Stoffwechselstörungen bei Metabolischem Syndrom
Störungen des Glukose- und Lipidstoffwechsels sind häufig Folgen eines ungesunden Lebensstils. Doch auch Umwelttoxine (z.B. endokrine Disruptoren) spielen eine Rolle. Ein dauerhaft beeinträchtigter Stoffwechsel fördert chronische Erkrankungen, die den Einsatz von Medikamenten erforderlich machen. Diese können erhebliche Nebenwirkungen haben, auch auf den Stoffwechsel (z.B. Statine). Wir haben es also mit einem Teufelskreis zu tun.
Lebensstil und Konsequenzen
Hierzulande sind ca. zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen übergewichtig, ein Viertel der Erwachsenen ist sogar adipös. Auch weltweit haben Adipositas und das Metabolische Syndrom (MetS) exponentiell zugenommen. Dabei bezeichnet das MetS das zeitgleiche Auftreten von zu viel Bauchfett, Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen und einem erhöhten Blutzuckerspiegel. Dieses tödliche Quartett begünstigt die Entstehung eines Typ-2-Diabetes (T2DM) und kardiovaskulärer Erkrankungen. Hauptverantwortlich sind v.a. ungünstig veränderte Lebensgewohnheiten (Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung, Stress etc.).
Fettleibigkeit führt zudem zu einem rapiden Anstieg von nicht-alkoholischen Fettlebererkrankungen (NAFLD). Zwar ist eine reine Verfettung nicht mit einer erhöhten Mortalität verbunden; jedoch treten bei jedem fünften Betroffenen Entzündungen mit schwerwiegenden Folgen auf. Durch eine entzündete Fettleber (NASH) und geringe Vernarbungen kann bereits der ganze Körper in Mitleidenschaft gezogen werden. Leberentzündungen sind zudem ein eigenständiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen. Für die Praxis und eine zielführende Therapie ist es also wichtig, zu klären, ob der Patient zu jenen 20% gehört, die ein erhöhtes Risiko für eine Fibrose, Zirrhose oder Krebs haben. Leider spiegeln die Routine-Leberwerte GOT (ASAT) und GPT (ALAT) den Zustand der Leber häufig nicht wider. Sie können sogar bei weit fortgeschrittener Organzerstörung noch im Referenzbereich sein. Übergewichtige und Diabetiker sollten daher regelmäßig auf eine NAFLD mittels Palpation und Sonographie gescreent werden. Bei umfangreichem Bauchfett oder Diabetes sollte ein Spezialist den Zustand der Leber mittels Fibroscan oder Biopsie bewerten. Ansonsten gilt es, die Leberfunktion alle 2-3 Jahre zu überprüfen.
Für die Progression einer NAFLD spielt ungesunde Ernährung eine zentrale Rolle. Unser westlicher Ernährungsstil, der sich u.a. durch hohe Säurelast auszeichnet, ist auch bei T2DM und MetS mit nachteiligen Behandlungsergebnissen assoziiert. Hingegen können pflanzlich basierte Diäten (inkl. vegetarisch und vegan) diese Säurelast effektiv reduzieren. So zeigten zahlreiche Studien den Nutzen der „Mittelmeerkost“ bei MetS, T2DM und kardiovaskulären Erkrankungen, die gewöhnlich pathophysiologisch mit der NAFLD in Beziehung stehen. Beispielsweise ernährten sich die Teilnehmer einer spanischen, prospektiven, randomisierten Multicenter-Studie (138 MetS-Patienten mit NAFLD) mediterran und wurden zu körperlicher Bewegung angehalten. Bei den Probanden, die sich stark an diese Diät hielten, nahmen BMI, Körpergewicht, Taillenumfang, Blutdruck (systolisch und diastolisch) und intrahepatischer Fettgehalt deutlicher ab.
Mit Ernährungsumstellung und ausreichend Bewegung könnte man also vorbeugen bzw. eine Besserung erzielen. Gelänge es Patienten, ihr Gewicht um 10% zu reduzieren, könnte man die mit NAFLD einhergehenden histologischen Veränderungen verringern, doch die Umsetzung ist oft schwierig. Dabei ist eine Gewichtsabnahme derzeit die einzige Therapieoption, denn aufgrund der Tatsache, dass dieses gigantische Problem lange nicht erkannt wurde, gibt es bisher noch keine zugelassenen Medikamente.
