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Naturheilkunde
Lesezeit: 7 Minuten

Die Liberalisierung des HWG

vom 21. September 2012
eröffnet Heilpraktikern neue Marketingmöglichkeiten

© beermedia - Fotolia.comHochwertige Behandlungen und ein erstklassiges Leistungsspektrum in der Naturheilpraxis sprechen sich herum. Empfehlungsmarketing ist ein wichtiger Baustein für Heilpraktiker. Allein darauf zu setzen, erscheint heute jedoch zu wenig. Die Konkurrenz ist groß: Im traditionellen, großen Bereich der Besonderen Therapierichtungen werben Ärzte um lukrative Privatpatienten. Es ist also an der Zeit für Heilpraktiker, „mit Köpfchen“ erfolgreich auf sich aufmerksam zu machen, um gewünschte Patienten zu halten und neue gewünschte Patienten zu gewinnen.

Juristische Kontrolle der Heilpraktikerwerbung

Anders als bei Ärzten gibt es für Heilpraktiker kein verbindliches Berufsrecht. Von einzelnen HP-Verbänden oder einer Kooperation beschlossene „Regeln für die Patientenkommunikation“ oder „Berufsordnung der Heilpraktiker“ sind grundsätzlich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes keine Maßstäbe für die rechtliche Zulässigkeit der Heilpraktikerwerbung. Heilpraktikerwerbung wird zunächst durch das allgemeine Wettbewerbsrecht kontrolliert, wobei zentral das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ist. Das wichtigste Gesetz ist jedoch das Heilmittelwerbegesetz (HWG). Das 1965 in Kraft getretene Gesetz ging grundlegend noch von einem nicht mehr typischen Patienten- / Verbraucherbild aus. Die damalige Vorstellung von dem eher unmündigen und hilflosen Patienten als Leitmotiv für das HWG ist heute grundsätzlich nicht mehr vertretbar. Im Laufe der Jahrzehnte ist das HWG immer wieder geändert worden. Eine durchgreifende Liberalisierung der Werbung außerhalb der Fachkreise ist jedoch nicht erfolgt. Mit dem zweiten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 28.6.2012, durch den Bundesrat angenommen am 21.9.2012, folgen in Artikel 5 Änderungen des Heilmittelwerbegesetzes. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers erfolgt eine „weitere Liberalisierung des Heilmittelwerberechtes“ (Bundestagsdrucksache 17/9341 vom 26.4.2012, Seite 2). Mit diesem Beitrag werden die für Heilpraktiker bedeutsamen Regelungsgegenstände vorgestellt. Dies ist die insoweit im Mittelpunkt stehende Norm § 11 HWG.

Verbotene Werbung mit Gutachten, Zeugnissen, fachlichen Veröffentlichungen ist entfallen. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 HWG durfte sich Werbung für Heilpraktiker z.B. nicht auf Fachveröffentlichungen des Werbenden beziehen. Es war nicht einzusehen, weshalb auch die Qualifikation und das Engagement seines Heilpraktikers, z.B. in Form eines Buches über Homöopathie oder Kinesiologie, den Patienten in der Werbung nicht vorgestellt werden durfte. Diese Norm ist durch das Änderungsgesetz aufgehoben worden.

Prüfungsmaßstab § 3 HWG bekommt größere Bedeutung

Hier und bei den anderen Liberalisierungen gilt die Freiheit freilich nicht unbegrenzt. Kontrollierende Norm ist § 3 HWG, wonach eine irreführende Werbung unzulässig ist. Die Norm enthält einen Katalog von Fallgruppen, in denen „insbesondere“ eine Irreführung gegeben ist. Roter Faden der Vorschriften ist grob gesagt die Behauptung von Tatsachen und Wertungen, die falsch oder zumindest zweifelhaft sind. Bei der Konzeption der Werbung ist diese Norm besonders zu beachten.

Verbotene Werbung mit Empfehlungen, Prüfungen oder Anwendungen

Die Novellierung begrenzt den Anwendungsbereich mit dem neuen Text: „Außerhalb der Fachkreise darf … nicht geworben werden mit Angaben oder Darstellungen, die sich auf eine Empfehlung von Wissenschaftlern, von im Gesundheitswesen tätigen Personen, von im Bereich der Tiergesundheit tätigen Personen oder anderen Personen, die aufgrund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch anregen können, beziehen.“

Nach der Novellierung sind Angaben, es läge eine fachliche Prüfung oder Anwendung vor, zulässig. Durch die Neufassung soll nur noch der Irreführungsgefahr durch die genannten wissenschaftlichen Autoritäten und die hiermit verbundene etwaige Aufwertung des Produktes oder der Leistung untersagt sein.

