Anmelden als
Psychotherapie
Lesezeit: 5 Minuten

Fallstudie aus der Coaching Praxis

Sokratische Gesprächsführung bei Verlust von Lebensfreude

Beim explikativen Sokratischen Dialog geht es um die Frage, welche persönliche Bedeutung der Einzelne mit seinem Therapieziel verbindet. Das folgende Praxisbeispiel stellt v. a. den Wert der genauen Gesprächsführung heraus. 

 

Patient

Ein 48-jähriger, im Außendienst tätiger Patient (verheiratet, zwei Kinder) stellt sich aufgrund von Verlust der Lebensfreude, Rückzugstendenzen, Schlafstörungen, Ängsten und Schwächegefühlen vor. Er stehe morgens auf, um seine Arbeit zu erledigen – doch was dann? Er weiß nicht weiter und möchte wieder Zufriedenheit im Leben spüren. 

 

Verlauf

Definitionsversuch durch den Patienten 

Ich bitte den Patienten, für sich herauszufinden, was genau er unter dem Wort „Zufriedenheit“ versteht. Er definiert es so: „Zufriedenheit ist, was eine innere Ruhe in mir auslöst“. 

Konkretisieren und Alltagsbezug zum Thema  

Ich lasse mir daraufhin die Hintergründe zum Thema näher erklären und decke erste Widersprüche auf. 

 

Therapeut: Wenn Sie diese innere Ruhe nicht empfinden, dann sind Sie unzufrieden? 

Patient: Kann man so sagen. 

 

T: Um zufrieden zu sein, müssen Sie eine innere Ruhe empfinden. Habe ich das richtig verstanden? 

P: Ja, das stimmt. 

T: Umgekehrt: Um innerliche Ruhe zu finden, braucht es Zufriedenheit? 

P: Da drehe ich mich wohl im Kreis. Merke gerade, dass es nicht so einfach ist, die Frage zu beantworten. 

Prüfung und Eruierung von Begründungen Ich lenke das Gespräch so, um weiter zu prüfen und Begründungen herauszufinden. Nach der ersten Verwirrung zur Definition leite ich einen Perspektivwechsel ein. 

T: Wer oder was trägt zu Ihrer Lebenszufriedenheit bei? 

P: Mal überlegen. Meine Familie natürlich. T: Und wie trägt sie dazu bei? 

P: Wenn alles harmonisch abläuft. 

T: Harmonisch. Was meinen Sie damit? 

P: Gute Frage. Ich merke, dass ich mich wieder im Kreis drehe. 

T: Lassen Sie uns mal weitersehen: Wer oder was trägt noch dazu bei? 

P: Meine Arbeit, wenn da alles funktioniert. T: Was heißt funktionieren? 

P: Naja, ob alles glatt läuft oder es Probleme gibt. 

T: Wenn auf der Arbeit alles glatt läuft, sind Sie dann zufrieden? 

P: Ja, schon. 

T: Und die Familie? Falls es dort nicht so harmonisch verläuft, was ist dann? 

P: Hm, beides zusammen müsste schon passen. 

T: Verstehe. Wenn es in der Familie harmonisch zugeht, jedoch bei der Arbeit Probleme auftreten, wie ist es dann mit der Zufriedenheit? 

P: Nein, das passt nicht. 

T: Gibt es noch etwas, was zu ihrer Zufriedenheit beitragen müsste? 

P: Meine Gesundheit. 

T: Verstehe ich das richtig, dass Sie bei Erkrankung unzufrieden sind? 

P: Kommt auf die Erkrankung an. Ein Schnupfen ist etwas anderes als die Rückenschmerzen vor ein paar Monaten. Die waren heftig. 

T: Ich fasse mal zusammen: Ihre Zufriedenheit hängt davon ab, ob es in Ihrer Familie harmonisch abläuft, dass es bei der Arbeit keine Probleme gibt und Sie gesund sind. Stimmt das so? 

P: Hört sich nach vielen Wenn und Aber an. Irgendwie schon. 

Eine erste Verunsicherung wird spürbar. Wir prüfen weiter. 

T: Wodurch entsteht Harmonie? 

P: Dass keiner dem anderen etwas krummnimmt. 

T: Wovon hängt dies ab? P: Na, von beiden. 

T: Und wovon hängt es ab, dass es in der Arbeit läuft? 

P: Wie die Kunden reagieren, dass ich alles richtig mache und die Prozesse richtlinienkonform laufen. 

T: Wie sieht es mit der Gesundheit aus. Wovon hängt die ab? 

P: Gesundheit? Von der Ernährung, Bewegung oder Erholung. 

