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Tierheilkunde
Lesezeit: 9 Minuten

AYURVEDA als Therapieansatz bei Autoimmunerkrankungen des Tieres

Autoimmunprozesse sind ein wachsendes Thema in der Tierheilkunde, denn viele wissen nicht, dass auch Tiere darunter leiden. Die Krankheiten sind bislang nicht heilbar, aber es gibt eine Vielzahl an Behandlungskonzepten aus Schulmedizin und Naturheilkunde, mit denen die Symptome gelindert und sogar zum Stillstand gebracht werden können. Auch im Ayurveda mit seinem über 2000 Jahre alten Wissen sind Erklärungs- und Behandlungsansätze beschrieben, die erfolgreich am Tier angewendet werden.

Autoimmunprozesse aus Sicht des Ayurveda

Es existieren viele verschiedene Autoimmunerkrankungen mit unterschiedlichen Symptomen auf organspezifischer oder systemischer Ebene. Die Ursachen finden ihren gemeinsamen Nenner in der Veränderung der Immunität. Aus schulmedizinischer Sicht entsteht die gegen körpereigene Substanzen gerichtete Immunantwort durch die Bildung von Autoantikörpern sowie autoreaktiven B- und T-Lymphozyten.

Aus Sicht des Ayurveda ist eine Autoimmunerkrankung ein Zusammenspiel folgender Aspekte:

  • Reduktion der generellen Immunität (Vyadhi ksamatva),
  • Rückgang körperlicher und psychischer Kraft sowie der Energiereserven (Bala),
  • zu geringe Bildung an Lebensessenz, deren Aufgabe u.a. der Erhalt der Selbstheilungskraft (Ojas) ist.

In Summe bewirken diese Aspekte ein Versagen der Gesamtimmunität, die in den alten Schriften des Ayurveda, der Charaka Samhita, als „bala-bhramsa“ (Sanskrit) bezeichnet wird. Alle drei Faktoren werden durch das Verdauungsfeuer (Agni) des Tieres gesteuert und optimiert. Sind sie, wie im Falle einer Autoimmunerkrankung, gestört, ist Agni der gemeinsame Nenner für eine therapeutische Intervention.

Das Prinzip von Agni

Agni ist die treibende Kraft, die Umwandlung im Organismus. Es ist auf der Ebene der Nahrungsresorption sowie auf Gewebs- und Zellebene aktiv. Das Verdauungsfeuer ist dafür zuständig, in welcher Qualität und Quantität die Nährstoffe aus dem Futter in jeder einzelnen Zelle ankommen.

Agni lässt sich untergliedern in:

Jatharagni (Haupt-Agni)
Zuständig für die Aufnahme und Resorption der Nahrung sowie die Ausscheidung von Stoffen über Urin und Kot. Es wirkt im Bereich von Magen, Leber und Darm. Entsprechend des Gleichgewichts im Körper kann Jatharagni ausgeglichen, zu stark oder zu schwach sein. Geschehen die Verdauungsvorgänge zu schnell, zu langsam oder sehr unregelmäßig, resultiert dies aus einer Funktionsschwäche oder einem -überschuss des Agni. Das Haupt-Agni kann durch leicht verdauliche Futtermittel geschont und durch Kräuter gestärkt werden.

Bhutagni
Hier handelt es sich um das Prinzip der Stoffwechselenergie des Körpers. Es ist für die Umwandlung der resorbierten Nahrungsbestandteile und anderer Stoffwechselprodukte zuständig, damit sie vom Zellstoffwechsel verwertet oder später ausgeschieden werden können. Hauptsitz von Bhutagni, dem „Umwandlungsorgan“, ist die Leber. Gemäß den Fünf Elementen existieren verschiedene Buthagnis.

Dhatvagni
Das Zell- und Gewebe-Agni, das „helle Licht“ am Ende der Wirkkette. Hier findet die Umwandlung der aufgeschlossenen Nährstoffe in die von den Geweben benötigten Substanzen statt. Dieses „Gewebefeuer“ steuert den Zellstoffwechsel innerhalb der Gewebe. Nach ayurvedischer Betrachtung haben alle Gewebe einen eigenen Stoffwechsel mit individuellem Verdauungsprozess, spezifischen Ausscheidungsprodukten und Funktionen. Dhatvagni hat seinen Sitz in jeder Zelle der jeweiligen Gewebe.

