Detox in der Physiotherapie-Praxis
Den Körper von seiner Last befreien
„Entgiften & Entschlacken“ – ein Thema, das mir in den letzten Jahren immer häufiger begegnet und das angesichts der zunehmend verbreiteten, in vielerlei Hinsicht jedoch vermeidbaren Zivilisationskrankheiten durchaus seine Berechtigung hat.
Wer sitzt nicht im Glashaus?
Laut „Statusbericht 2014 zu nicht übertragbaren Krankheiten“ der „Weltgesundheitsorganisation (WHO)“ sterben weltweit 16 Millionen Menschen vor dem 70. Lebensjahr an Herz-Kreislauf-Leiden, Diabetes, Atemwegserkrankungen und Krebs in Folge des Konsums von Alkohol, Tabak und ungesundem Essen. Aber auch Disstress kann sich auf Dauer negativ auf den Körper auswirken, „auf den Schultern lasten“ oder „auf den Magen schlagen“. Dabei lassen sich all diese Aspekte und damit auch das Erkrankungsrisiko durch eine Änderung des Lebensstils aktiv beeinflussen.
Selbstverständlich wissen wir alle, welche Ernährung gesund ist, dass wir regelmäßig Sport treiben und genügend Ausgleich zum stressigen Arbeitsalltag haben sollten. Aber wann denn, bitte, sollen wir uns die Zeit dafür nehmen? Zwischen der Arbeit und dem Abholen der Kinder aus der Schule? Oder abends, wenn das Tagwerk erledigt ist und die Kinder schlafen? Oder am Wochenende, wenn man einfach mal seine Ruhe haben und nichts machen möchte?
In meiner Tätigkeit als Physiotherapeutin bin ich mir der Dringlichkeit von Entspannung und Stressreduktion bewusst, doch hüte ich mich davor, jedem Patienten, der mit „Stress auf den Schultern“ zu mir kommt, mit erhobenem Zeigefinger anzuraten, endlich etwas an seinen Lebensgewohnheiten zu verändern. Denn Hand aufs Herz: Ja, auch ich ernähre mich nicht immer so gesund, wie ich es möchte, auch ich plane mir ab und an einen Termin zu viel in meinen Tag hinein, und auch ich freue mich, einfach mal die Füße hoch zu legen, wenn die Kinder abends schlafen.
Allerdings sollte es spätestens dann, wenn der Rücken regelmäßig zwickt, der Kopf dauernd schmerzt oder der Magen seit Tagen rebelliert, an der Zeit sein, auf seinen Körper zu hören. Der Rücken möchte vielleicht Folgendes mitteilen: „Meinst du nicht, dass wir uns wieder mal mehr aufgeladen haben, als wir stemmen können? Und sollten wir uns nicht endlich mal eine kleine Auszeit gönnen?“
Den Teufelskreis durchbrechen
Grob geschätzt haben über 75% meiner Patienten fast identische Geschichten: viel Stress, zu wenig Ausgleich, Teufelskreis Rückenprobleme, Spannungskopfschmerz, Schulter-Arm-Schmerzen, Kiefergelenkbeschwerden. Man lebt nach dem Motto: „Kopf einziehen und durchhalten“ oder „Zähne zusammenbeißen und weitermachen“.
Was kann der Therapeut tun, um hier effizient und nützlich zur Seite zu stehen? Natürlich helfen Techniken zur Entspannung und Stressreduktion. Doch was, wenn man gleichzeitig die Muskulatur lockern und den Körper bei seiner Entgiftung unterstützen könnte, um Beweglichkeit zu fördern und Schmerzzustände zu lindern? Wenn es ein All-Inclusive-Paket gäbe? Ist das möglich? Ich sage: JA. Im Folgenden erläutere ich 4 meiner liebsten Techniken, die in diesem Zusammenhang beste Dienste leisten.
Gua Sha
Gua steht für „Schaben“, Sha für „Rötung der Haut“ – ist ein manuelles, nicht invasives Ausleitungsverfahren, das sowohl in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) wie auch in anderen asiatischen Kulturkreisen Anwendung findet. Als altes Volksheilmittel überliefert, beruht Gua Sha auf der Annahme, dass im Körperinneren befindliche, krankmachende Faktoren sich auch im Äußeren widerspiegeln. Nach dem Prinzip von Yin und Yang kann durch das Arbeiten auf der Haut ein Energiestau gelöst und Energiemangel behoben werden.
