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Psychotherapie
Lesezeit: 6 Minuten

Glosse: Übung macht den MEISTER

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…oder Meine Nerven liegen blank

Spargel. Ich liebe Spargel! Ihn zu essen bereitet mir viel Freude, ihn zu schälen Ruhe. Bahn für Bahn bearbeite ich die Stangen mit meinem Spargelschäler. Ganz akkurat, wie aus dem Bilderbuch, damit niemand am Ende auch nur einen Hauch Schale im Mund hat. Perfekt geschält muss er sein! Als ich mal vor langer Zeit in der Gastronomie arbeitete, wurde ich Zeuge schnellster und akkurater Spargelschäler. Damit meine ich nicht die elektrischen, sondern die menschlichen. In einer wahnsinnigen Geschwindigkeit wurde das Gemüse zubereitet; in der gleichen Zeit, während ich ein paar Stangen schaffte, schälten sie kiloweise Spargel. Sehr beeindruckend – wirklich. Dieses Erlebnis prägt bis heute meine Genauigkeit und Perfektion im Umgang mit diesem Lebensmittel. Und so, wie wir alle Erlebnisse haben, die unser Kochverhalten beeinflussen – obwohl ich mich mehr als Zubereiterin sehe denn als Köchin; mehr noch, eher als Beiköchin, die wunderbar schnippeln, aufräumen und aufwärmen kann – so haben wir alle auch Erlebnisse, die uns in unserem perfektionistischen Tun beeinflussen.

Was meine ich damit?

Ich meine damit die Situationen, in denen wir uns mit Megastars vergleichen und unermüdlich daran arbeiten, ihnen möglichst bald (ansatzweise) ähnlich zu sein. Beispiel: Letztens, gut, das ist schon länger her, da habe ich mich auf einen Vortrag vorbereitet. Dafür habe ich meine Rede selber geschrieben, weil nur meine Worte das sagen, was meine Gedanken meinen. Doch damit war es nicht getan − ich habe diese Rede geübt. Ich habe sie richtig geprobt! Es hatte schon den Anschein, als wäre ich in einem Theater angestellt. Jeden Morgen zur selben Zeit nahm ich meinen Text, stellte mich gerade hin und trug ihn vor. Und damit ich mir auch wirklich sicher war, dass ich es gut gemacht habe, filmte ich die ganze Sache auch noch. Nur um sie mir im Anschluss anzuschauen und festzustellen, dass ich figurlich doch eher beim Radio arbeiten sollte.

Kennen Sie das auch?

Dass Sie eine Präsentation oder eine kleine Rede halten müssen und dann in so einen Übungsmodus verfallen? Oder gehören Sie eher zu denen, die das ganz locker und entspannt sehen. Nach dem Motto: Irgendwie wird das schon klappen. Wenn das so ist − herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Gelassenheit. Meistens sind es auch gar nicht die großen Dinge, die uns nervös werden lassen, sondern die kleinen und scheinbar unbedeutenden. Das Klassentreffen am kommenden Wochenende oder die erste Verabredung mit dem neuen Schwarm. In solchen oder ähnlichen Momenten glauben wir, nicht gut genug zu sein. Schlimmer noch, wir verfallen in einen Perfektionsmodus. Wir wollen dann – genau jetzt – gehen wie Lena Gercke, kochen wie Tim Mälzer, singen wie Nena und frei reden wie Steve Jobs.

Um das zu können, fangen wir an zu üben. Trainieren – an sich − finde ich gut. Ja, sogar förderlich, um seine Stärken zu stärken und seine Schwächen zu kennen. Um im eigenen Auftreten sicherer zu werden, die Rede frei halten zu können. Dem Risiko, sich möglicherweise zu blamieren, den Wind aus den Segeln zu nehmen. Wenn das allerdings dazu führt, dass die eigenen Nerven blank liegen (bei mir war es dann soweit), dann hat das Ganze eine Eigendynamik bekommen, die weder gesundheitsförderlich noch unterstützend ist. Sobald wir durch lauter Üben unsere eigene Art und Weise vergessen, unsere Individualität vernachlässigen und unsere Gesundheit gefährden, dann sollten wir laut „Stopp“ rufen!