Lebensessenz Ojas

Am Ende dieser Stoffwechselkette entsteht Ojas, eine Lebensessenz, die für Kraft und Immunität im Sinne von Selbstheilungskraft steht, ein entscheidender Faktor für unsere Gesundheit. Damit Ojas in optimaler Menge und Qualität gebildet werden kann, muss Agni vorher auf allen Ebenen optimal funktionieren. Jeder Verlust an Stoffwechselenergie macht sich später als verringerte Selbstheilungskraft und Immunität des Tieres bemerkbar.

Entstehung von Ama

Die Rolle von Agni in der Bildung eines gesunden Immunsystems des Tieres lässt darauf schließen, wie wichtig die Fütterung in der Entstehung und auch der Therapie von Autoimmunerkrankungen ist. Wird durch schwerverdauliche Nahrung (z.B. Fleisch schlechter Qualität, Käse, Quark, zu viele ungesunde Snacks) Agni geschwächt und die Zirkulation von Energie im Körper blockiert, entstehen unverdaute Stoffwechselzwischenprodukte, die im Ayurveda als „Ama“ bezeichnet werden. Ama kann bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen auf zwei Arten beteiligt sein: Entweder es wirkt direkt im Sinne eines Antigens, das Antikörperreaktionen auslöst, oder es beeinträchtigt das Immunsystem so stark, dass dieses durch „Irritation“ Autoantigene bildet. Da Ojas und Bala bereits durch das gestörte Agni geschwächt sind, sind diese nicht in der Lage, diesem Prozess entgegenzuwirken.

Pathogenese einer Autoimmunerkrankung

Auf jeder Ebene des Zell- und Gewebestoffwechsels müssen optimale Voraussetzungen für die Bildung von Essenz (Ojas) bestehen. Alle Zellen und Gewebe entstehen aus sich selbst heraus und sind im ständigen Erneuerungsprozess, der durch Agni gesteuert wird. Kommt es zu Störungen, manifestiert sich ebendort die Autoimmunerkrankung. Zunächst zirkuliert Agni im Körper und verändert bzw. beeinflusst das Immunsystem und den Gesamtorganismus. Später blockiert es lokal an bestimmten Orten die Zirkulation der Körperenergien (am Beispiel Rheumatoide Arthritis in den Gelenken) und verändert so die Eigenschaften und Bioprinzipien eines Organsystems. Diese Veränderung wird als Symptom sichtbar (bei Rheumatoider Arthritis Schmerz und Steifigkeit). Die Bioprinzipien werden im Ayurveda als „Doshas“ bezeichnet, wobei jedes Gewebe und Organsystem eine Affinität zu bestimmten Doshas hat. So erklärt die Ayurvedalehre, warum Autoimmunerkrankungen bei Tieren (wie auch beim Menschen) auf unterschiedlichste Weise auftreten können und in solcher Vielzahl vorhanden sind.

Bedeutung der Doshas

Doshas sind Prinzipien, die in der Lage sind, bestimmte Eigenschaften und Funktionen im Körper zu gestalten und zu steuern. Ihre Eigenschaften wirken sich auf das Milieu im Tierkörper aus. Die Fünf Elemente werden mit ihren Eigenschaften den Doshas zugeordnet:

Vata ist das Prinzip der Bewegung und bildet sich aus den Elementen Luft und Raum. Vata vereint die Eigenschaften trocken, kalt, rau, feinstofflich, beweglich, leicht und nicht schleimig. Mit diesen Kennzeichen führt eine lokale Provokation von Vata z.B. zu Schmerzen aller Art, Verlust der Bewegungsfunktion und Versteifung von Gelenken.

