsangebote nicht herein, und wenn doch, finden sie den Weg zu Paracelsus, wenn sie mit den Ansprüchen der Amtsarztprüfung konfrontiert werden. Ein interessantes Studienobjekt ist da unser Nachbarland Schweiz, dort haben private Krankenkassen Verträge mit Qualitätszertifizierern gemacht, und honorieren Heilpraktikerrechnungen nur, wenn die Kolleginnen und Kollegen deren Ausbildungsanforderungen erfüllen, und die sind haarig: Viele tausend Unterrichtsstunden müssen da nachgewiesen werden, für jedes Therapieverfahren gibt es Nachweispflichten, und jährlich müssen zig Weiterbildungsstunden für jedes einzelne Verfahren nachgewiesen werden. Das verhindert dort zwar den Schulen-Wildwuchs, aber es führt dazu, dass die Heilpraktikerausbildung dort 3 bis 4 Jahre dauert und mit Lebenshaltungskosten in dieser Zeit mindestens 200.000 Schweizer Franken kostet, eine nicht sehr soziale Situation also. Zugleich machen die Zertifizierer Millionengewinne und die Naturheilpraktiker zahlen die Zeche. Ein Schweizer Heilpraktiker zahlt da leicht einige tausend Franken pro Jahr an Zulassungsgebühren an diese privaten Schlaumeier, bevor er die erste Honorarrechnung an seinen Patienten verschickt.
Wird es so was auch in Deutschland geben?
Wir haben hier eine Einladung ins Nordrheinwestfälische Gesundheitsministerium vorliegen, wo man mit uns diskutieren will, ob Handlungsbedarf besteht, etwa in Richtung der Einrichtung eines Hochschulstudiums Heilpraktikerwesen. Ich bin da sehr skeptisch. Der Staat sollte sich hier heraushalten und die Entwicklungen den Berufsverbänden und dem freien Wettbewerb überlassen, die das in den vergangenen drei Jahrzehnten ja ganz gut gemacht haben. Es gibt keinen Bedarf an staatlicher Intervention, zumal es keine nennenswerten Behandlungsschäden in den Heilpraktikerpraxen gibt. Der Heilpraktikerberuf ist eine der letzten demokratischen Bastionen in unserer Berufslandschaft. Die verfassungsmäßig garantierte Freiheit der Berufswahl und der Gewerbeausübung wird ja mittlerweile fast in allen Bereichen durch die völlig überzogene Regulierungswut des Staates erstickt. Heilpraktiker kann man derzeit zum Glück noch werden, auch wenn man nicht den Segen eines reichen Elternhauses genießt. Ja, nicht einmal Abitur ist Voraussetzung. Vielleicht finden deswegen in diesem Beruf so viele Menschen mit unverbogener natürlicher Begabung ein hervorragendes Betätigungsfeld. Ich würde mir wünschen, dass das auch die nächsten 35 Jahre so bleibt und dass Paracelsus darin weiter eine tragende Rolle spielen kann.
Herr Martin, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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