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Psychotherapie
Lesezeit: 5 Minuten

Glosse: Komplimente, die Medizin des Alltags

Ehrlich gemeinte Komplimente sind Balsam für die Seele. Selbst wenn wir keine Anregung im Außen suchen sollen, so tut es doch gut, schöne Worte zu hören. Einfach so – ohne Gegenleistung. Wenn mich jemand anlächelt, lächle ich zurück und freue mich darüber. Ebenso, wenn meine Freundin meinen Kleidungsstil bewundert und ihr meine neue Frisur gefällt. Ein Kompliment zu verschenken ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Geschenk. Eine nette Geste, die positiv wirkt und den grauen Alltag für einen Moment farbenfroher macht. Mit Komplimenten umzugehen ist für viele von uns aber doch oft ungewohnt. Wir werden rot vor Verlegenheit oder denken, der andere meint es nicht ernst. Statt die lieben Worte aufzusaugen, machen wir sie uns selber madig und trauen ihnen nicht.

Ich liebe Zitate und Aphorismen, z.B. das von Marilyn Monroe: „Wahre Schönheit und Weiblichkeit sind alterslos und nicht künstlich herstellbar“. Oder: „Schönheit liegt im Auge des Betrachters“ von Thukydides. Wenn ich solche Zeilen lese, kann ich erahnen, was der Sprecher ausdrücken wollte. Ich kann darüber philosophieren, sie zum Anlass für eine Diskussion oder für diesen Beitrag nehmen. Zitate regen den Geist an und ermöglichen dem Leser einen Perspektivwechsel. Auch wenn sie ihn nur andeuten, diesen anderen Blickwinkel, dann ist schon viel gewonnen. Denn leider hört man im Sommer dann doch eher solche schlauen Sprüche zum Thema Schönheit: „Für eine Bikinifigur braucht es nur eines: eine Figur und einen Bikini“ oder „Ich habe meinen Winterspeck gegen Frühlingsrollen eingetauscht“. Das mag im ersten Moment amüsant klingen. Auf den zweiten Blick allerdings ist unschwer zu erkennen, dass sich diese Aussagen ausschließlich um die Bewertung der Körperbeschaffenheit drehen. Offenbar verschwenden viele Menschen nicht wenig Zeit darauf, darüber nachzudenken, wie ihr Äußeres auf andere wirkt, statt darüber nachzudenken, wie sie sich in ihrem Körper fühlen. Zudem gibt es Menschen, die über fremde Körper nachdenken und meinen, dies auch kundtun zu müssen. Ohne nachzufragen, ob das legitim oder erwünscht ist. Dabei spielen Glosse Geschlecht und Alter nur eine Nebenrolle, da sich diese Denk- und Verhaltensweise über ganze Generationen hinweg zieht.

Was als Kompliment oder „kleiner Spaß am Rande“ gemeint sein könnte, kann schnell ins Gegenteil kippen. Dann nämlich, wenn wir z.B. anerkennend sagen: „Hast du abgenommen? Du siehst echt gut aus.“ Oder: „Deine Haut wirkt straffer. Machst du Sport oder eine Diät?“ Vielleicht ist das wirklich nett gemeint. Doch wir wissen alle, dass das, was gut gemeint ist, nicht immer gut gemacht wird. Solche Sätze können dafür sorgen, dass der Empfänger dieser Botschaft hört: „Dein Körper sieht toll aus. Dafür bekommst du meine Anerkennung.“ Nebensächlich wird dabei, warum er so aussieht. Nicht jeder hatte vielleicht die Absicht, sein Körperbild nach den Vorstellungen der anderen zu gestalten. Vielleicht steckt ein Reizdarm dahinter, sodass Nahrung nicht verwertet werden kann, weil sie ganz schnell hinausbefördert wird. Oder eine andere Erkrankung, die dafür sorgt, dass Kalorien zu schnell verbraucht werden. Oder ein Trauerfall, der keinen Appetit zulässt. Ebenso kann es andersherum sein. Zu viel Speck auf den Hüften muss nicht automatisch mit zu viel Genuss zusammenhängen. Auch Stoffwechselstörungen, Stress oder Lipödeme etc. können daran schuld sein. Wie dem auch sei, einfach dahin gesagte Sätze können für Irritationen und Selbstzweifel sorgen.

Auch das Haschen nach Komplimenten ist nicht zu unterschätzen. Im schlimmsten Fall werden Erkrankungen genau deshalb erst ins Leben gerufen. Indem z.B. junge Menschen anfangen, Worte und Nahrungsmittel auf die Goldwaage zu legen, nur um auf der Sommerparty – für einen kurzen Augenblick – mit ihrem Körper zu glänzen. Um andere zu beeindrucken, denen das, bei Licht betrachtet, ziemlich egal ist.

Die meisten Körper kommen gesund auf die Welt. Vollkommen und perfekt, um zu funktionieren. Keiner sieht aus wie der andere. Jeder Körper ist individuell. Allein dafür können wir täglich dankbar sein. Aber dann passiert irgendetwas, was unsere Aufmerksamkeit nach außen lenkt. Was dazu führt, dass wir vergleichen. Ohne zu ahnen, warum ein Körper so ist, wie er ist. Was die einzelnen Personen dafür getan haben. Was sie essen, wie sie sich bewegen. Ob sie gesund sind oder nicht. All das sind Dinge, die auf unseren Körper wirken. Die dafür sorgen, dass wir aussehen, wie wir aussehen.

Mangeldenken macht krank. Der Vergleich im Außen macht krank. Falsche Komplimente machen krank.

Ehrlich gemeinte Komplimente sind hingegen wie Medizin. Wie ein Medikament, das uns hilft, wenn es uns nicht gut geht. Das uns zum Strahlen bringt. Das dafür sorgt, dass mehr positiv wirkende Hormone ausgeschüttet werden. Das alles gilt nicht nur für den Empfänger, auch für den Gebenden. Auch demjenigen, der Komplimente macht, geht es danach gut. Wenn wir anderen etwas Gutes tun, dann tun wir es in diesem Moment auch für uns. Jeder, der schon einmal jemand anderen gelobt oder ihm gesagt hat, wie toll er aussieht, kennt dieses wohlig warme Gefühl, das sich dann ausbreitet. Und wenn niemand da ist, der uns Komplimente machen kann, dann machen wir es einfach selber. Wir können alleine stolz auf unsere erbrachten Leistungen sein und uns im neuen Sommerkleid wohlfühlen. Neben all den Krankheiten, die wir haben können. Neben all den blöden Situationen, in die wir geraten. Neben all der Medizin, die wir benötigen, um zu gesunden.

Neben all diesen Dingen ist es doch schön, zu wissen, dass einem solche Kleinigkeiten den Tag verschönern! Dass lieb gemeinte Worte die nächste Herausforderung erträglicher machen. Dass es Dinge gibt, die nichts außer Überwindung kosten. Und dass ein wertschätzendes Miteinander unsere Gesundheit positiv beeinflussen kann!

Mit sonnigen Grüßen

Jana Ludolf
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Mediatorin und Familiencoach
info@Jana-Ludolf.de

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