T: Gut, fassen wir das mal zusammen. Könnten Sie jetzt eine Definition für sich finden? Zufriedenheit ist, wenn … 

P: Wenn es in der Familie harmonisch läuft, es auf der Arbeit ohne Probleme zugeht und ich gesund bin. 

Definitionsprüfung 

Erneut versuche ich, Widersprüche im Dialog aufzudecken. 

T: Das verstehe ich noch nicht ganz. Alles muss eintreten, damit Sie zufrieden sind? 

P: Ja, irgendwie schon.  

T: Wieso? 

P: Naja, ich glaube es zumindest. 

T: Mal sehen: Das eine hängt vom anderen ab, ob sie sich zufrieden fühlen? 

P: Abhängen? Das hört sich nach mächtig viel an. Ich merke gerade, dass da viel zusammenkommen muss, damit ich wieder zufriedener bin. 

T: Wovon hängt es noch ab? Ich meine, wer nimmt noch Einfluss darauf? 

P: Wie meinen Sie das? 

T: Bei der Arbeit. Sie sagten, wie die Kunden sich verhalten und dass die Prozesse konform verlaufen. 

P: Von anderen halt. Von Kunden, Kollegen und auch den Zulieferern. 

T: Heißt? 

P: Dass da andere mitmischen bei meiner Zufriedenheit. 

T: Wenn das stimmt, was sagt das über die Bewertung zur Zufriedenheit für Sie aus? 

P: Dilemma. Da mache ich mich von anderen wohl abhängig, wie es mir geht. 

Ergebnis 

Die gefundene Wahrheit soll nun verdeutlicht werden. Da der Prozess noch nicht abgeschlossen ist, wird dieser in der nächsten Stunde fortgeführt: 

T: Heißt? 

P: Dass ich meine Zufriedenheit nicht von anderen oder äußern Umständen abhängig machen sollte. 

T: Klingt vernünftig. Und was bedeutet das nun für Sie? 

P: Dass meine Zufriedenheit und wovon sie abhängt mir bisher nicht ganz klar war. Darüber sollte ich mir Gedanken machen. 

T: Würden Sie das als Hausaufgabe für die nächste Stunde mitnehmen? 

P: Okay. 

T: Gut. Dann machen wir damit beim nächsten Mal weiter. 

Seminar-Tipp 

Kognitive Verhaltenstherapie Dozent: HP Psy Michael Marciniak Start Ort 

Alle Termine und Informationen auf 

www.paracelsus.de 

 

Ausblick

In der nächsten Sitzung kann sich der Klient von seiner bisherigen Definition lösen. Zur Verdeutlichung wird ein Zusatzdialog angeschlossen („Was kann ich kontrollieren bei mir und bei anderen?“). Mit der gewonnenen Ver- änderungsmotivation wird an den irrationalen Bewertungen von Situationen (ABC-Analyse) gearbeitet. Der Patient kann nach einigen Situationsanalysen selbstständig seine Bewertungen erkennen und benennen und sich mit seinen inneren Anteilen auseinandersetzen. Dies führt nachhaltig zu einer Verbesserung im Umgang mit externen Einflüssen und zu mehr Zufriedenheit. 

 

Fazit

Der Dialog stellt ein zentrales Werkzeug dar, um Patienten zu helfen, ihre Gedanken zu analysieren und zu hinterfragen, somit irrationale Konstrukte zu erkennen und diese ggf. zu verändern. Dies fördert die Selbstreflexion und stärkt Problemlösungskompetenz sowie Selbstwirksamkeit. 


 

Michael Marciniak

Heilpraktiker für Psychotherapie, gepr. Psychologischer Berater (VFP), atmosphärischer Gesprächstrainer, Entspannungspädagoge, Resilienz- und Mentaltrainer, Dozent der Paracelsus Gesundheitsakademien

Weitere Artikel aus dieser Ausgabe

  1. 1
    NFP bei Zyklusstörungen

    Zyklusstörungen ganzheitlich betrachtet

    Naturheilkunde
  2. 2
    Herz unter Druck

    Zur Zeit von Paracelsus galt das Herz noch als der Sitz der Seele. Auch in unserer heutigen Zeit spricht der Volksmund von der „Verbundenheit des Herzens“ mit unseren Seelenzuständen. Dies lässt erahnen, dass eine Erkrankung des Herzens nie nur ein Defekt eines zentralen Organs ist. Aus den vielen Erscheinungen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sticht in diesem Sinne v. a. die arterielle Hypertonie hervor, der in der Naturheilpraxis bereits frühzeitig präventiv und später schulmedizinisch begleitend begegnet werden kann

    Naturheilkunde
  3. 3
    Ängsten den Schrecken nehmen

    Angst sicherte unser Überleben als Spezies, sie begleitet uns somit seit Bestehen der Menschheit. Aus Angst zu verhungern oder zu erfrieren, sorgten wir für ausreichend Nahrung und Unterschlupf. Um unserer Angst vor Raubtieren und Feinden zu begegnen, verteidigten wir uns oder flohen. Die automatisch ablaufenden Angstreaktionen des Nervensystems haben sich über viele Jahrtausende in unser Sein eingeschrieben.