MetS erhöht das Risiko für schwere Erkrankungen
Das MetS begünstigt einen systemischen chronischen Entzündungszustand, charakterisiert durch die Infiltration von Immunzellen. Diese Immunsystem-Aktivierung erhöht das Risiko der Entstehung schwerer Erkrankungen, z.B. nach Virusinfektionen. Beschrieben wurden starke Korrelationen zwischen einem erhöhten BMI, T2DM und einem gestiegenen Hospitalisierungsrisiko nach einer pandemischen Influenza H1N1-Infektion. Ebenso besteht eine Korrelation zwischen erhöhten Blutglukosespiegeln und der Schwere sowie Mortalität einer SARS-CoV-2-Infektion, was darauf hindeutet, dass das MetS ein wichtiger Vorhersageparameter für die Behandlungsergebnisse bei COVID-19-Patienten ist. Im Einklang damit zeigte sich in einer Studie bei COVID-19-Genesenen (ungeimpfte junge Erwachsene, nicht hospitalisiert, Infektion vor mehr als 180 Tagen) ein signifikanter Trend zu Stoffwechselstörungen mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Risiken. Die Patienten hatten einen höheren BMI, eine niedrigere aerobe Schwelle und höhere Cholesterinwerte als die Kontroll-Kohorte.
Die Rolle endokriner Disruptoren
Als endokrine Disruptoren werden Substanzen mit hormonähnlicher Wirkung bezeichnet. Zahlreiche dieser Stoffe werden auch Obesogene genannt („künstliche Dickmacher“). Das bekannteste Beispiel ist Bisphenol A (BPA), das sich oft in Plastikflaschen und -aufbewahrungsboxen finden lässt.
Es wird diskutiert, inwieweit Obesogene über den Stoffwechsel in die Entwicklung und Funktion von Fettgewebe, Leber, Pankreas, Gastrointestinaltrakt und sogar des Gehirns involviert sind. Als empfindlichste Phasen für die Wirkung von Obesogenen werden Schwangerschaft und frühe Kindheit vermutet. Mit dem Zusammenhang zwischen endokrinen Disruptoren und Fettleibigkeit (obesity) befasste sich schon zwischen 2009 und 2013 das EU-finanzierte Projekt „Obelix“ (Obesogenic endocrine disrupting chemicals: linking prenatal exposure to the development of obesity later in life). Tatsächlich weisen entsprechende Langzeitstudien auf einen Zusammenhang zwischen einer PFSA-Exposition (Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) und Adipositas, Neigung zu Übergewicht, Metabolischem Syndrom (MetS) und Diabetes hin.
PFAS sind Industriechemikalien, die aufgrund ihrer besonderen technischen Eigenschaften in zahlreichen industriellen Prozessen und Verbraucherprodukten eingesetzt werden. Die Stoffgruppe umfasst über 4700 verschiedene Verbindungen.
Empfehlenswert sind Ernährungs- und Lebensstilberatung inkl. Aufklärung über endokrine Disruptoren, Nebenwirkungen von Medikamenten und Supplementierungen von Mikronährstoffen bei Defiziten.
Der Einfluss von Medikamenten
Statine
MetS-Patienten erhalten häufig Cholesterinsenker (Statine). Diese wurden jedoch schon
mehrmals mit erhöhtem T2DM-Risiko in Zusammenhang gebracht. Gemäß einer aktuellen Veröffentlichung im Fachjournal
„JAMA Internal Medicine“ erhöhten sich z.B. Insulinresistenz und Blutzuckerspiegel. In den Fachinformationen
Statin-haltiger Arzneimittel wird deshalb empfohlen, Patienten mit zu hohen Blutzuckerwerten, die Cholesterinsenker
einnehmen, zu überwachen. Laut amerikanischen Wissenschaftlern ist das v.a. bei Patienten, die bereits an T2DM leiden,
dringend geboten. Denn die Statin-Einnahme war in einer von ihnen veröffentlichten Studie signifikant mit dem
Fortschreiten der Stoffwechselstörung assoziiert. Analysiert wurden Daten von über 83000 Typ-2-Diabetikern, bei denen
im Studienzeitraum zwischen 2003 und 2015 eine Statintherapie begonnen wurde. Eine Sekundäranalyse offenbarte zudem
eine dosisabhängige Wirkung: Je stärker das LDL-Cholesterin sank, umso größer war die Assoziation mit dem
Fortschreiten des Diabetes. Daher sollte vor dem Einsatz von Statinen bei Diabetikern eine genaue
Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen, so die Forscher.
