Hufrehe beim Pferd
Schleichende Vergiftung beim Pferd
Hufrehe als Folge falscher Fütterung
Die Anzahl an Hufrehe-Fällen hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Man kann dieses Krankheitsbild auch als „Wohlstandsleiden“ bezeichnen. Es tritt v. a. bei Robustpferden auf; hierzu zählen Isländer, Shetland- und Welsh- Ponys, Fjordpferde, Haflinger, Connemara sowie Kaltblut-Pferderassen (u. a. Shire-Horses, Percheron). Diese stammen ursprünglich aus kargen Lebensräumen mit rauem Klima. Aufgrund des dort vorherrschenden geringen Nahrungsangebots ist der Organismus dieser leichtfuttrigen oder stoffwechselträ- gen Pferde auf lange Pausen zwischen den Futteraufnahmen programmiert und genetisch darauf ausgerichtet, das Maximum an Nährstoffen aus dem Futter herauszuholen. Die Praxis zeigt, dass die Ursachen in den meisten Fällen von Hufrehe im Stoffwechsel zu finden sind. Nach Akutmaßnahmen muss an langfristigen Lösungen gearbeitet werden. In diesem Artikel erörtere ich diese Thematik entlang eines typischen Praxisfalls.
Fallstudie
Mich ruft eine Pferdebesitzerin an, deren 8-jährige Haflinger-Stute bereits das zweite Mal mit Hufrehe zu kämpfen hat. Sie beschreibt die Symptome und berichtet, dass ihr Pferd zunächst einen verhaltenen Gang gezeigt habe und schließlich gar nicht mehr gelaufen sei. Die Frau erklärt, dass sie gerade beim Anweiden sei. Da sie sehr vorsichtig vorgehe, könne sie sich nicht erklären, warum das schon wieder passieren konnte.
Als mir die Stute vor Ort vorgestellt wird, sind die Anzeichen eindeutig: extreme Wärme und erhöhte Pulsation der Zehenarterien an den betroffenen Vorderhufen, eine leicht nach hinten gerichtete (sägebockartige) Körperhaltung, um die Vorhand zu entlasten, ständiges abwechselndes Anheben der Hufe, klammer Gang beim Laufen. Schließlich zeigt die Stute beim Abtasten der Hufsohle mit der Hufzange eine deutliche Schmerzempfindlichkeit.
Das Pferd ist nicht beschlagen, da es normalerweise sehr gut barhufig läuft. Allerdings hat es in den letzten 18 Monaten immer wieder Probleme mit brüchigem Horn gehabt, war fühliger als sonst und litt an einem Hufabszess.
Ich erkläre der Besitzerin, dass einer Futterrehe immer eine Stoffwechselproblematik und eine Überlastung der Leber zugrundeliegen, was durch die Beschreibung der Hufsituation bestätigt würde. Daher seien neben Akutmaßnahmen auch langfristig angelegte Therapiestrategien notwendig.
Ich bespreche mit ihr die nötigen Schritte für die akute Phase:
Box extra hoch einstreuen
Ich empfehle der Besitzerin, den Unterstand bzw. die Box mit einer extra hohen Lage Einstreu zu versehen, damit die Stute weich steht und ihre Hufe entlastend positionieren kann.
Hufe wässern
Wir wickeln die Hufe (ähnlich einem Angussverband) nass ein. Das nimmt den Druck, da das Horn weicher wird.
Achtung: Bitte kein kaltes Wasser aus der Leitung verwenden! Wenn sich der Wickel wieder erwärmt, weiten sich die Gefäße, das ist sehr schmerzhaft für das Pferd.
Aufgrund einer etwaigen Hufbeinsenkung ist Vorsicht geboten. Notfalls sollten nur die Hufwände umwickelt werden (Wasser, Handtücher, Plastiktüte, Alu-Tape).
Stoffwechselaktivierung
Um den Leber- und Nierenstoffwechsel anzuregen, bekommt das Pferd ab sofort über 14 Tage 3x täglich das homöopathische Arzneimittel Flor de Piedra als Globuli verabreicht.
