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Naturheilkunde
Lesezeit: 6 Minuten

Pflanzenmärchen – Teil 3

Das Mädesüß und die Weiblichkeit

Vor langer Zeit lebte im Norden ein sehr kriegerisches Volk. Mit ihren Booten fuhren die Nordmänner übers Meer, raubten und plünderten an den Küsten anderer Länder. Wo sie auftauchten, verbreiteten sie Angst und Schrecken. Zwar waren auch die Frauen dieses Volkes unerschrocken und kämpferisch, aber sie merkten doch nach einiger Zeit, dass ihre Männer sich in ihrer Sucht nach Ruhm und Ehre, Krieg und Kampf, in ihrer Gier nach Reichtum und Beute immer mehr verrannten. Die Männer waren oft monatelang auf Kriegszug, und wenn sie zuhause waren, verging kein Tag, an dem es nicht zu Streit und Kämpfen kam. Besonders schlimm war es nach Festen und Trinkgelagen, dann gab es häufig Verletzte, sogar Tote.

Beratung der Frauen

So kam es, dass die Frauen sich versammelten und über die Situation berieten, während die Männer zechten. Wild flogen die Worte umher, denn jede Frau, jede Familie hatte in den vergangenen Monaten Verluste zu beklagen. Nach einiger Zeit beruhigten sich die Gemüter und die Frauen begannen, nach Lösungen zu suchen.

Als die Schamanin an der Reihe war, sprach sie von Göttern und Dämonen, über die Gegensätze von Mann und Frau, von einer Pflanze, die Hilfe bringen könne, von einem geheimen Ort, an dem sich Elfen versammelten. Dort würde die Lösung für das Problem zu finden sein. Die Frauen verstanden ihre Rede nicht, aber die Schamanin sagte: „Ich werde die Elfen fragen, ob sie uns empfangen. Dann lasst uns gemeinsam an diesen Ort gehen.“

Elfentanz

So machten sich die Frauen kurz darauf auf den Weg. Mittags erreichten sie eine Landschaft mit Wiesen, Sümpfen und Seen. An einer Wiese, die von feuchten Gräben umgeben war, machten sie Halt. Die Schamanin gebot allen, sich zu setzen. Hier würden sie auf die Elfen warten.

Die Frauen packten ihre Vorräte aus, begannen zu essen und zu trinken. Es war ein warmer, sonniger Tag. Die Luft war angenehm mild und es duftete leicht süßlich, ausgehend von den Blüten der Pflanze, die in den feuchten Gräben wuchs und die gesamte Landschaft in das cremefarbene Weiß ihrer Blüten tauchte. Die Frauen lachten und scherzten miteinander, und bald hatten sie vergessen, weshalb sie hier waren.

Als die Sonne sich neigte, gab die Schamanin ein Zeichen. Augenblicklich wurden alle still. In dieser Stille wirkte der Ort noch intensiver: das Rot der untergehenden Sonne, das Weiß der Blüten, die Wärme und der leichte Wind, der auf der Haut zu spüren war – und der feine Duft, der alles erfüllte und eine Wohltat bei jedem Atemzug war. Alles war so lieblich, so mild, und doch so intensiv von Energie erfüllt.

Nach einiger Zeit hörten die Frauen Töne. Zuerst war es ein Gluckern, so, als würden sie an einem Bach sitzen. Dann vernahmen sie leise Harfenklänge, wunderschön und harmonisch. Die warme Luft, die über den cremefarbenen Blüten aufstieg, schien zu flirren. Aus diesem Flirren heraus entstanden Bewegungen, die sich rhythmisch vereinten. Es waren die Elfen, deren Tanz und Musik die Frauen tief in ihren Herzen berührten. Schon bald tanzten sie mit den Elfen den Tanz allen Lebens. Gleichzeitig fand jede Frau, tief berührt, ihren eigenen, persönlichen Rhythmus.

