Optimale Förderung von Ungeborenen und Kindern
Was das Gehirn zum Lernen braucht
Lernen geschieht bereits im Mutterleib. Alles was die Mutter erlebt, erlebt auch der Fötus. Der Tastsinn ist bereits mit zwei Monaten entwickelt und das Kind reagiert auf Berührung. Speziell der Mundbereich ist besonders sensibel und das Kind zeigt Reaktionen mit Mund, Lippen und Zunge. Ein weiterer recht früh ausgeprägter Sinn ist der Gleichgewichtssinn. Neurologisch gesehen ist dieser Sinn sehr interessant, weil alle anderen Sinneswahrnehmungen mit ihm verschaltet sind und durch Gleichgewichtsstimulierung das gesamte Gehirn aktiviert wird.
Der Fötus lernt über den Gleichgewichtssinn etwas über seine Lage im Raum sowie Balance zu finden. Bewegt die Mutter sich, ist das Kind aufgefordert, wieder eine stabile Position zu finden. Das Kind muss also jede Bewegung der Mutter mitmachen und für sich selbst ausgleichen. Dadurch lernt es, sich selbst zu koordinieren und schult darüber seinen Bewegungssinn. Bei Müttern, die sich während der Schwangerschaft wenig bewegen können oder dürfen, beobachtet man häufiger, dass ihre Kinder später Probleme mit dem Gleichgewichtssinn haben. Das Kleinhirn, in welchem die Gleichgewichtsimpulse verarbeitet werden, ist darüber hinaus an der Feinabstimmung von Bewegungen beteiligt, was das Kind vor allem beim Schreiben und bei der Regulierung des Muskeltonus benötigt. Außerdem hat es Verbindungen zum Hippocampus, welcher Gedächtnisinhalte vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis überführt.
Der Hörsinn des Ungeborenen entwickelt sich ca. ab der 18. Schwangerschaftswoche. Es nimmt Geräusche über Haut, Luft und Gelenke wahr. Es hört den Herzschlag, die Darmgeräusche, den Blutfluss der Mutter, das Kind liegt praktisch in einem Klangbad – man kann die Gebärmutter auch als Resonanzkörper bezeichnen. Der Hörsinn beeinflusst sehr stark das emotionale Erleben und kann auch Stressreaktionen auslösen. Während einer Schwangerschaft sollte man sehr genau überlegen, welchen Geräuschen man das Ungeborene aussetzt. Bisher sind Menschen auch ohne klassische Musik zu intelligenten Menschen herangewachsen. Auch eine Klangmassage sollte nicht ohne Weiteres durchgeführt werden, im Zweifel wecken wir das Kind nur auf und bringen es aus seinem eigenen Rhythmus. Eine Ultraschalluntersuchung bedeutet für das Ungeborene eine Dezibelzahl, als ob ein Flugzeug über ihm starten würde. Das Kind benötigt keine externe Stimulation, sondern eine Mutter, die sich wohlfühlt, angemessen bewegt, freudig singt, Spaß am Leben und an ihrer Schwangerschaft hat.
Vor allem Ruhe und Schlaf sind für die Entwicklung eines gut balancierten Gehirns extrem wichtig. Bereits ab der 5. Schwangerschaftswoche erhalten die Nervenfasern während des Schlafes oder Ruhephasen eine Isolationsschicht. Erst durch diese sog. Markscheide ist die Nervenzelle funktionsfähig. Signale werden dadurch effizienter übertragen und die Informationen schneller verarbeitet. Stress, Unruhe und Traumata können diesen Prozess beeinflussen und die Entwicklung von neuronalen Strukturen blockieren. Aus der Hirnforschung wissen wir, dass das kindliche Gehirn durch Erfahrungen und seine Umwelt strukturiert wird.
Ein weiterer wichtiger Entwicklungskatalysator stellt das natürliche Bewegen und Sport treiben dar. Bewegung aktiviert nicht nur das Muskelsystem, sondern den gesamten Stoffwechsel, vor allem den Hirnstoffwechsel. Geschieht dies mit anderen Kindern, lernen die Kinder ganz nebenbei, sich auf andere einzustellen, Vorhaben gemeinsam umzusetzen und Problemlösungsstrategien zu entwickeln. Auch gemeinsames Singen und Musizieren wirkt sich sehr förderlich aus. Singen fördert ganz nebenbei feinmotorische Kompetenzen.
