Heilpflanze des Jahres 2023: Weinrebe
Ein wahrer Schatz der Natur
Die Inhaltsstoffe der Weinrebe, u.a. Oligomere Proanthocyanidine (OPC), Anthocyane und andere Flavonoide, und die Tatsache, dass fast alle Teile der Pflanze vielseitig genutzt werden können, machen die Weinrebe nicht nur zu einer sehr bedeutsamen Medizinalpflanze; auch kulinarisch ist sie ein echter Gewinn. In diesem Artikel werden Wirkungsweisen und Inhaltsstoffe vorgestellt, ihre vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten gewürdigt und Tipps zur Verwendung dieser uralten Kulturpflanze gegeben.
Allgemeines
Die Echte oder Edle Weinrebe (Vitis vinifera spp.) gehört in der Familie der Weinrebengewächse (Vitaceae) zur Gattung der Weinreben (Vitis). Sie wird seit über 5000 Jahren angebaut und zählt zu den ältesten Kulturpflanzen der Welt. Verwendung fand die Wildpflanze bereits in der Steinzeit. Auch der Jahrtausende alte Gebrauch als Heil- und Ritualnahrung ist bekannt.
Die Weinrebe liebt nährstoffreiche, tiefgründige Kalkböden und volle Sonne, wobei sie vorwiegend auf meist trockenem oder mäßig feuchtem Boden in der Ebene oder im Hügelland wächst. Besonders wohl fühlt sie sich im Mittelmeergebiet, in Mittelfrankreich, der südwestlichen Schweiz, Südafrika, den Flussgebieten von Donau und Neckar, in Kleinasien und dem südlichen Russland. Die Blütezeit findet von Mai bis Ende Juni statt, die Ernte der Früchte wird im Herbst eingeholt.
Breites Wirkstoffspektrum
Genutzt werden Früchte und deren Kerne wie auch die Blätter des Weinstocks. Hierdurch bietet die Pflanze eine große Palette an ernährungsphysiologisch und medizinisch relevanten Inhaltsstoffen. (Tab. 1)
Perspektive der Europäischen Medizin
Die Bestandteile der Weinrebe können sowohl innerlich als auch äußerlich angewandt werden. Aus Sicht der Traditionellen Europäischen Medizin besitzen sie neben einem Bezug zu den Blutgefäßen auch stoffwechselfördernde Effekte. (Tab. 2)
Die Weinrebe in der Chinesischen Medizin
Hinsichtlich des Geschmacks empfinden wir die Früchte als süß-sauer, weshalb sie in der Systematik der Traditionellen Chinesischen Medizin den Elementen Holz und Erde zugeordnet werden. Ihre thermische Wirkung ist leicht kühlend bis leicht wärmend (neutral). Der Organbezug liegt bei Lunge, Milz, Niere und Leber.
Wirkung:
- Tonisierung von Nieren, Leber und Qi
- Hervorbringung von Säften
- Stärkung von Muskeln, Knochen und Sehnen
- Beeinflussung des Chi (Weiße Trauben)
- Nährung und Bewegung des Blutes (Rote Trauben)
- auf- und absteigende Wirkrichtung
- Förderung des Blutaufbaus
Rotes Weinlaub
Medizinische Verwendung finden die Laubblätter der Färberrebe (Vitis viniferae folium rubrum), auch Rotes Weinlaub oder Weinblätter genannt. Sie haben ihren Hauptbezug zu Venen und Kreislauf. Neben gefäßstabilisierenden und venenstärkenden Wirkungen werden dem Weinlaub immunmodulierende, entzündungshemmende, fiebersenkende und schmerzlindernde Effekte zugeschrieben.
Anwendungsgebiete
Bezüglich seiner Verwendungsmöglichkeiten ist die allgemeine Unterstützung der Venenfunktion hervorzuheben. Weinlaub kann dazu beitragen, Venenentzündungen, Schmerzen und Schwellungen in den Beinen zu lindern sowie die Abdichtung von Gefäßwänden zu fördern. Der unterstützende Effekt bei Chronisch-venöser Insuffizienz und ihrer Begleiterscheinungen ist wissenschaftlich belegt (ausschließlich bezogen auf die Anwendung von Präparaten mit Weinlaub-Extrakten).
Traditionell wird Weinlaub verwendet bei:
- aufgesprungenen Händen und Füßen
- Blutungen
- Cellulite
- Durchblutungsstörungen
- eiternden Wunden
- Ekzemen
- Erbrechen
- Geschwüren
- Gicht
- Hautunreinheiten
- Krampfadern
- Rheuma
Für die pharmazeutische Nutzung kommen Auszüge der getrockneten Laubblätter der Roten Weinrebe (Extrakt) zum Einsatz. Sie sind in Fertigpräparaten zum Einnehmen und Cremes gegen müde und geschwollene Beine verarbeitet, erhältlich in Handel und Apotheke.