Einsatz von Blutegeln
Im vorliegenden Fall halte ich die Anwendung von medizinischen Blutegeln für sehr sinnvoll. Diese kommen bereits am nächsten Tag zum Einsatz und bringen der Stute Entlastung. (Achtung: Diese Maßnahme ist nur bei unmittelbarer Lieferung der Tiere vertretbar.) Ich setze pro Huf 3-4 Egel verteilt um den vorderen Bereich des Kronrandes an. Die Tiere sorgen direkt vor Ort aufgrund der in ihrem Speichel enthaltenen Wirkstoffe (u. a. Hirudin) für Stoffwechselaktivierung, Schmerzstillung und den Abtransport von Blut bzw. Flüssigkeit. Schon kurz darauf ist an der Körperhaltung der Haflinger-Stute zu erkennen, dass sie eine deutliche Erleichterung verspürt. Auch ihre schmerzbedingte Unruhe hat nachgelassen.
Die Besitzerin erhält ebenso Empfehlungen für die Fütterung, die sie ab sofort umsetzen soll:
Kein Gras mehr
Junges Gras im Frühjahr ist ohne Struktur, fa- serlos, kohlenhydratreich und hat einen zu hohen Wassergehalt. Die kurzen Halme sind bereits mit den Nährstoffen für den ganzen Halm ausgestattet und somit Nährstoffbomben (zu viel des Guten). Wird es vermehrt gefressen, kommt es sehr schnell zu einer Störung der Darmflora im Dickdarm, dem Verdauungszentrum des Pferdes. Hier wandeln ansässige Mikroorganismen das Pflanzenmaterial und die darin enthaltene Zellulose um. Bei strukturloser, kohlenhydratreicher Kost kommt es zu einer Verschiebung des Gleichgewichts: Kohlenhydratspaltende Bakterien vermehren sich ungehemmt und setzen enorme Mengen von Milchsäure frei, faserverdauende Bakterien sterben reihenweise ab. Neben einer Über- säuerung entstehen im Darm Endotoxine (u. a. Zerfallsprodukte der toten Bakterien), die über die Darmwand in den Blutkreislauf gelangen und dort unter Bildung von Mikrothromben eine Immunreaktion auslösen, was v. a. im Bereich der Hufe dramatische Folgen mit sich bringt. Das Symptombild einer Futterrehe entsteht. Ist der Stoffwechsel bereits überlastet und kann seinen Ausleitungsaufgaben nicht (mehr) nachkommen, nimmt dieser Prozess noch schneller Fahrt auf.
Im Huf kommt es schließlich zu einer aseptischen Entzündungsreaktion und erheblichen Durchblutungsstörungen in den Kapillaren der Huflederhaut mit schwerer Schädigung dieser kleinsten Blutgefäße, dem Übertritt von Blutbestandteilen in das Gewebe und in der Folge zu Ödemen. Dieser raumgreifende Prozess im Gewebe der Huflederhaut zwischen Hufbein und Hufhorn ist extrem schmerzhaft, da Letzteres nicht nachgibt.
Weniger Heu, mehr Stroh
Die Heuration sollte langsam verringert werden, da sonst die vorhandenen Fettansätze am Pferd zu schnell abbauen und die daraus freigesetzten Stoffwechselendprodukte von der Leber zusätzlich verarbeitet werden müssen. Das ist bei einer akuten Rehe nicht mehr möglich, da der Stoffwechsel bereits massiv überlastet ist. Außerdem: Kein Grummet oder Heu von letztgeschnittenem Gras füttern, da diese keine Struktur aufweisen.
Kraftfutter langsam reduzieren
Kraftfutter sollte langsam auf ein Minimum reduziert und eine geringe Gabe (z. B. eine Handvoll) beibehalten werden. Lässt man das Kraftfutter ad hoc weg, kippt auch hier die Darmflora. Dies bedeutet weitere Endotoxine und der Teufelskreis dreht sich weiter.