Was nützt jegliche Perfektion, wenn wir vor lauter Aufregung und Anstrengung keinen Bissen mehr runterbekommen? Oder unser Schlaf höchst unrhythmisch oder gar nicht mehr stattfindet? Wenn wir auf unser Umfeld mit einem aggressiven Ton reagieren?

Ist unser Alltag dermaßen auf den Kopf gestellt, weil z.B. die Prüfung näher rückt und sich jegliches Tun und Denken nur noch damit befasst, dann hilft es, die Notbremse zu ziehen. Wie? Eine Idee ist die Meditation. Einen Moment der Stille bewusst leben. Indem wir aktiv in uns hinein spüren und hören, nehmen wir uns den Druck. Mit der Methode „sich bewusst fühlen“ und damit dem Ausleben einer Emotion nehmen wir dieser die Intensität und die Gewissheit, dass sie über uns bestimmt. Sicherlich nicht sofort und allgemeingültig, aber Stück für Stück. Auf diese Art und Weise werden wir wieder die Herrscher über unsere Empfindungen und sind diesen nicht ausgeliefert.

Wer in seinem täglichen Ablauf mindesten 15 Minuten bewusste Ruhe einbaut, hat die Chance auf einen entspannteren Alltag. Mit dieser Methode wachsen innere Kraft, Kreativität bei der Lösungssuche und Entspannung.

Eine weitere Idee ist die mit der Bewegung. Klingt anstrengend, ist es auch. Allerdings bauen wir mit Bewegung Druck und Verspannung im Körper ab. Unser Körper braucht die Bewegung, um im Gleichgewicht zu sein. Neben der geistigen Anstrengung verlangt er nach der körperlichen Betätigung. Wie Yin und Yang gehören beide Seiten zu einem ausgewogenen Dasein. Die Art der Bewegung ist dabei zweitrangig. Ob Sie nun laufen, tanzen, ins Fitnessstudio gehen oder abends einen Spaziergang unternehmen. Finden Sie etwas, das Ihnen gut tut. Eine Tätigkeit, bei der Sie abschalten können und Ihrem Körper die Möglichkeit zur Lockerung anbieten.

Und dann gibt es noch viele andere Ideen, wie Sie für sich den Druck rausnehmen können: Schreien im Wald, ein Feuerlauf, wertschätzende Gespräche miteinander usw. Egal welchen Weg Sie einschlagen, die Hauptsache ist, Sie nehmen einen − bevor sich die angestaute Energie einen unangenehmen Weg sucht. Wie ein pfeifender Kochtopfdeckel kann Ihnen dieser um die Ohren sausen. Dann bestimmt Ihr Gefühl die Situation, und nicht umgekehrt. Sie sind dann dem Ganzen ausgeliefert und haben nur noch die Chance zu reagieren. Und das, obwohl Agieren doch so viel mehr Freude bringt.

Perfektion ist gut und schön, am Ende aber doch unerreichbar!

Das sollte uns bewusst sein. Das Einzige, was es in meinen Augen perfekt zu gestalten gilt, ist das eigene Leben. Und das fängt bei der Gesundheit an. Da nützt alles andere nichts, wenn wir am Ende krank werden, nur weil wir denken, so sein zu müssen, wie andere uns haben wollen. Und selbst diese Aussage ist nur unsere Interpretation einer Wahrheit, die es zu beweisen gilt.

In diesem Sinne, bleiben Sie sich treu, nehmen Sie sich den Druck des Perfektionismus und achten Sie auf Ihre Gesundheit.

Ihre Jana Ludolf

Jana LudolfHeilpraktikerin für Psychotherapie,
Mediatorin und Familiencoach in Bad Blankenburg

info@Jana-Ludolf.de

Foto: © karepa I Fotolia.com

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