Pitta ist das Prinzip der Umwandlung und bildet sich aus den Elementen Feuer und etwas Wasser. Es vereint die Eigenschaften heiß, etwas ölig, penetrierend/spitz, flüssig, sauer, beweglich wie eine Flüssigkeit und scharf. Mit diesen Kennzeichen führt eine lokale Provokation von Pitta z.B. zu Entzündungen, Dermatosen, Hautabsonderungen und Fieber.

Kapha ist das Prinzip des Zusammenhalts und bildet sich aus den Elementen Erde und Wasser. Es vereint die Eigenschaften schwer, kalt, weich, ölig, süß, stabil und schleimig. Damit führt eine lokale Provokation von Kapha z.B. zur Verschleimung der Lunge, Gewebezunahme (z.B. Hepatosplenomegalie) und zu Ödemen.

Ayurvedische Behandlung bei Tieren

Agni ist der Schlüssel zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen. Hier spiegelt es zunächst auch die Mikrobiota wider, deren Gesunderhaltung essenziell für eine nachhaltige Therapie unserer Tiere ist. Aber auch im Vorfeld kann viel präventiv getan werden. Die Gesundheit von Agni bzw. der Mikroorganismen im Körper wird durch viel mehr Faktoren als nur die Ernährung des Tieres geprägt. Seine Stabilität wird auch durch das genetische Erbe der Elterntiere, die Geburt selbst und die Muttermilch (v.a. das Kolostrum) beeinflusst. Zudem erlangen junge Tiere durch eine vielseitige Ernährung eine „orale Toleranz“. Die Haltung ist bedeutend: So beeinflussen z.B. Stress und Medikamente das Agni des Tieres.

Ziel des Ayurveda ist es, durch einen „Reset“ von Agni Ama zu eliminieren, die lokal aggressiven Doshas zu beruhigen, eine intakte Immunität wiederherzustellen sowie alle reversiblen Symptome zu lindern. Es geht also nicht um Immunstärkung, sondern um eine Immunmodulation durch Korrektur der Immunantwort, darum, dem System zu helfen, sich selbst zu regulieren. Durch diesen Reset können wir Bala und Ojas neu aufbauen und eine gesunde Immunität fördern.

Zwei-Schritte-Konzept nach ayurvedischem Grundsatz

Die Therapie von Autoimmunerkrankungen sollte in einer bestimmten Reihenfolge durchgeführt werden:

  • Eliminierung von Ama
  • Immunaufbauphase

Eliminierung von Ama

Ama muss als Hauptursache für die Entstehung der Autoimmunerkrankung ausgeleitet werden. Solange Ama die Energiezirkulation blockiert und die Bioprinzipien verändert, können Heilmittel und Therapien nicht in ihrer eigentlichen Stärke wirken. Im Unterschied zu Toxinen oder Schlacken kann Ama nicht durch Detox ausgeleitet werden. Um manifestiertes Ama zu eliminieren, muss dieses „ausgekocht“ und „ausgetrocknet“ werden. Durch (erhitzende) Kräuter und Bitterstoffe können wir so den Organismus des Tieres vom Ama befreien. Gleichzeitig muss das Agni des Tieres so weit gestärkt werden, dass Ama verstoffwechselt und ausgeschieden werden kann.

Ernährungs-Tipps zur Intensivkur

Während dieser „Intensivkur“ wird auf eine Ama-reduzierende und Agni-stärkende Schonkost des Tieres geachtet. Wichtigster Faktor für die Ernährung bei Tieren mit Autoimmunerkrankungen ist die Vermeidung falscher Futtermittelkombinationen. So dürfen Milchprodukte und Ei nicht in Kombination mit Fleisch, Fisch oder Obst gefüttert werden. Das BARF-Menü mit gutem Wildfleisch und Hüttenkäse oder Hühnerbrust mit Ei fallen daher aus. Wichtig ist auch, die Verdaulichkeit jeder Tiermahlzeit zu optimieren, was sich durch gekochtes Futter schaffen lässt. Rohfütterungen sind während der Intensivkur zu streichen. Am heilsamsten sind Fleisch-Gemüse-Eintöpfe/-Suppen. So wird das, was das Tier isst, optimal verdaut und sein Agni kann sich ganz auf die Aufgabe der Ama-Eliminierung konzentrieren, denn dies kostet Kraft und Energie. Durch zusätzliche Darmreinigungstherapien im Anschluss kann dieser Effekt verstärkt werden.

