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Naturheilkunde
Lesezeit: 7 Minuten

Nährstoffunterversorgung – Ursache für Krebs?

© alexlmx I Fotolia.com

Krebs entsteht aufgrund vieler Faktoren. Ernährung, Lebensstil und die Umgebung, in der wir leben, spielen eine Rolle. Die Wissenschaft interessiert sich zunehmend für das essenzielle Spurenelement Selen, das offensichtlich eine schützende Wirkung hat. Das einzige Problem ist, dass viele von uns nicht ausreichend mit diesem Nährstoff versorgt sind.

Der menschliche Körper benötigt eine Vielzahl verschiedener Vitamine, Mineralien, Aminosäuren und anderer Nährstoffe, um richtig funktionieren zu können. In den vergangenen Jahren hatte die Wissenschaft jedoch einen ganz bestimmten Nährstoff im Blick: das Spurenelement Selen. Unzählige Populationsstudien haben ergeben, dass niedrige Selen-Blutwerte mit einem erhöhten Risiko für verschiedene Krankheiten und Gesundheitsprobleme in Zusammenhang stehen. Außerdem lassen sorgfältig angelegte Interventionsstudien darauf schließen, dass durch erhöhte Selenzufuhr Morbidität und Mortalität gesenkt werden können.

Ein in der Wissenschaft viel diskutierter Aspekt ist die Rolle, die Selen bei der Krebsprävention spielt. Anscheinend steuert der Nährstoff verschiedene Mechanismen, die bei der Bekämpfung von Krebs wichtig sind. Dazu zählen seine einzigartigen Fähigkeiten, Schädigungen der DNA in unseren Zellen entgegenzuwirken sowie die Selbstzerstörung erkrankter Zellen (Apoptose) anzuregen.

Geringeres Prostatakrebsrisiko

1996 veröffentlichte Professor Larry C. Clark von der Universität Arizona in Phoenix, USA im Journal of the American Medical Association (JAMA) eine wegweisende Studie1) zu Selen und Krebs, bei der 1312 Probanden nach dem Zufallsprinzip täglich entweder ein Placebo Europäer mit lebenswichtigem Nährstoff unterversorgt – eine mögliche Ursache für Krebs oder 200µg organische Selenhefe erhielten. Die Studie zielte ursprünglich darauf ab, herauszufinden, ob eine Supplementierung mit Selen ein Wiederauftreten von Hautkrebs bei Patienten verhindern kann, bei denen die Krankheit bereits diagnostiziert und behandelt worden war. Dies konnte nicht bestätigt werden. Überraschenderweise fanden Clark und sein Team jedoch heraus, dass bei den Probanden, die Selen eingenommen hatten, das Prostatakrebsrisiko um 63%, das Risiko für ein kolorektales Karzinom um 58% und das Lungenkrebsrisiko um 46% niedriger war. Die Studie führte zu einer wichtigen Erkenntnis: Die Erhöhung der Selenzufuhr wirkte sich offenbar maßgeblich auf die Krebsrate aus.

Clarks Studie zu Selen und Prostatakrebs ist nicht die einzige ihrer Art. Eine Studie2) von Forschern des Universitätsklinikums der Universität Maastricht, Niederlande aus dem Jahr 2013 zeigte, dass das Risiko von Männern mit hohen Selen-Blutwerten, eine aggressive Form von Prostatakrebs zu entwickeln, um 63% niedriger war, als das von Männern mit niedrigen Selen-Blutwerten. Die Studie erschien im Journal of the National Cancer Institute. Ebenso entdeckten schwedische Forscher einen Zusammenhang zwischen der Selenzufuhr und der Wahrscheinlichkeit, Brustkrebs zu überleben. Anhand von 3146 schwedischen Brustkrebspatientinnen fanden sie heraus, dass die Überlebenschance der Frauen mit der höchsten Selenzufuhr vor der Diagnose um 31% größer war, als die der Frauen mit der niedrigsten Selenzufuhr.

Lebenswichtige Selenoproteine

Jedoch nicht nur bei der Prävention von Prostatakrebs scheint Selen eine besonders wichtige Rolle zu spielen, sondern es verfügt offensichtlich auch über eine allgemein krebsvorbeugende Wirkung. Italienische Forscher unter der Leitung von Dr. Luigina Bonelli veröffentlichten im Jahr 2013 eine Studie3), die belegt, dass Selen in Kombination mit anderen Antioxidantien (Selen+Zink von Pharma Nord) das Wiederauftreten von Dickdarm-Adenomen verhinderte, ein Problem, das Ärzte mit einem erhöhten Risiko für Kolorektalkarzinome in Verbindung bringen. Es wird davon ausgegangen, dass sich kolorektale Karzinome sehr häufig aus diesem Frühstadium entwickeln.

Diese Schutzfunktion wird zum Teil mit bestimmten selenabhängigen Enzymen (Selenoproteinen) in Zusammenhang gebracht, die unkontrolliertes Zell- oder Tumorwachstum verhindern können. Die Wissenschaft hat mindestens 25 verschiedene Selenoproteine identifiziert, die alle von einem ausreichenden Selengehalt im Körper abhängen. Die Selenoproteine übernehmen verschiedene Funktionen im Körper, die sie nur richtig erfüllen können, wenn ihnen genügend Selen zur Verfügung steht.

Wie viel Selen benötigen wir?