In meinem Förderansatz sind auch Jonglierund Wurfspiele integriert, die die Reaktion, rasche Bewegungsabläufe und motorische Reaktionsmuster fördern. Durch die Wiederholung, den Spaß am gemeinsamen Tun und die gezielt initiierenden Bewegungsmuster werden nicht nur der Hirnstamm, das Gleichgewicht und die motorischen/sensorischen Regionen im Gehirn aktiviert, sondern auch der Frontallappen, der für das bewusste zielgerichtete Denken zuständig ist. Der Stirnlappen ist weiterhin verantwortlich für die zielgerichtete Aufmerksamkeit und Konzentration sowie die Fähigkeit, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Durch das freudvolle Miteinander werden die Zentren im Gehirn stimuliert, vor allem im Mittelhirn, die für Motivation, inneren Antrieb und emotionales Erleben zuständig sind. Die Kinder sind danach emotional ausgeglichener und selbstbewusster.
Je öfter wir die Übungen im Alltag integrieren, umso stärker werden die Verknüpfungen im Gehirn. Die Sinnesorgane und die Wahrnehmungsverarbeitung reifen aus, das Kind kann sich besser und gezielter steuern und auf andere einstellen.
Jean Ayres, die Entwicklerin der sensorischen Integrationstherapie, sagte: „Man kann nicht lernen, was man nicht kann. In der Tierwelt käme die Hundemutter auch nicht auf die Idee, den Welpen beizubringen, einen Vogel zu jagen, indem er erst still sitzt und beobachtet, sich dann langsam heranpirscht, springt und zupackt. Der Welpe lernt es von alleine, durch Erfahrung und ohne, dass er ständig gestört und gemaßregelt wird.“
Kinder sollten sich sicher und angenommen fühlen. Wir Erwachsenen schaffen einen Raum, der es ermöglicht, stressfrei neue Erfahrungen zu sammeln, indem sich bereits Erlerntes verfestigt und neue Verhaltensweisen entwickelt werden können.
Angst kann das Gehirn dabei blockieren, Neues zu erlernen; das Kind braucht ein sicheres Gefühl und Zeit. Das Gras wächst auch nicht schneller, wenn wir daran ziehen. Erwachsene, denen es gelingt, das Kind im Spiel zu begleiten und die als Vorbild fungieren, können das Interesse des Kindes an neuen Inhalten wecken und es motivieren, eigenständige Experimente zu wagen.
Kinder sollten aktiv die Gelegenheit bekommen, zu erleben, wie es sich anfühlt und was sich ändert, wenn sie beginnen, eigenständig Aktionen zu planen und durchzuführen. Kinder sollten Freiräume bekommen mit anderen Kindern – möglichst altersgemischt – um in der Gruppe neue Fähigkeiten und Kreativität entwickeln zu können, Erwachsene sollten sich möglichst aus diesen Freiräumen heraushalten. Vermeiden Sie Reizüberflutung. Kleine Kinder sollten möglichst keine Nachrichten schauen, auch Filme und Computerspiele können das Kind bis hin zur Traumatisierung verunsichern. Erkunden Sie mit dem Kind gemeinsam seine Interessen, wecken sie diese und unterstützen sie das Kind dabei, sich aktiv auseinanderzusetzen.
Fazit
Unser Gehirn ist ein Problemlösungsorgan und sollte nicht nur zum Auswendiglernen missbraucht werden. Sorgen Sie dafür, dass das Kind regelmäßig Erfolgserlebnisse bei der Bewältigung von Herausforderung hat – so wird es Freude am Lernen und Erleben haben.
Stephan
Heinz
Heilpraktiker für Psychotherapie, Ergotherapeut
Literatur
- Stephan Heinz: ADHS Coaching. BOD Verlag
- Stephan Heinz: Spüren was gut tut – Massagen für Kinder. BOD Verlag
- Jean Ayres: Bausteine der kindlichen Entwicklung. Springer Verlag
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