Glosse: Der Notfallkoffer
Im Rahmen meiner Führerscheinvorbereitung bin ich als 18-Jährige das erste Mal mit einem Erste-Hilfe-Koffer in Kontakt gekommen, der immer griffbereit sein soll, wenn er dringend benötigt wird. Als junges Mädchen denkt man selten an den Ernstfall. Dieser ist bei mir glücklicherweise auch bis heute nicht eingetreten. Natürlich muss ich aber wissen, wo dieser Koffer in meinem Auto ist, das gibt mir Sicherheit für den Notfall.
Dann wurden meine Kinder geboren. Einen ersten Fieberschub erkannte ich nicht als solchen. Zum Glück wies mich eine Freundin, die gerade zu Besuch war, auf die erhöhte Temperatur hin. Und ich? Ich war überfordert. Was muss ich jetzt tun? Fiebersenkende Mittel? Ja/Nein? Und wenn ja, was? Diese Situation konnte ich lösen, und meinem Kind ging es bald besser. Nach diesem Schreck wusste ich aber, was ich brauchte: einen Notfallkoffer. Ich besorgte mir Fachliteratur zum Thema und legte mir eine Hausapotheke zu. Damit fühlte ich mich nicht mehr ohnmächtig, als das nächste Fieber kam. Ich lernte mit der Zeit, wie mein Kind in welchem Krankheitsfall reagierte, und konnte danach handeln.
Mit Mitte 20 litt ich wöchentlich an Migräne. Erst nach einigen Monaten traute ich mich zum Arzt, der mir nach der Untersuchung genau diese Diagnose stellte. Bald wusste ich, unter welchen Umständen ich an Migräne litt. Meinen „Notfallkoffer“ in Form von Medikamenten hatte ich immer dabei.
Warum erzähle ich Ihnen das? Weil ich erkannt habe, dass ein Notfallkoffer sehr wichtig und praktisch ist. Die Gesundheit ist unser höchstes Gut. Es ist elementar zu wissen, welche Situationen mir oder anderen gesundheitlich schaden, und was in einem Not- und Krankheitsfall zu tun ist. Leider passiert es sehr oft, dass Menschen genau das nicht wissen. Wenn jemand etwa an Allergien leidet, und das nicht mitteilt, kann der Geburtstagskuchen schwerwiegende Folgen haben, sollte er z.B. Nüsse enthalten. Ebenso, wenn ich um mein Asthma weiß und aus falschem Stolz ohne Medikamente aus dem Haus gehe. Ganz gravierend kann es werden, wenn wir Symptome haben, aber aus Scham nicht zum Therapeuten gehen. Dann haben wir keine Chance auf Gesundung, weil wir die Wege dafür nicht kennen.
Es ist gut, zu wissen, wie der Erste-Hilfe-Koffer aussieht und wo er steht. Das gibt uns Sicherheit. Wir dürfen ihn mit Dingen bestücken, die uns gut tun und hilfreich sind. Unerheblich, ob diese für körperliche oder seelische Themen gedacht sind. Beide wollen geheilt werden, damit wir unser Leben aktiv und glücklich gestalten können.
Wenn ich weiß, wie mein Koffer aussieht, dann kann ich anderen davon erzählen. Das ist keine Schwäche, sondern ein Zeichen von Vertrauen. Ich vertraue einem Menschen meine Gesundheit an, damit er mir helfen kann, wenn ich selbst dazu nicht mehr imstande bin oder nicht mehr selbst für mich sorgen kann. Der Vorteil ist, dass der andere oft besser weiß, was in einer kritischen Situation zu tun ist, denn Notfälle führen dazu, dass wir keinen klaren Gedanken mehr fassen können. Wir sind überfordert, gelähmt, und es fällt uns schwer, die nächsten Schritte zu gehen. Sich mit dem Erste-Hilfe-Koffer zu beschäftigen, bedeutet, sich mit dem Notfall auseinanderzusetzen, sodass man dann nicht mehr krampfhaft überlegen muss, was als Nächstes zu tun ist, sondern direkt handeln kann.
Wenn wir uns im Vorfeld mit unangenehmen Dingen auseinandersetzen, z.B. im Rahmen einer Patientenverfügung, oder was wir im Fall einer allergischen Reaktion zu tun haben, dann sind wir gerüstet. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass solche Themen Angst auslösen. Jeder beschäftigt sich lieber mit den schönen Dingen des Lebens. Aber die dunkle Seite gehört genauso zum Leben wie die helle. Ich persönlich stelle mich lieber meiner Angst und bin so gut es geht für einen Notfall vorbereitet (sofern man das wirklich sein kann).
Einen Notfallkoffer zu besitzen, heißt nicht, den Ernstfall heraufzubeschwören. Im Gegenteil: Es bedeutet, sich von der Angst nicht lähmen zu lassen und handlungsfähig zu bleiben.
Ihre Jana Ludolf
Heilpraktikerin für Psychotherapie,
Mediatorin, Familiencoach
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