Zu den Selenoproteinen, die mit dem Schutz vor Krebs in Verbindung gebracht werden, zählt das Selenoprotein P. Forscher haben das Sättigungsniveau dieses speziellen Selenoproteins ermittelt und herausgefunden, dass die Selenzufuhr (aus der Nahrung oder Nahrungsergänzungsmitteln) für eine vollständige Sättigung im Bereich zwischen 100 und 110 µg liegen muss. Vor einigen Jahren haben dänische Wissenschaftler eine Studie durchgeführt, um zu klären, ob dieses Sättigungsniveau durch eine auf Meeresfrüchten (in der Regel eine gute Selenquelle) basierende Ernährung erreicht werden kann. Eine Teilnehmergruppe erhielt ein halbes Jahr lang 1000 g Meeresfrüchte pro Woche, während die Kontrollgruppe gebeten wurde, sich wie gewohnt zu ernähren. Es stellte sich heraus, dass selbst bei diesem vergleichsweise hohen Verzehr von Meeresfrüchten das Ziel nicht erreicht werden konnte. Den Wissenschaftlern zufolge lag dies u.a. darin begründet, dass sich Selen an Schwermetalle, wie das in Fisch enthaltene Quecksilber, bindet und für den Körper anschließend nicht mehr zur Verfügung steht. Die Wissenschaftler nannten explizit Nahrungsergänzungsmittel mit organischer Selenhefe als verlässliche Möglichkeit, die Selen-Blutwerte auf das gewünschte Niveau zu bringen.

Stoffwechsel, Spermienproduktion und Immunfunktion

Selenoproteine übernehmen zahlreiche Funktionen im menschlichen Körper. Sie unterstützen z.B. eine normale Immunabwehr, die für die Bekämpfung von Viren, Bakterien und anderen Pathogenen sehr wichtig ist. Selenoproteine werden für die Kontrolle der Schilddrüse benötigt sowie für einen reibungslosen Ablauf der Stoffwechselprozesse. Dies ist unerlässlich z.B. für die Gewichtskontrolle, normale Haare und Nägel etc. Bei Männern gewährleisten Selenoproteine sogar die Bildung gesunder Samenzellen, eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Befruchtung. Sie schützen vor einer oxidativen Schädigung der DNA, die zu missgebildeten Spermien mit geringer Beweglichkeit führen kann.

Der schottische Wissenschaftler Dr. Alan MacPherson hat eine Studie4) an Männern mit beeinträchtigter Fruchtbarkeit durchgeführt, die er nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen einteilte. Einer Gruppe wurde über 12 Wochen hinweg Selen zusammen mit einer Kombination aus verschiedenen Vitaminen und Mineralien verabreicht, die andere Gruppe erhielt ein Placebo. 56% der Männer in der Selengruppe sprachen positiv auf die Behandlung an. Die Beweglichkeit der Samenzellen nahm erheblich zu, was auf eine bessere Zeugungsfähigkeit schließen ließ. Die Studie wurde 1998 im British Journal of Urology veröffentlicht.

Ein Problem für Europäer

Ein Großteil Europas gilt als selenarme Region, da die landwirtschaftlich genutzten Böden diesen wichtigen Nährstoff nur in äußerst geringen Mengen enthalten. Dies könnte die relativ hohe kardiovaskuläre Sterblichkeitsrate in diesem Teil der Welt, verglichen mit anderen Ländern, erklären. Früher fand sich auch in den Böden in Finnland nur sehr wenig Selen. Als dies Mitte der 1980er-Jahre entdeckt wurde und eine heftige Diskussion darüber entbrannte, schritten die Behörden ein und erließen ein Gesetz, das die Anreicherung der landwirtschaftlichen Düngemittel mit Selen vorschrieb. Das Problem konnte dadurch offenbar gelöst werden, da einige Jahre später nicht nur ein erheblicher Anstieg des Selenspiegels beim Menschen festgestellt wurde, sondern auch ein deutlich höherer Selengehalt in tierischen Erzeugnissen und Milchprodukten. Bisher ist kein europäisches Land dem Beispiel Finnlands gefolgt, allerdings interessieren sich Wissenschaftler zunehmend für die Frage, wie viel Selen zur Verbesserung der Gesundheit benötigt wird.

Der Schlüssel zu einer besseren Gesundheit

Wir Menschen benötigen zur Erhaltung unserer Gesundheit eine Reihe verschiedener Nährstoffe. Dennoch scheint Selen eine besonders wichtige Rolle zu spielen, da es so viele Aspekte der menschlichen Gesundheit beeinflusst. Dies gilt höchstwahrscheinlich auch für Tiere. Jeder Landwirt wird bestätigen, wie wichtig es ist, dem Tierfutter Selen zuzusetzen, um Krankheiten vorzubeugen, die sich negativ auf die Erträge auswirken. Interessanterweise befasst sich die Ärzteschaft erst jetzt mit dieser Methode, die im Bereich der Tiergesundheit schon seit Jahrzehnten bekannt ist. Durch die Berücksichtigung von Selen als Teil einer Strategie zur Gesundheitsförderung kann nicht nur Geld gespart werden, sondern es können auch Leben gerettet werden.

B. F. MadsenB. F. Madsen
Journalist im Gesundheitswesen

bjorn.madsen@gmail.com

Quellen

1)JAMA. 1996 Dec 25;276(24):1957-63
2)J Natl Cancer Inst. 2013 Sep 18; 105(18):1394-401
3)J Gastroenterol. 2013 Jun;48(6):698- 705. doi: 10.1007/s00535-012-0691-z. Epub 2012 Oct 13
4)Br J Urol. 1998 Jul;82(1):76-80

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