Die Einnahme dieser Medikamente wird aber nicht nur mit einem erhöhten Risiko für Diabetes mellitus in Verbindung gebracht. Sie begünstigt auch die Entstehung von Myalgien und einen Anstieg der Lebertransaminasen (GOT/GPT). Statine können zudem die endogene Synthese von Coenzym Q10 (CoQ10) inhibieren, das für einen ordnungsgemäßen Energiestoffwechsel in den Zellen benötigt wird.
Antidiabetika
Auch Sulfonylharnstoffe (z.B. Glibenclamid), die bei T2DM indiziert sind, können
sich nachteilig auf den CoQ10- Status auswirken, indem sie die Aktivität CoQ10-abhängiger mitochondrialer
Enzymkomplexe inhibieren. Dies geht mit einem erhöhten Risiko für Störungen des Energiestoffwechsels (z.B. im
Herzmuskel oder Pankreas) und der antioxidativen Kapazität insulinproduzierender B-Zellen einher. Oxidativer Stress
ist an der Vernichtung insulinsezernierender B-Zellen und an den hyperglykämiebedingten Spätfolgen bei Typ1- und
Typ-2-Diabetikern maßgeblich beteiligt. Deshalb ist die Supplementierung antioxidativ wirksamer Mikronährstoffe, u.a.
CoQ10, sinnvoll.
Antihypertonika
(z.B. Clonidin oder Metroprolol) treten in Wechselwirkung mit CoQ10-abhängigen
Enzymkomplexen der Atmungskette auf, was den mitochondrialen Energiestoffwechsel stört und möglicherweise die kardiale
Bioenergetik beeinträchtigt. Unter der Behandlung mit Blutdrucksenkern kann die adjuvante Gabe von CoQ10 die
Bioenergetik des Herzens verbessern und den Bedarf an Antihypertonika senken. Dabei ist eine Dosis von täglich
mindestens 100 mg CoQ10 notwendig.
Mikronährstoffversorgung
Für alle Stoffwechselprozesse ist eine gute Versorgung mit
Mikronährstoffen (Vitaminen, Mineralien, Spurenelementen) unerlässlich. Doch die westliche Ernährungsweise,
Genussgifte, chronische Erkrankungen, Arzneimittel und Umweltschadstoffe können zu Unterversorgungen beitragen, die
Stoffwechselstörungen auslösen oder verschärfen.
Vitamin D
Frühere Forschungsarbeiten haben ergeben, dass ein Vitamin-D-Mangel das MetS-Risiko
erhöht. Eine Inflammation und Deregulierung der Adipokin-Sekretion tragen als zentrale Faktoren zur Pathogenese bei.
In einer aktuellen Studie konnte gezeigt werden, dass Leptin-, Resistin- und TNFα-Serumspiegel bei unzureichenden
Vitamin-D-Werten (<30 ng/ml im Serum) signifikant höher waren, während die Adiponektin-Serumwerte und das
Adiponektin/Leptin-Verhältnis signifikant geringer waren als in der Kontrollgruppe.
Leptin wird hauptsächlich im Fettgewebe produziert. Der Leptin-Spiegel wird nicht primär durch die Mahlzeiten reguliert, sondern durch die Fettmasse im Körper. Je mehr Fettgewebe, desto mehr Leptin wird in das Blut abgegeben. Unter den Adipokinen sind v.a. Leptin und Interleukin-6 in die Regulierung des Energiestoffwechsels und in durch Adipositas bedingte geringgradige Entzündungen involviert. Auch Myokine, Hormone der Skelettmuskulatur, die nach körperlicher Betätigung freigesetzt werden, beeinflussen sowohl die Stoffwechsel-Homöostase als auch die Funktion des Immunsystems.
Das Hormon Resistin wird im Fettgewebe gebildet und mit Insulinresistenz infolge von Adipositas in Verbindung gebracht.