Mittels eines abgerundeten Schabers wird bei Verspannungen und Schmerzen des Bewegungsapparates sowie bei anderen akuten oder chronischen Erkrankungen, unter Zuhilfenahme einer kleinen Menge Öl, auf dem betroffenen Hautareal geschabt, bis eine deutliche Rötung der Haut auftritt.
Bestand der Schaber ursprünglich aus Büffelhorn, sind heute verschiedene Materialien erhältlich, v.a. Kunststoff, auch Steinsorten wie Jade, Rosenquarz und Achat.
Durch das Schaben auf der Haut werden Durchblutung und Stoffwechsel angeregt. So werden Haut und Muskulatur besser mit Sauerstoff versorgt, die Ausscheidung über die Haut wird angeregt und Giftstoffe abtransportiert. Verklebungen im Gewebe werden effektiv gelöst, verspannte Muskulatur lockert sich.
Aus chinesischer Sichtweise kann auch auf Akupunkturpunkten oder Meridianen geschabt werden, um ein bestimmtes Organ im Körper reflektorisch zu beeinflussen.
Dass und wie effektiv Gua Sha wirkt, wurde mir bewusst, als ich einen grippalen Infekt angehen wollte. Nach einer einzigen Gua-Sha-Behandlung des Lungen- und Dickdarmmeridians (Anwendung bei fieberhafter Erkältung) war mein Patient am nächsten Morgen fast komplett genesen. Eine einfache Technik mit großer Wirkung!
Russische Honigmassage
Ein Naturheilverfahren und altes Volksheilmittel zur Entschlackung und Entgiftung, deren Wurzeln in Russland und Tibet zu finden sind. Sie bringt den Körper ins Gleichgewicht und wirkt wohltuend auf Nerven- und Immunsystem. Jahrelang in Vergessenheit geraten, wurde sie 1987 vom ukrainischen Heiler Oleg Lohnes wieder zum Leben erweckt.
Diese Massageform basiert auf den Erkenntnissen der tibetischen und chinesischen Medizin und ist wichtiger Bestandteil der russischen Volksheilkunde. Sie wird überwiegend am Rücken angewendet. Durch spezielle Grifftechniken wird ein Reiz auf das Bindegewebe und die Reflexzonen des Rückens ausgeübt. So wird der Stoffwechsel angeregt und die Entgiftung in Gang gesetzt, die Selbstheilungskräfte werden aktiviert.
Während der wohltuenden Massage mit warmem Honig werden nicht nur abgestorbene Hautzellen entfernt, es lassen sich auch Schlacken und Gifte aus dem Gewebe herausziehen. Über die geöffneten Hautporen können die vielen wertvollen Inhaltsstoffe des Honigs aufgenommen werden, sodass diese ihre Wirkung in der Tiefe entfalten. Hier sind nicht nur Zucker, Aminosäuren und Mineralstoffe zu nennen, auch antibakteriell und antioxidativ wirkende Substanzen. Weiterhin ist Acetylcholin enthalten, ein wichtiger Signalstoff im Körper, der an der Steuerung der meisten inneren Organe beteiligt ist.
Die Honigmassage wirkt entspannend und kann über die im Honig enthaltenen Substanzen positive Effekte erzielen. Erfahrungsgemäß lassen sich Besserungen bei typischen Zivilisationskrankheiten feststellen: Allergien, Kopfschmerzen, Herz-Kreislauf- und Magen-Darm-Erkrankungen. Auch grippale Infekte und Atemwegserkrankungen lassen sich vorbeugen. Honig ist weit mehr als nur ein schmackhaftes Lebensmittel!
Schröpfmassage für den Rücken
Die Technik des Schröpfens wurde erstmals vor ca. 5 000 Jahren in China genannt. Auch in vielen anderen Ländern wie Ägypten, Griechenland, Türkei und Russland kennt man das hochwirksame Entgiftungsverfahren seit alters her.
Ob Hippokrates in der Antike oder Hildegard von Bingen Jahrhunderte später die Methode des Schröpfens beschrieben hat, die Wirkung ist dieselbe geblieben. Lediglich die Art der Schröpfköpfe und die Technik haben sich verändert. Während man in der Antike Rinderhörner einsetzte, ist man heute zur Verwendung von Schröpfgläsern oder -gummis übergegangen.