Man kann jedoch auch selbst aktiv werden und das Weinlaub verarbeiten:
Ein Pflanzenbrei aus zerkleinerten Blättern kann als Kompresse oder für Umschläge genutzt werden.
In Wein gekochte Weinblätter können als Heilwein zur Einreibung mit dem Ziel der Durchblutungsförderung verwendet werden. Für eine Krampfadern-Einreibung geben Sie vier Handvoll Rote Weinblätter in ein großes Schraubglas und füllen dies mit 500 ml hochprozentigem Schnaps und 250 ml Kampfergeist (Apotheke) auf. Lassen Sie die Mischung über acht Wochen an einem warmen Platz stehen. Anschließend können Sie diese in kleine Fläschchen abfüllen und betroffene Stellen damit einreiben.
Unterstützend kann auch ein Tee aus Weinblättern wirken. Nehmen Sie dazu 3 TL getrocknetes Weinlaub, bringen Sie 250 ml kaltes Wasser zum Kochen und lassen Sie es einige Minuten köcheln. 2-3 Tassen pro Tag sind ausreichend. Zu den möglichen Nebenwirkungen des Weinblätter-Tees können Hautreizungen, Kopfschmerzen, Magen- und Darmbeschwerden sowie Übelkeit zählen. Bei Herz- und Nierenschwäche sollte vor dem Verzehr des Tees mit einem Arzt oder Heilpraktiker Rücksprache gehalten werden.
Inhaltsstoffe der Roten Weinblätter
Weinblätter ähneln dem Blattgemüse. Die Vitamine E und K, Folsäure, Magnesium, Kalzium sowie reichlich Ballaststoffe gehören zu ihren wesentlichen Inhaltsstoffen und machen sie zu einem wertvollen Lebensmittel. Medizinisch gesehen sind v.a. Oligomere Proanthocyanidine (OPC), Anthocyane und weitere Flavonoide als Inhaltsstoffe interessant. OPC und Anthocyane zeichnen sich durch ihre entzündungshemmenden und antioxidativen Eigenschaften aus, wodurch sie den Folgen von Stress entgegenwirken. OPC hemmen zudem Enzyme, die die kleinsten Blutgefäße brüchig machen, und erhöhen dadurch die Elastizität der Venen. (Tab. 3)
Weinblätter in der Kulinarik
In deutschsprachigen Landesküchen sind Weinblätter als Genussmittel kaum bekannt. In
Mittelmeerländern, z.B.
Türkei, Griechenland und Zypern, sowie im Orient sind sie hingegen ein viel verwendetes Nahrungsmittel. So können die
ausgewachsenen Weinblätter in einer Salz- oder Essigmarinade haltbar gemacht und für die Herstellung von z.B. Rouladen
verwendet werden. Ein Beispiel dafür wäre Dolma, eine Spezialität der mediterranen Küche. Aus den getrockneten
Triebspitzen und fein gemahlenen Blättern lässt sich außerdem vollwertiges Grünmehl herstellen, das den
Nährstoffgehalt anderer Mehle aufwertet.
Weintrauben als Kur- und Heilmittel
Trauben stellen vieles, was der Körper braucht, in optimaler Zusammensetzung zur Verfügung – nicht zuletzt viel Wasser. Frisch gegessen, als Rohsaft oder Most gepresst, sind sie ausgezeichnete Entgiftungshelfer. Viele Menschen kennen Entlastungs- und Entgiftungstage mit Weintrauben im Herbst. Für eine solche Weintraubenkur isst man über eine Woche lang täglich ca. 500 g Trauben zusätzlich zu einer reduzierten Normalkost. Möglich ist auch eine reine Traubenkur mit bis zu 2kg täglich ohne weitere Nahrung außer reichlich Wasser oder Tee. Wichtig ist, dass ausschließlich ungespritzte Trauben oder solche aus biologischem Anbau verwendet werden.
Eine Traubenkur regt Stoffwechsel und Nierentätigkeit an. Sie kann außerdem dabei unterstützen, die Aktivität des Magen-Darm-Traktes zu normalisieren und den Säure-Basen-Haushalt ins Gleichgewicht zu bringen. Dabei können Harnsäurewerte verringert und Gelenkbeschwerden verbessert werden. Außerdem kann die Anwendung Galle und Leber stärken und sich positiv auf die Abwehrkräfte auswirken. Sogar die Widerstandskraft der Haut gegen äußere Einflüsse kann positiv beeinflusst werden.
Aufgrund des hohen Zuckergehalts sollten Diabetiker zwar ihren Blutzuckerspiegel im Auge behalten, dem Genuss von Weintrauben steht jedoch allgemein erst einmal nichts im Weg.
