Verhaltensstörungen bei Tieren
Traumatische Erlebnisse sind wesensverändernd, aber es gibt Hoffnung
Zu 80% werden Verhaltensstörungen bei Tieren von uns Menschen verursacht, manchmal ungewollt, meistens jedoch gewollt – weil wir eine gewisse Vorstellung davon haben, wie ein Tier zu sein und wie es sich zu verhalten hat. Wir ignorieren seine Bedürfnisse und seinen natürlichen Lebensraum, behandeln es wie einen Säugling, dem man seinen Willen aufzwingen will. Dabei vergessen wir, dass jedes Wesen eigenständig ist.
Aus dem Griechischen abgeleitet bedeutet Trauma eine Wunde. Diese kann durch starke Einwirkungen auf seelischer oder körperlicher Ebene entstehen. Nach einer psychischen oder physischen Misshandlung (Fehlhaltung, Gewalt), einem Unfall, einer Verbrennung oder Vergiftung kommt es zu einem Trauma, was sich in deutlichen Änderungen des natürlichen Verhaltens der Tiere widerspiegelt. Je nach „Behandlung“ durch uns Menschen kann ein Tier in seinem Verhalten vielleicht nur schwieriger werden, aber auch aggressiv reagieren und sogar beißen. Pferde landen dann meistens beim Schlachter, Hunde und Katzen schläfert man ein oder setzt sie aus.
Das Pferd ist als Fluchttier geneigt zu entspannen, wenn man nichts von ihm fordert. Traumatisierten Pferden fehlt diese Möglichkeit häufig. Sie zeigen Anzeichen eines hohen Stressniveaus, z.B. erhöhte Wachsamkeit und Schreckhaftigkeit bis hin zu Panik, aber auch Lethargie und Aggressivität können beobachtet werden.
Hunde reagieren – im Gegensatz zu Katzen – mit hoher Bereitschaft zur Aggressivität gegenüber Menschen und ihren Artgenossen, v.a. gegenüber dem schwächeren Part. Auch besteht häufig eine deutliche Berührungsaversion.
Katzen ziehen sich von Menschen zurück, reagieren mit Fauchen und greifen auch ihre Artgenossen an. Sie schnurren jedoch in dieser Zeit meistens, um sich selbst zu beruhigen.
Die gute Nachricht ist: Traumata sind behandelbar, und es besteht in den meisten Fällen Hoffnung, dass die Tiere nach einer Zeit wieder gesund werden. Es erfordert Geduld und Hartnäckigkeit, aber die Mühe lohnt sich. Dies sollte auch Menschen ermutigen, die ein Tier anschaffen möchten, da auch diejenigen aus dem Tierschutz sehr häufig mit Liebe und kompetenter Betreuung genesen können.
Nachfolgend ein Beispiel aus dem Alltag. Hier führte eine behutsam durchgeführte klassisch homöopathische Behandlung zum Erfolg.
Felix, der traumatisierte Macho
Im Oktober 2014 kam Kater Felix aus einem privaten Tierschutzprogramm in meinen Haushalt. Er war zu diesem Zeitpunkt völlig verstört, unausgeglichen und aggressiv, ließ sich nicht streicheln und kam überhaupt nicht mit seinen Artgenossen aus. Seine Angst ging so weit, dass er zunächst nur von einer in die andere Ecke rannte und sich dann regungslos versteckte. Bis zum 5. Tag rührte er weder Essen noch Trinken an.
Während der ersten 2 Wochen hielt er sich hinter der Couch auf, ohne hervorzukommen. Seine Katzenkiste suchte er nur sporadisch auf, wenn er sicher war, dass niemand ihn störte. Dann zog er um in das Bad, wo er ungestört war. Solange die Tür zu war, traute er sich aus seinem neuen Versteck heraus. Er aß regelmäßig und nutzte seine Katzenkiste hin und wieder. Sobald jedoch jemand in seine Nähe kam, suchte er sofort Schutz hinter dem Schrank. Und er war ein ausgesprochener Protestpinkler.
Ich begann ganz langsam mit der Behandlung. Als Erstes gab ich Rescue-Tropfen in das Essen und redete langsam und leise mit Felix, um sein Vertrauen zu gewinnen. Nach der ersten Woche erhielt er eine Gabe Opium C200 für das Trauma (dies fortgesetzt 1x monatlich über ein halbes Jahr).
Nach 8 Wochen gab ich Felix zusätzlich 2x täglich Nux vomica C30 (3 Globuli). Dieses Mittel wurde über 12 Wochen verabreicht, da er auf fast alles sehr aggressiv reagierte. 6 Wochen später zeigten sich die ersten Behandlungserfolge: Das Protestpinkeln verschwand und er nutzte forthin brav die Katzenkiste.
Anschließend erhielt der Kater über 3 Wochen morgens Nux vomica und abends Lachesis (aufgrund seiner aggressiven Eifersucht).
Im Dezember 2014 kam Felix hin und wieder aus seinem Zimmer hervor und nutzte das Spielzeug. Sobald ich aber in seine Nähe kam, raste er in Panik zurück in sein sicheres Zimmer. Nach wie vor verprügelte er seine Artgenossin. Für meine anderen Tiere und mich war diese Zeit eine Belastungsprobe, und ich fragte mich schon, ob ich Felix zum Wohl meiner anderen Tiere abgeben sollte.
Da Lachesis nicht die gewünschte Wirkung zeigte, stieg ich auf Stramonium C30 um. Es stellte sich sofort eine Erstverschlimmerung ein. Stramonium C30 wurde über 3 Wochen wöchentlich, später dann alle 2 Tage verabreicht.
Während der gesamten Behandlungszeit legte ich dem Kater zum Stressabbau und für einen besseren Schlaf Aku-Patches in sein Körbchen.
Im März 2015 wechselte Felix auf den Balkon und lief die meiste Zeit über in einer normalen Gangart. Er nutzte das Katzenklo, wollte es aber an einer bestimmten Stelle haben. Er benahm sich wie ein Pascha. Den Sommer verbrachte er tagsüber meistens auf dem abgesicherten Balkon. Er aß sehr gut und wurde umgänglicher.
September 2015 zogen wir um, und nur mit Mühe bekam ich ihn in die Katzenkiste hinein. Während des Transports veranstaltete er ein lautes Konzert. Als ich ihn dann in der neuen Wohnung herausließ, kam ihm seine Artgenossin gleich entgegen. Gemeinsam erforschten sie das neue Zuhause. Während des eigentlichen Umzugs verschwanden beide freiwillig in ein Zimmer, in das keine Möbel hinein kamen. Nach Abschluss des Möbeltransports änderte sich sein Verhalten zu großen Teilen: Er kam zu mir, forderte Zärtlichkeiten ein und legte sich abends aufs Bett. Er verprügelte seine Artgenossin nicht mehr so oft und reagierte auf Klickerbefehle. Auch war er nicht mehr so ruhelos, sondern viel ausgeglichener.
Gleich nach dem Einzug in die neue Wohnung erhielt Felix nochmals eine Gabe Opium. Und inzwischen kann er ein ganz lieber vierbeiniger Macho sein.
Sieglinde Katharina Rippert
geprüfte Tierheilpraktikerin und Tierphysiotherapeutin für
Pferde, Hunde und andere Haustiere, Schwer punkte: Klassische Homöopathie, Physiotherapie, Ernährungsberatung
Sieglinderippert@googlemail.com
Foto: © Antonio Nardelli / fotolia.com
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