Wie die Gestalt der Schröpfutensilien, so unterschied sich in verschiedenen Zeiten und Kulturen auch der Sinn und Zweck des Schröpfens: Im Mittelalter schröpfte man, um schlechte und überschüssige Körpersäfte (sprich: Blut und Galle) auszuleiten und so das innere Gleichgewicht wiederherzustellen. In der TCM hat man über Reizung der Akupunkturpunkte Einfluss auf innere Organe und den Fluss des Qi genommen. Bei der Schröpfmassage liegt das Augenmerk auf der Verbesserung von Haut- und Muskeldurchblutung, um die Entgiftung des Körpers anzuregen und das Immunsystem zu stärken.
Trennt man zwischen blutigem und unblutigem Schröpfen, ist die Schröpfmassage dem letzteren zuzuordnen und auch für den Wellness- und Präventivbereich zugelassen. Hierbei wird das Schröpfglas unter Verwendung von Öl in vorgegebenen Bahnen über den Rücken bewegt. Gleich einer Massage fördern wir nicht nur den Stoffwechsel, sondern lockern auch die Muskulatur und geben Entspannung für Körper und Seele. Altes kann losgelassen werden!
Lehmpackungen
Bereits seit 4 000 Jahren ist die therapeutische Wirkung von Heilerde bekannt. Schon die alten Ägypter nutzten Nilschlamm gegen Entzündungen, Schwellungen, Gliederschmerzen, rheumatische Beschwerden sowie zur Krankheitsvorbeugung. Ihren Höhepunkt hatte die Anwendung von Heilerde im antiken Griechenland und Rom (um 500 n. Chr.), wo sie zu hohen Preisen gehandelt wurde. Erst im 19. Jahrhundert geriet sie durch den Fortschritt der Pharmazie ins Abseits, um doch schon recht bald wiederentdeckt zu werden. Sebastian Kneipp (1821-1897) schrieb, „dass manche Körperschäden und vielerlei Übel durch kein anderes Mittel so schnell und mit solcher Leichtigkeit geheilt werden können, als gerade durch den Lehm“.
Heilerde besteht aus Gesteinsstaub (größtenteils Silikat, Kalkspat, Dreischichttonmineralien und Feldspat), der aus größeren Tiefen gefördert wird. Durch den Abbau im Erdinneren ist sie ohnehin fast keimfrei, wird später durch Erhitzen komplett entkeimt.
Heilerde hat austrocknende und antibakterielle Eigenschaften. Sie enthält zahlreiche Mineralien und Spurenelemente, die für Körperaufbau und -funktionen unverzichtbar sind: Man findet Kalzium, Kalium, Natrium, Magnesium, Silicium und Eisen in unterschiedlichen Zusammensetzungen und Konzentrationen in den verschiedenfarbigen Heilerden, die u.a. für Lehmpackungen zum Einsatz kommen.
Während kalte Packungen stoffwechsel- und durchblutungsfördernd, schmerzlindernd und krampflösend wirken und bei Schmerzen, Schwellungen, Entzündungen, Verbrennungen und Zerrungen angelegt werden können, empfehlen sich warme Packungen bei Erkältungen, grippalen Infekten und Unterleibsschmerzen.
Der Körper wird bei einer Lehmanwendung sanft entgiftet und mit Nährstoffen versorgt. Nach der anfänglich kühlenden Wirkung tritt eine wohltuende Wärme und Entspannung des gesamten Körpers ein. Die Anwendung ist ein Genuss!
Fazit
Alle beschriebenen Techniken können in der Praxis sehr erfolgreich therapeutisch als auch präventiv zum Einsatz kommen. Sie sind ebenso als Selbsthilfe-Methoden für den Hausgebrauch geeignet.
Sollten Sie auf die eine oder andere Anwendung neugierig geworden sein, gönnen Sie sich doch einmal eine Behandlung und erleben Sie die wohltuenden Effekte am eigenen Leib. Oder Sie lernen selbst, wie man sie anwendet. Nehmen Sie sich die Zeit für sich, um im Alltag mehr Ausgleich zu schaffen. Vielleicht ist die Kombination aus Entspannung und Entgiftung Ihr Einstieg in einen gesünderen Lebensstil – und damit auch Ihr Einsatz, um vermeidbaren Zivilisationskrankheiten aus dem Weg zu gehen. Seien Sie es sich wert
Britta Grötsch
Physiotherapeutin, Heilpraktikerin für Physiotherapie, Psychologische Beraterin, Dozentin an den Paracelsus
Schulen
brittagroetsch@gmail.com
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