    Psychotherapie
  4. 4
    Hufrehe beim Pferd

    Schleichende Vergiftung beim Pferd – Hufrehe als Folge falscher Fütterung

    Tierheilkunde
  5. 5
    Osteopathie ist angekommen

    Von wegen alternativ – Osteopathie verbindet Schulmedizin und empirische Heilkunst

    Osteopathie
  6. 6
    Chronobiologische Ernährung – Teil 1

    Wussten Sie, dass wir mithilfe einer chronobiologischen Ernährung und der Epigenetik die Möglichkeit haben, die Macht der inneren Uhr optimal zu nutzen und selbst die Genaktivität zu regulieren?

    Naturheilkunde
  7. 7
    Hyperakusis

    Die Geräuschüberempfindlichkeit (Hyperakusis) ist eine Intoleranz gegenüber Umgebungsgeräuschen. Davon abzugrenzen sind die Misophonie als Hass auf bestimmte Geräusche und die Phonophobie als Angst vor bestimmten Geräuschen.

    Psychotherapie
  8. 8
    Aktuelles aus dem VFP

    Der VFP bietet monatlich kostenfreie Webinare zur Abrechnung an und unterstützt Mitglieder bei finanziellen Fragen. Ein neues Finanzierungsmodell macht Therapien für mehr Menschen zugänglich.

    Psychotherapie
  9. 9
    Körperübung

    Die Fußstellung bestimmt im Sinne eines Domino-Effekts die Haltung des übrigen Körpers. Knicken wir z. B. mit den Fußinnenseiten nach innen ein, kippen auch die Knie nach innen, was wiederum Auswirkungen auf die Stellung der Hüftgelenke und des Beckens als Basis der Wirbelsäule hat.

    Naturheilkunde
  10. 10
    Neue Paracelsus-Fachausbildung COMBINOLOGY®

    Um was es geht, ist schnell erklärt: Evolutionsbasierte Kombinationstherapie. In anderen Worten: eine möglichst ideale Kombination verschiedener Disziplinen, um Gesundheit zu erhalten oder wiederherzustellen.

    Naturheilkunde
  11. 11
    Hilfe für Menschen in Not

    Im Herbst 2018 hat unser gemeinnütziger Verein „Naturheilpraxis ohne Grenzen e.V.“ seine erste gleichnamige Praxis in Essen eröffnet. Die Idee dahinter: Heilpraktiker und ganzheitliche Therapeuten bieten ehrenamtlich naturheilkundlich-medizinische Hilfe und psychologische Beratung für Menschen in Armut und sozialer Ausgrenzung an.

    Naturheilkunde
  12. 12
    Aktuelles aus dem VUH e.V.

    Weihnachts-Spendenaktion des VUH für Naturheilpraxis ohne Grenzen e.V.

  13. 13
    Fallstudie aus der naturheilkundlichen Praxis

    Der 45-jährige Patient kommt mit der Diagnose Diabetes mellitus Typ 2 in meine Praxis. Er möchte wissen, ob er diese Erkrankung homöopathisch begleiten und ich ihm bei der notwendigen Lebensstiländerung helfen kann.

    Naturheilkunde
  14. 15
    Fallstudie aus der Tierheilkundlichen Praxis

    Vorgestellt wird das Graupapageien-Pärchen Fritzi und Karl, beide 8 Jahre alt. Die Besitzerin wünscht sich eine begleitende Behandlung ihrer an Aspergillose erkrankten und in ihrer Vitalität stark beeinträchtigten Vögel.

    Tierheilkunde
  15. 16
    Unsere Heilpflanze

    Bärlauch . Allium ursinum

    Naturheilkunde
  16. 17
    Beauty-Tipp

    Winterzeit ist Wellnesszeit

    Beauty und Wellness
  17. 18
    Glosse

    Fuß aufs Herz – die Wahrheit über Einlegesohlen

    Naturheilkunde
  18. 19
    Paracelsus Gesundheitsakademien

    Neue Studienleitungen