Verbotene Werbung mit Krankengeschichten sowie Hinweisen darauf

Eingeschränkt wird das Verbot der Wiedergabe von Krankengeschichten. Es bleibt nur dann verboten, wenn weitere Merkmale bei Werbung hinzutreten. Der neue Text von § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HWG lautet: „Außerhalb der Fachkreise darf … nicht geworben werden mit der Wiedergabe von Krankengeschichten sowie Hinweisen darauf, wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgt oder durch eine ausführliche Beschreibung oder Darstellung zu einer falschen Selbstdiagnose verleiten kann.“

Verbotene Werbung mit Darstellung von Personen in Berufskleidung

Durch das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 1.3.2007 war dieses Verbot bereits faktisch gefallen, wenngleich immer wieder Abmahnungen von Heilpraktikerwerbung erfolgten. Konsequent streicht der Gesetzgeber jetzt § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HWG vollständig. Damit dürfte sich das „Abmahngeschäft“ insoweit erledigt haben.

Verbot bestimmter bildlicher Darstellungen

Auch § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 HWG wird ähnlich wie der Bereich der Krankengeschichten liberalisiert und damit der Rechtsprechung angepasst, die bereits zu einer EU-richtlinienkonformen Auslegung übergegangen ist. Die neue Norm lautet: „Außerhalb der Fachkreise darf … nicht geworben werden mit einer bildlichen Darstellung, die in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise Veränderungen des menschlichen Körpers aufgrund von Krankheiten oder Schädigungen und die Wirkung eines Arzneimittels im menschlichen Körper oder in Körperteilen verwendet.“ Grundsätzlich ist deshalb eine bildliche Darstellung der Wirkweise bestimmter Therapien möglich, wobei auch hier das Irreführungsverbot sowie auch die Vermeidung von suggestiven Wirkungen auf den Patienten Prüfungsmaßstab sind.

Verbotene Werbung mit fremdoder fachsprachlichen Bezeichnungen

§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 HWG war sehr beliebt bei Abmahnungen. Heilpraktiker, die ahnungslos in ihrem Leistungskatalog „Moxibustion“ auflisteten, verstießen gegen die Norm. Dies wird nun durch die Novellierung völlig aufgehoben. Allerdings sollen etwaige Irreführungen (Missverständnisse) aufgrund der Verwendungen entsprechender Begriffe vom allgemeinen Irreführungsverbot (§ 3 HWG) erfasst werden (Bundestagsdrucksache 17/9341, Seite 71). Vorsicht ist deshalb also nach wie vor geboten. Außerdem: Wer, außer bereits bestens informierten Patienten, kann mit „Moxibustion“ etwas anfangen? Auch hier zeigt sich wieder der Grundsatz: „Nicht alles, was rechtlich möglich ist, ist auch sinnvoll!“ Werbung muss immer auch unter Marketinggesichtspunkten betrachtet werden. So gesehen kann eine verständliche Erklärung von fremdsprachlichen und fachsprachlichen Begriffen geboten sein.

Verbotene Werbung mit der Angst

Ziel der Reform von § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 HWG ist es, bisherige Unsicherheiten in der Anwendung der Norm zu beseitigen. Der neue Text lautet: „Außerhalb der Fachkreise darf … nicht geworben werden mit Werbeaussagen, die nahe legen, dass die Gesundheit durch die Nichtverwendung des Arzneimittels beeinträchtigt oder durch die Verwendung verbessert werden könnte.“

Verbotene Werbung für Veröffentlichungen mit Anleitung zur Selbstmedikation

§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 HWG sollte Werbung unterbinden, die Patienten dazu anleitet, Krankheiten selbst zu erkennen und zu behandeln, ohne Therapeuten aufzusuchen. Diese Norm ist ersatzlos gestrichen worden. Allerdings kann die Problematik der Gefahr von Selbstdiagnosen zukünftig § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HWG unterfallen. Hinzu tritt noch § 3 HWG als auffangender Prüfstein.

Verbotene Werbung mit Äußerungen Dritter, insbesondere mit Dank-, Anerkennungs- oder Empfehlungsschreiben

§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 HWG hat eine Erleichterung der Werbung erfahren. Nach der neuen Textfassung ist die Werbung mit Äußerungen Dritter nur verboten, „wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen.“ Äußerungen Dritter ohne Gefährdung sind daher grundsätzlich nicht mehr verboten.

Verbotene Werbung mit Preisausschreiben oder Verlosungen

Auch Preisausschreiben usw. erfahren durch eine Veränderung von § 11 Abs. 1 Satz 1 HWG eine Vereinfachung. Sie sollen nur dann untersagt bleiben, falls sie einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung dienen. Die jetzige Textfassung lautet: „Außerhalb der Fachkreise darf … nicht geworben werden mit Preisausschreiben, Verlosungen oder anderen Verfahren, deren Ergebnis vom Zufall abhängig ist, sofern diese Maßnahmen oder Verfahren einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leisten.“

Fazit

Die Änderung des HWG bietet für Heilpraktiker mehr Chancen für eine gute, erweiterte Patientenkommunikation. Mit sachgerechten Informationen können Heilpraktiker den Herausforderungen im sich nachhaltig verändernden Gesundheitsmarkt begegnen. Es kommt auf eine am Nutzen der Patienten orientierte Information an, die die Patienten als Partner im Gesundheitswesen ernst nimmt und deren Meinung und Entscheidung respektiert. Dazu kann das neue HWG erfolgreich genutzt werden.

Dr. jur. Frank A. Stebner
Dr. jur. Frank A. Stebner
Fachanwalt für Medizinrecht
info@drstebner.de

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