ZYSTITIS aus Sicht der TCM
Genauso wie ein breit gefächertes Bestecksortiment auf einem gedeckten Tisch den effizienten Umgang mit den unterschiedlichsten Speisen ermöglicht, so kann auch in der Medizin eine Erweiterung der Theorie- und Praxispalette einen effizienten Behandlungserfolg nach sich ziehen.
Der Versuch, beim Essen alle Gänge mit ein und demselben Löffel zu essen, kann nicht nur ineffizient sein, sondern auch peinlich und ungeschickt. Ähnlich peinlich kann der Versuch sein, z.B. eine rezidivierende Blasenentzündung mit beneidenswerter Hartnäckigkeit durch den Einsatz von Antibiotika kurieren zu wollen.
In der Xinjiang Medizinische Universität Urumqi (China) studiert man unter einem Dach drei gleichberechtigte und staatlich anerkannte Medizinrichtungen: Schulmedizin, TCM und Uygurische Medizin. Der Internationale Kongress für Uygurische Medizin (Oktober 2014) hat die Wichtigkeit der integralen Medizin betont. Die Behandlung einer Blasenentzündung kann den Vorteil der integralen Medizin sehr anschaulich darstellen, in der auch der Einsatz von Antibiotika seine Berechtigung hat.
TCM fasst die begleitenden Symptome der Blasenentzündungen zusammen und bezeichnet diese als schmerzhafte Miktion. Dabei handelt es sich um Schmerzen und Brennen beim Wasserlassen sowie häufigen spärlichen Harndrang (Dysurie). In der TCM unterscheidet man zwar zwei verschiedene Dysurie-Formen voneinander, aber meistens lässt sie sich von ihrem Erscheinungsbild her als eine Hitze im Unterleib (Blase) beschreiben.
Die versteckten Ursachen, die die Entstehung einer solchen Hitze (Entzündung) ermöglichen, sind in der TCM als multifaktorielles Geschehen beschrieben und prinzipiell ist es so, dass jedes Organ dabei eine prädisponierende Wirkung haben kann. Meistens spricht man hier über die Niere, die Milz und die Leber. Speziell diese Organe werden sowohl für die Entwicklung von Begleitsymptomen wie z.B. die Nässe verantwortlich gemacht als auch für eine schmerzhafte Obstruktion. Nun muss geklärt werden, ob eine schmerzhafte Obstruktion vorliegt, die auf Nässe-Hitze basiert. Die initialen Faktoren für die Entstehung dieser Pathologie sind multifaktoriell bedingt. Die wichtigsten sind jedoch Ernährungsfehler und psycho-emotionale Einflüsse. Diätetische Fehler wären in dem Fall übermäßiger Verzehr von Süßigkeiten und „kaltes Essen“: Gemeint ist hierbei nicht nur der thermische, sondern auch der energetische Charakter von Nahrungsmitteln.
Das von Schulmedizinern als Reizblase beschriebene Krankheitsbild umfasst jedoch auch eine psycho-emotionale Komponente, die man nicht unterschätzen darf. Asiatische Ärzte würden sagen, dass unten brennt, was oben (am Herzen) schon lange anliegt und lodert. Die Herz-Hitze manifestiert sich als Dysurie im unteren Bereich mit Brennen. Die Wurzel ist oben, aber der Zweig, die beschriebenen Symptome, sind unten.
Zur Differentialdiagnose wird das Verständnis der Puls- und Zungen-Analyse benötigt. Der Puls hat einen schlüpfrigen Charakter und ist schnell. Bei der Zunge ist die typische Beschreibung die Entstehung von roten Zonen und Rötungen an den Rändern, besonders an der Zungenspitze (Leber-Herzhitze). Auch kann sich der Zungenbelag gelb verfärben, besonders an der Zungenwurzel (rote Punkte = Schleimhitze).
Die Behandlungsstrategie liegt darin, die pathologische Nässe-Hitze zu klären, die Obstruktion zu beseitigen und den Geist zu beruhigen (Herz-Hitze klären). Hier werden überwiegend Geist-beruhigende Akupunkturpunkte genommen, die diese spezifische Wirkung ermöglichen. Diese Punkte sind Mp6, Mp9, Kg3, Le3 und Le2. Sie eliminieren das Nässe-Hitze-Syndrom aus dem Unterleib und beseitigen schmerzhafte Obstruktionen.
Zur Normalisierung der Psyche sind folgende Akupunkturpunkte bekannt, z.B. H8, Shenmen, H7 etc. Die wichtigste Rolle spielen Maßnahmen, die der Patient selbst umsetzen soll, wie z.B. Yoga, Tai Chi, Qigong, Autogenes Training u.a. Auch eine professionelle psychologische Beratung könnte hilfreich sein. Eine der bekanntesten Kräuterrezepturen aus der Sung-Dynastie (1078-1085), Ba Zheng San, kann modifiziert eingesetzt werden.
Der untere Bereich vom Bauch wird von einigen als sumpfig bezeichnet. Dagegen wirken alle Bemühungen, die das Qi und die Blutzirkulation fit halten. Deswegen helfen Selbstmassagen am unteren Rücken und dem Sacrum sowie im Bereich zwischen Bauchnabel und Schambein, die die Patienten in Remissionsphasen selbst durchführen können, oftmals so effektiv, dass sie einige Akupunktursitzungen überflüssig machen.
Im Ayurveda und in der tibetischen Medizin würde so eine Situation in der Blase, wo Urin gelb wird und es beim Wasserlassen brennt, als reizende Wirkung der Galle bezeichnet: Lokales Übermaß von Pitta oder Tripa (tibetisch) und in der Uygurischen Medizin als Sjapra (gelbe Galle). Charakteristisch für diese Medizin ist u.a. Bergharz, Shillagit, Momuayja und in Europa die Lebensmittelergänzung Maumasil.
In China, wo TCM gleichberechtigt neben der modernen Schulmedizin existiert, behandelt man deswegen Dysurie ganzheitlich. Wenn die Stärken von beiden medizinischen Ansätzen eingesetzt und die unerwünschten Nebenwirkungen gemildert werden können, ist das ganz im Sinne der ganzheitlichen integralen Medizin. Das tiefere Verstehen der schulmedizinisch als Reizblase bezeichneten Symptomatik kann in ihrer Komplexität, im Zusammenspiel Körper und Emotionen, mit dem Einsatz oder der Ergänzung der asiatischen Medizin zu ganz neuen Behandlungserfolgen führen.
Sergej Nelski
Dozent für TCM, Xingjiang Medizinische Universität Urumqi, Member of International Silk Road Academy of
Medical Sciences, Heilpraktiker, Physiotherapeut
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