Für eine äußerliche Anwendung von Weintrauben bei Cellulite (Wickel) zerkleinert man ca. 250 g Trauben und mixt diese mit einem Becher Joghurt und 2 Tassen Heilerde sowie 2 EL kalt gepresstem Traubenkern- oder Olivenöl. Diese Mischung wird auf die gewünschte Stelle aufgetragen und mit Frischhaltefolie oder einem Baumwolltuch umwickelt, sodass sie einwirken kann.
Traubenkerne Traubenkerne wirken antimikrobiell, entzündungshemmend und immunstärkend. Zudem unterstützt das enthaltene Vitamin K die Festigkeit der Knochen. Studien belegen, dass die Kerne zu einer Verbesserung des Gesamtcholesterinspiegels führen. Auch ihre gefäßschützenden Eigenschaften (blutdrucksenkend, gefäßerweiternd) machen Traubenkerne zum wertvollen Lebensmittel.
Traubenkernöl sollte nicht auf leeren Magen oder zusammen mit säurehaltigem Obst oder Obstsäften, sondern nur mit Wasser eingenommen werden. Aufgrund seiner blutverdünnenden Wirkung ist bei der Einnahme ohnehin Vorsicht geboten, v.a. während Schwangerschaft und Stillzeit.
Inhaltsstoffe
Zu den zentralen Inhaltsstoffen der Traubenkerne zählen OPC, Catechine und Epicatechine. Alle entfalten im Körper antioxidative Effekte. OPC wirkt als starkes Antioxidans kraftvoller als die Vitamine C und E. Es kann zu einem Anstieg des HDL-Cholesterins führen. Der hohe OPC-Gehalt von Rotwein beruht im Übrigen auf dem langen Reifungsprozess der Maische, die die OPC-haltigen Traubenkerne und -schalen enthält. (Tab. 4)
Traubenkernöl in der Naturkosmetik
Öl-, Linol- und mehrfach ungesättigte Fettsäuren (darunter Gamma-Linolensäure), die Vitamine E und K, Proanthocyanidin und Lecithin machen Traubenkernöl zu einem ausgezeichneten kosmetischen Produkt, das schnell einzieht und eine zarte Haut fördert. Seine stark antioxidative Wirkung ist besonders erwähnenswert. Traubenkernöl kann sowohl die Wundheilung kleinerer Verletzungen unterstützen wie auch als pflegendes Produkt spröde Haut glätten. Ein guter Grund, um Traubenkernöl als Basis für viele Kosmetikprodukte zu verwenden.
Sehr trockene Haut profitiert von wohltuenden Hand- oder Gesichtsmasken. Hierfür vermengen Sie 1 EL Traubenkernöl mit 2 EL Joghurt, tragen die Paste auf die beanspruchte Haut auf und lassen sie ca. 15 Minuten einwirken. Danach können Sie die Maske mit lauwarmem Wasser abspülen. Die Haut erscheint danach straffer und fühlt sich angenehm weich an.
Ein pflegendes Anti-Cellulite-Peeling entsteht, wenn Sie groben braunen Zucker mit Traubenkernöl im Verhältnis 1:1 gut verrühren, anschließend mit großen kreisenden Bewegungen in die Haut einmassieren und danach mit Wasser abspülen.
Anwendung weiterer Pflanzenteile
Knospen, Ranken und junge Blätter haben einen angenehmen, milden und etwas säuerlichen Geschmack. Als hochwertige Vitaminquelle können sie roh oder getrocknet in Salaten, Aufstrichen, Smoothies oder Tees verwendet werden. Die Blüten mit ihrem zarten Duft verfeinern Wildsalate und finden zur Aromatisierung von Desserts Verwendung.
Fazit
Eine Pflanze, die schon seit mehreren Tausend Jahren kultiviert wird und bis heute vielseitige Verwendung auch in der Medizin findet, für einzelne Anwendungsgebiete wissenschaftlich bestätigt, hat die Auszeichnung zur Heilpflanze des Jahres mehr als verdient. Früchte, Kerne und Blätter mit ihren wertvollen Wirkstoffen bereichern die Heilkunde ungemein. Leider wird die Weinrebe heute in der allgemeinen Wahrnehmung auf kulinarischen Genuss reduziert. Es ist an der Zeit, dass sie als das gewürdigt wird, was sie ist: ein wahrer Schatz der Natur.
Literatur
- Hirsch, S., Grünberger, F.: Die Kräuter in meinem Garten. Freya Verlag, 2015
- Nedoma, G.: Knospen und die lebendigen Kräfte der Bäume. Freya Verlag, 2016
Elisabeth
Schuster
Akademische Kinesiologin, Brain Gym® und Touch for Health Instructor, Vorstandsmitglied des
Österreichischen Berufsverbandes für Kinesiologie
info@kinesiologie-elisabethschuster.at
Fotos: © Rostislav Sedlacek / adobe.stock.com, © Tatyana Sidyukova / adobe.stock.com
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