Als Fettgewebshormon wird das Eiweiß Adiponektin v.a. von Adipozyten des weißen Fettgewebes, teilweise auch von Muskel- und Leberzellen produziert. Es beeinflusst die Insulinsensitivität durch eine Verbesserung der insulininduzierten Signaltransduktion positiv. Ferner werden dem Hormon antiarteriosklerotische und entzündungshemmende Wirkungen attestiert. Bei Adipösen ist der Adiponektin-Plasmaspiegel in der Regel verringert. Niedrige Adiponektin-Werte werden mit erhöhtem Risiko für T2DM und koronare Herzkrankheit in Zusammenhang gebracht. Zudem scheinen sie für die Entstehung des MetS von Bedeutung zu sein. Hohe Plasma-Adiponektin-Level senken dagegen die Wahrscheinlichkeit für Insulinresistenz und Arteriosklerose.
Coenzym Q10
Laut aktueller ESPEN-Mikronährstoff-Richtlinie der Europäischen Gesellschaft für
Klinische Ernährung und Stoffwechsel ist die vitaminähnliche Substanz CoQ10 essenziell für die Gesundheit aller Gewebe
und Organe. Auch zeigte sich, dass die CoQ10-Plasmawerte oft invers mit Entzündungsmarkern assoziiert sind. Reduzierte
Plasma-CoQ10-Spiegel offenbarten sich bei Diabetes mellitus, mitochondrialen, kardiovaskulären (chronische
Herzinsuffizienz) und neurodegenerativen Erkrankungen, Krebs, Sepsis sowie nach einem Herzstillstand. Ein
CoQ10-Defizit kann außerdem mit folgenden Symptomen einhergehen: erhöhtem Blutdruck, hohen Cholesterinwerten, Seh-
und/oder Hörverlust, Nierenschäden, Krämpfen, Wunden, Muskelkater, Muskelschwäche, Fatigue, geistiger Verwirrung sowie
Gingivitis.
Eine frühere Arbeit chinesischer Wissenschaftler hatte bereits unter Einnahme von CoQ10 vielversprechende Effekte in Bezug auf die Verbesserung der Lipid- und Blutzuckerprofile bei Patienten mit Fettstoffwechselstörungen gezeigt. In ihrer aktuellen Studie (randomisiert, doppelblind, placebokontrolliert) mit 101 Patienten, die unter Fettstoffwechselstörungen litten, konnten sie belegen, dass sich der Cholesterintransport zurück zur Leber mittels HDL-Cholesterin (Cholesterin-Efflux-Kapazität, CEC) und dessen antientzündliche Eigenschaften durch die Supplementierung mit CoQ10 (120 mg über 24 Wochen) signifikant verbesserten. Die CEC korreliert invers mit dem kardiovaskulären Risiko. Dasselbe Studien-Setting zeigte darüber hinaus, dass sich die Einnahme von CoQ10 über 24 Wochen günstig auf das Glukose-Lipid-Profil und die Adipokin-Dysfunktion bei Patienten mit Fettstoffwechselstörungen auswirkte.
Dass auch das MetS mit einem erhöhten Herzinsuffizienz-Risiko einhergeht, ist bekannt. Im Rahmen der internationalen Q-SYMBIO-Studie konnte gezeigt werden, dass die Gabe von CoQ10 (Prüfpräparat: Q10 Bio-Qinon® Gold, Pharma Nord) bei Herzinsuffizienz-Patienten die Sterblichkeitsrate um 43% reduzieren und den Herzmuskel stärken kann. Diese Effekte bestätigten sich in einer europäischen Subgruppen-Analyse.
Fazit
Da das Metabolische Syndrom multifaktoriell bedingt ist, sollte auch die Behandlung an
mehreren Stellen ansetzen, wobei eine Aufklärung über mögliche Ursachen des MetS und eine entsprechende
Lebensstilberatung immer die Basis bilden sollten. Neben endokrinen Disruptoren können sich unglücklicherweise auch
die gegen das MetS verschriebenen Medikamente nachteilig auf den Stoffwechsel auswirken, was aber gravierende
gesundheitliche Folgen für die Betroffenen haben kann. Diverse Studien deuten darauf hin, dass verschiedene
Mikronährstoffe (z.B. Vitamin D, Coenzym Q10) sowohl den Glukose- als auch den Fettstoffwechsel günstig beeinflussen
können. Präparate, die sich bereits in Studien bewährt haben, sollten bevorzugt werden.
Literatur kann bei der Redaktion angefragt werden.
Heike
Lück-Knobloch
Heilpraktikerin mit Schwerpunkten Kinderwunsch, Phytotherapie und Orthomolekulare
Medizin, Medizinjournalistin
Heike_lueck@gmx.de
Foto: © juliasudnitskayaI adobe.stock.com
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