„No Go‘s“ während der Ama-Ausleitung

  • Glutenhaltiges Getreide
  • Milchprodukte
  • Rohes Fleisch und Fleisch niedriger Qualität
  • Nachtschattengewächse
  • Konservierungs- und Zusatzstoffe

Immunaufbauphase

Die zweite Phase ist die Nachbehandlungsphase. Nun gilt es für den Tierbesitzer, alles richtig zu machen, um dem Organismus des Tieres zu helfen, in seiner Kraft zu bleiben, damit es sich selbst regulieren kann. Die Selbstheilungskräfte müssen gestärkt, das Immunsystem unterstützt
werden, damit es sich wieder „richtig sortieren“ kann. Im ayurvedischen Fachjargon heißt das: Ojas und Bala aufbauen durch Rasayanas. Welches Rasayana sich im jeweiligen Fall am besten eignet, ist von der Art und Form der Erkrankung, natürlich auch vom Tier selbst abhängig. Der beste Trägerstoff für Rasayanas bei Autoimmunerkrankungen von Hund und Katze ist Ghee, das nicht nur Agni, sondern auch Bala und Ojas stärkt. Auch durch die Ernährung können wir bestmöglich unterstützen.

Empfehlungen zur Stärkung von Ojas und Bala

  • Viel warmes Trinkwasser anbieten
  • Waldhonig
  • Ghee
  • Gerste
  • Mungbohne
  • Roter Reis
  • Rasayanas (Amla-Frucht, Guducci oder Ashvaganda), auch hiesige Kräuter (Schafgarbe, Thymian, Hagebutte)

Innere Therapie durch das Prinzip der Gegensätze

Gleichzeitig können wir mit der inneren Therapie zur Linderung der durch die Autoimmunreaktion ausgelösten Symptome beginnen. Jedes Tier ist individuell, jede Autoimmunerkrankung manifestiert sich unterschiedlich. Aufgabe des Ayurveda-Tiertherapeuten oder -Tierheilpraktikers ist es, die richtigen Phytotherapeutika und Futtermittel auszuwählen, um das provozierte Dosha an der richtigen Stelle auszugleichen. Hier arbeitet Ayurveda nach dem Prinzip: Gegensätze gleichen sich aus. Die Eigenschaften, die das Leid verursacht haben, werden durch ihnen gegensätzliche Mittel ausgeglichen. Ziel ist, nicht nur das Dosha zu balancieren, sondern auch den betroffenen Gewebestoffwechsel zu stärken, denn seine Schwäche hat die lokale Dosha-Störung erst möglich gemacht. So wird z.B. bei Autoimmunerkrankungen, die sich in der Haut manifestieren, mit blutreinigenden, kühlenden und hauttherapeutischen Pflanzen gearbeitet.

Fazit

Ayurveda arbeitet stets individuell und ganzheitlich und kann mit seiner jahrhundertelangen Erfahrung ein Therapiekonzept für Tiere mit Autoimmunerkrankungen (oft auch begleitend zur Schulmedizin) darstellen. So schleiche ich z.B. Immunsuppressiva oder andere veterinärmedizinische Medikamente nur nach Symptomrückgang und in Absprache mit dem Tierarzt aus. Ayurveda kann sehr gut ergänzend zu anderen Naturheilverfahren eingesetzt werden und bei Autoimmunerkrankungen eine wertvolle Unterstützung für das Tier und seine Gesundheit sein.

Buch-Tipp
Theresa Rosenberg
Ayurveda für Tiere Ernährung, Massagen, Hausapotheke für Hund, Katze und Pferd
Königsfurt-Urania Verlag

Theresa Rosenberg
Heilpraktikerin mit Schwerpunkt Ayurveda, Ernährungsberaterin für Hunde und Katzen, Autorin theresa@rosenbergs.eu

Foto: © dianabartl / adobe.stock.com

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