Weitere Futtergaben, die einen bereits entgleisten Stoffwechsel zusätzlich belasten können, z. B. Äpfel, Bananen, Karotten, Brot, Kräuter, Öle, Ergänzungsfuttermittel, Mash und Rübenschnitzel, müssen ab sofort weggelassen werden.
Verlauf
Nach vier Tagen ist eine deutliche Verbesserung zu beobachten. Die Stute steht völlig normal und läuft im Schritt fast flüssig.
Ich arbeite nun mit biodynamischer Craniosacraltherapie. Hiermit ist es möglich, die durch die traumatisch erlebten Schmerzen entstandenen Blockaden und Spannungen aufzulösen. Bei dieser ganzheitlichen Methode handelt es sich um eine tiefgreifende Energiearbeit. Im Entspannungszustand werden Körper, Geist und Seele harmonisiert, die Selbstheilungskräfte aktiviert, es stellen sich wieder Ausgeglichenheit und innere Stabilität ein. Der Heilungsprozess wird dadurch insgesamt enorm gefördert.
Nach 10-14 Tagen zeigt sich ein physiologisches Gangbild und das Tier ist schmerzfrei.
Weiterführende Überlegungen
Nachdem die akute Phase vorüber ist, möchte die Besitzerin wissen, wie sie in Zukunft weitere Rehe-Schübe verhindern kann. Ich versorge sie v. a. mit Wissen, sodass sie bestmöglich präventiv arbeiten kann:
Überlastung der Leber
Der Leber werden die im Verdauungstrakt aufbereiteten Nahrungsbestandteile über die Pfortader zugeführt. Ist das Organ durch ständige Überdosierung an Nähr- und Giftstoffen (Toxine über Rauh- und Kraftfut- ter, auch Endotoxine) überlastet, werden Nährstoff-Überangebot sowie Abbau- und Abfallprodukte des Stoffwechsels an ande- ren Orten im Körper zwischengelagert, z. B. im Bindegewebe – mit allen Konsequenzen. Wird dieser Prozess nicht gestoppt, resultieren chronische Stoffwechselerkrankungen und eine schleichende Vergiftung des Organismus.
Folge der Entgleisung
Die Hufrehe (hier: Futterrehe) ist eine Vergiftung des Organismus und ganz selten nur auf eine Ursache zurückzuführen. Eher wirken viele Faktoren über einen längeren Zeitraum zusammen – anfangs meist unbemerkt mit harmlosen Anzeichen und Symptomen, die gar nicht als Stoffwechselproblematik erkannt oder als solche ernst genommen werden. Diesbezüglich kann ich der Besitzerin im Rahmen der Untersuchung ihrer Stute Auffälligkeiten zeigen, die bereits auf eine Leber- oder Nierenstoffwechselüberlastung hingewiesen haben.
Zustand der Hufe
Über die Verschlechterung der Hufqualität ihrer Stute war sich die Besitzerin von Beginn an bewusst, jedoch konnte sie diese nicht richtig deuten. An den Hufen ist zu erkennen, wenn eine Leberproblematik vorliegt. Dann kommt es wiederkehrend zu ausgebrochenen Hufen, Futterrillen im Horn, Anzeichen von Strahlfäule und in der Fesselbeuge zu kleinen Maukestellen. Auch der von der Besitzerin angesprochene Hufabszess weist auf ein Leberthema hin. Selten sind diese auf eingetretene Steinchen oder eine Prellung zurückzuführen.
Gewebezustand
Ich zeige der Besitzerin auch die „schwam-migen“ Gewebestellen an den Fessel- und Sprunggelenken sowie schorfige und blutige Stellen an den Außenseiten der hinteren Sprunggelenke, die häufig fälschlich als „Lie- gestellen“ bezeichnet werden. Die Fettansätze an Schultern, Kruppe, Bauch und Oberhals weisen auf Übergewicht und ein Zuviel an Gras und Heu hin. Zudem fühlt sich das Fell plackig an und zeigt fettige Schuppen.