Als der Tanz endete, ging die Sonne unter und die Frauen legten sich schlafen. Am nächsten Morgen fühlten sich alle wunderbar erfrischt und erfüllt von Energie. Die Schamanin sprach aus, was alle wussten: „Was wir gestern erlebt haben, ist das, was unseren Männern fehlt. Lasst uns überlegen, wie wir es ihnen geben können.“

Die Lösung

Eine Frau hatte eine Idee: „Lasst uns für unsere Männer einen Tee von der Pflanze mit den weißen Blüten zubereiten. Dieser wird ihnen helfen, auch ihre weibliche Seite zu leben.“ Alle Frauen waren von der Idee begeistert, doch die Schamanin sprach: „Die Idee ist gut, aber unsere Männer trinken nur Tee, wenn sie krank sind. Wir müssen ihnen die Pflanze anders zubereiten.“ „Wie wäre es, wenn wir die Pflanze in den Met geben? Bier und Met trinken die Männer doch in rauen Mengen“, überlegte die Frau. Es brach ein großes Gelächter aus. „Eine geniale Idee“, sprach die Schamanin, „so erhalten unsere Männer unbemerkt etwas von dem, was wir gestern erlebt haben.“

Also aromatisierten die Frauen zuhause den Met mit der weißblühenden Pflanze, die sie „Mädesüß“ nannten. Der mit Mädesüß versetzte Met wurde zum Lieblingsgetränk der Männer. So kam es, dass bei den Stämmen im Norden „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“ besser im Gleichgewicht waren.

Erläuterungen zum Mädesüß

Mädesüß (Filipendula ulmaria) ist eine kräftige Pflanze aus der Familie der Rosengewächse. Den meisten Wanderern fällt sie erst zur Blütezeit im Juni/Juli auf. Dann überzieht das Mädesüß ganze Landschaften mit seinen luftigen, cremeweißen Blüten. Es wächst in feuchten Gräben, in Hochstaudenfluren, auf Feuchtwiesen und an Ufern. Die Blüten des Mädesüß duften leicht vanilleartig, daher wurden sie bei den Wikingern und Kelten zum Aromatisieren von Met (Honigwein) und Bier verwendet. Wie es zum Namen „Mädesüß“ kam, wird bis heute kontrovers diskutiert. Manche meinen, dass der Name nicht von „Met“ (dem aromatisierten Honigwein) kommt, sondern vom Wort „Mahd“, da die Pflanze nach dem Mähen besonders stark ihren süßen Duft verströmt.

In der modernen Heilpflanzenkunde wird Mädesüß als Tee bei Erkältungskrankheiten verwendet. Es wirkt schmerzlindernd, entzündungshemmend, fiebersenkend, schweiß- und harntreibend. Mädesüß enthält Salicylsäureverbindungen wie auch das Schmerzmittel „Aspirin“. Der Tee hat gegenüber der Schmerztablette den Vorteil, dass er besser magenverträglich ist. Trotzdem sollte man auf die Dosierung achten und bei einer Überempfindlichkeit Mädesüß vermeiden.

Fazit

Mit dem Mädesüß endet der kleine Einblick in die Welt der Pflanzenmärchen. Diese enthüllen den Charakter, die Wesenheit der Pflanzen. Sie sollen uns in Resonanz mit den Pflanzen bringen und uns im Inneren berühren. Genau in dieser Verbindung, in diesem Mitschwingen erleben wir eine Form der Heilung, denn die Geschichten eröffnen uns die seelische Heilkraft der Pflanzen. Sie zeigen uns, wie Heilung geschehen kann. Hierbei geht es v.a. um unsere seelisch-geistige Entwicklung. Im Märchen vom Mädesüß ist das Thema Ausgleich von starker, überschießender Polarität („männlich-weiblich“, „Yin-Yang“). Wie wir sehen können, beleuchten die Geschichten, die sich mir intuitiv durch die langjährige Beschäftigung mit den Wesenheiten der Pflanzen erschlossen haben, nicht immer die aus der Pflanzenheilkunde bekannten Heilwirkungen. Sie fokussieren auch neue, weitgehend unberücksichtigte Aspekte der Pflanzen.

Die Betrachtung der Wesenheit einer Pflanze ist eine gute Ergänzung zu derjenigen von Inhaltsstoffen und biochemischen Wirkmechanismen. Für Heilpraktiker, Naturheilkundler und Mediziner bieten sie Anregung, Inspiration und Unterstützung für die Heilarbeit, v.a. wenn es um eine ganzheitliche Arbeitsweise geht.

Buch-Tipp
Roland Szabo
Wenn Pflanzen unsere Seele berühren
Szabo Verlag

Roland Szabo
Dipl.-Biologe, Pflanzenfotograf und Buchautor
mit Schwerpunkten Heilpflanzen und homöopathische Pflanzen
info@szabo-verlag.de

Foto: © unpict / adobe.stock.com

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