Das Pferd versucht augenfällig, an allen möglichen Stellen (Haut, Fell, Hufe oder andere Körperöffnungen) auszuleiten. Wie vermutet, hat die Besitzerin all diese Anzeichen gar nicht als Stoffwechselthema gedeutet. Dabei sind Niere und Leber als wichtigste Organe höchstwahrscheinlich schon längere Zeit über ihr Limit hinaus belastet.
Ausleitungsstellen
In der Praxis erlebe ich immer wieder, dass der Mensch schnell versucht, diese „unschönen“ Symptome mit allen möglichen Cremes, Salben, Wässerchen etc. in den Griff zu kriegen. Das Schlimme daran ist, dass dadurch die offensichtlichen „Ausleitungsstellen“ von außen abgedichtet werden und das Ausscheidungspflichtige im Körper verbleibt. Nur weil das Symptom weg ist, ist die Ursache noch lange nicht behoben! Es ist also grundlegend falsch, nur an den einzelnen Symptomen herumzulaborieren.
Auch der Versuch einer Stoffwechselkur mit Kräutern ist kontraproduktiv. Der überlastete Stoffwechsel kann diese nicht mehr verarbeiten. Freilebende Pferde würden in der Natur niemals über einen längeren Zeitraum so viele Kräuter finden oder zu sich nehmen, die häufig für Kuren oder im täglichen Futter verabreicht und verfüttert werden.
Man beginnt so einen Teufelskreis, der zu Gesundheitsstörungen führt – im vorliegenden Fall zu Hufrehe. Es können z. B. auch wiederkehrender Husten, Ekzeme, Allergien, Kotwasser, Durchfall, Arthrosen, andere Probleme des Bewegungsapparates, Verspannungen, psychische Auffälligkeiten und ein allgemein eingeschränkter Vitalzustand resultieren.
Ausblick
Die Zusammenarbeit wird nach vier Wochen beendet. Im nächsten Schritt sorgt der Hufpfleger durch eine regelmäßige Bearbeitung der Hufe wieder für eine normale Wachstumsrichtung der Zehenwand. Der Besitzerin gebe ich langfristige Empfehlungen mit auf den Weg.
Im Fall ihrer Stute schlage ich folgende Lösung vor: Zum einen den Stoffwechsel mithilfe einer homöopathischen Entgiftung (Flor de Piedra) zu balancieren, zum anderen ein langsames Schlankfüttern und damit auch die Überprüfung und Regulierung der Grundversorgung des Pferdes, damit die Problematik nicht wie- der entstehen kann.
Zudem sollte auf die Psyche geachtet werden. Auslauf und Anschluss an die Herde müssen gegeben bleiben. Eventuell können eine Fressbremse, begrenzter Weidegang und/oder die Installation einer abgetrennten Parzelle direkt innerhalb der Weide und der Pferdeherde weiterhelfen. Es kann auch das Gras entfernt und der Platz z. B. mit Sägespänen oder Ähnlichem ausgelegt werden.
Fazit
Die Hufrehe ist ein medizinischer Notfall. Deshalb spielt der Faktor Zeit in Bezug auf den Behandlungsbeginn eine wichtige Rolle. Ebenso ist die Begleitung durch einen kompe- tenten Therapeuten notwendig, sodass in der Akutsituation geeignete Maßnahmen im Sinne des Tierwohls ergriffen werden können. Von Eigenbehandlungsversuchen rate ich dringend ab. Sind wir darüber hinaus offen für einen ganzheitlichen Blick, angefangen vom prozess- haften Entstehen der Schieflage im Stoffwech- sel bis hin zum Verstehen der Ursachen dafür, und sind wir bereit, die daraus resultierenden Lösungswege zu gehen, dann hat der Orga- nismus gute Chancen, seinen völlig aus dem Gleichgewicht geratenen Stoffwechsel wieder in Balance zu bringen, sodass einer Futterrehe vorgebeugt werden kann.
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Sabine Hofmann
Tierheilpraktikerin, Mobile Tierheilpraxis und Energetische Verfahren für Mensch und Tier
info@tierheilpraxis-hofmann.deWeitere Artikel aus dieser Ausgabe
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