Die Alexander-Technik
Eine Körpertherapiemethode für mehr Energie und positive Emotionen
Beneiden Sie auch manchmal Menschen, die schier unerschöpfliche Energien haben, geschickt und scheinbar mühelos die schwierigsten Aufgaben bewältigen, den ganzen Tag munter sind und dann nachts auch noch gut schlafen können? Das können Sie lernen – mit Hilfe der Alexander-Technik.
Die Körperhaltung beeinflusst Emotionen
Die Alexander-Technik ist eine Körpertherapiemethode, die der Schulung der körperlichen Haltung und Bewegung dient. Sie befähigt den Menschen, seine Haltungsund Bewegungsgewohnheiten zu optimieren und dysfunktionale Gewohnheiten abzulegen. Diese Technik soll gleichzeitig das psychische Gleichgewicht stabilisieren, wodurch sich positive Auswirkungen auf die Emotionen ergeben, da diese eng an die Körperhaltung gekoppelt sind.
Die Alexander-Technik ist eine Körperschule, die eine verfeinerte Körpereigenwahrnehmung und Koordination der Bewegungen sowie Entspannung in Haltung und Bewegung lehrt. Sie zielt darauf ab, innezuhalten (Inhibition), den eigenen Körper bewusster wahrzunehmen, und diese Bewusstheit über den eigenen Körper durch gedankliche, gezielte Selbstanweisungen (Directions) zu steuern, um schließlich die Koordination der verschiedenen Körperteile untereinander zu harmonisieren, Stress zu reduzieren und das allgemeine Wohlbefinden zu steigern.
Zentraler Gedanke ist es, sich aus dem Teufelskreis ungünstiger Gewohnheiten zu lösen und diese durch Bewusstheit zu ersetzen. Alexander formulierte es so: „Wenn ihr aufhört, das Falsche zu tun, geschieht das Richtige von selbst.“ Besonderes Augenmerk legte Alexander auf das Verhältnis des Kopfes zum Hals. Nach seiner Lehre soll der Kopf frei und ohne größere muskuläre Anstrengung völlig natürlich auf dem Hals balancieren. Diese Balance nannte er „Primärsteuerung“, da sie einen positiven Einfluss auf die Bewegung und Koordination des gesamten Körpers sowie auf die psychische Verfassung habe. Eine in der Alexander-Technik verwendete gedankliche Selbstanweisung lautet z.B.: „Lass den Hals frei, sodass sich der Kopf nach vorn und oben orientieren und sich der Rücken längen und weiten kann.“
Mit der Alexander-Technik lernt man also, willentlich seine Bewegungsabläufe und die Körperhaltung zu verbessern und damit die Gesundheit zu fördern.
Alexander-Technik kontra Fehlhaltungen
Viele Menschen reagieren bereits auf leichtere, alltägliche Aufgabenstellungen mit Erschöpfung, Unausgeglichenheit, Verspannungen, Bewegungseinschränkungen oder sogar mit Schmerzen. Sie nehmen bei ihren alltäglichen Handlungen und Tätigkeiten ungesunde Körperstellungen ein, ohne dass sie dies bewusst wahrnehmen. Weit verbreitet sind der schiefe, gebeugte Rücken, die unnatürliche Verlagerung des Kopfes nach vorne oder die Stauchung des vorderen Brustkorbs. Solcherlei Gewohnheiten lassen sich nur schwer durchbrechen (Macht der Gewohnheit). Die Folgen dieser Fehlhaltungen können ernste gesundheitliche Probleme sein, die dann nicht mehr nur den Bewegungsapparat betreffen. Physiotherapeuten setzen die Alexander-Technik gegen Rücken-, Schulter- und Kopfschmerzen sowie zum Stressabbau ein. Studien zufolge kann sie auch bei Morbus Parkinson zur Anwendung kommen. Unter Musikern, Tänzern und Schauspielern ist die Alexander-Technik seit langem fester Therapiebestandteil.
Geschichte
Die Alexander-Technik wurde von Frederick Matthias Alexander (1869–1955) entwickelt, einem australischen Schauspieler und Shakespeare-Rezitator. Er litt unter einer andauernden, zunehmend therapieresistenten Heiserkeit und unter eingeschränkter Atmung, was seine Berufstätigkeit ernsthaft bedrohte.
Durch jahrelange Selbstbeobachtung entdeckte er, dass sein Wohlbefinden, aber auch seine Heiserkeit davon abhingen, wie er sich körperlich bewegte. Er schloss daraus, dass sich verschiedene Bewegungsmuster des Menschen auf die Funktionalität des gesamten Organismus auswirken. Im Umkehrschluss folgerte Alexander, dass eine systematische Schulung von Körperhaltungen und -bewegungen die Gesundheit von Patienten verbessern müsse. Seine von ihm seit 1931 an Schüler weitergegebene Technik wird als Vorgänger weiterer somatopädagogischer Methoden wie Feldenkrais, Rolfing und andere angesehen.
Sich selbst bewusst erleben
Die Alexander-Technik basiert auf der Überzeugung, dass der Mensch ein Organismus sei, in dem alle geistigen, seelischen und körperlichen Prozesse untrennbar untereinander kybernetisch verbunden sind. Als idealtypische Haltung gilt dabei eine möglichst aufrechte, gerade Haltung bei gleichzeitig größtmöglicher emotionaler Gelöstheit. Der Unterricht erfolgt in einem sehr langsamen, quasi meditativen Tempo, in dem sich der Schüler seiner Empfindungen auch bei kleinsten Haltungs- und Bewegungsunterschieden bewusst werden kann. Der Lehrer arbeitet sowohl mit Handlungsanweisungen, als auch mit begleitenden sanften manuellen Korrekturen.
Sanft angeleitet
Die Lehrer der Alexander- Technik fassen mit den Händen die Klienten gezielt an, um Verkrampfungen und unvorteilhafte Stellungen aufzuspüren und zu beheben. Nicht förderlich für den Erfolg der Alexander- Technik ist daher die Abneigung gegen Berührungen von anderen fremden Menschen, da Berührungen in der Alexander-Technik eine große Rolle spielen.
Eingeübt werden bei der Alexander-Technik besonders solche Bewegungen, die im Alltag der jeweiligen Person häufig vorkommen, beispielsweise Gehen, Stehen, Sitzen oder einfach das Aufrechthalten des Kopfes auf dem Hals. Die neuartigen Haltungen während der Ausführung der Alexander-Technik fühlen sich zunächst oft ungewohnt und verkehrt an, was aber im Verlauf des Unterrichts durch eine verbesserte Körperwahrnehmung mehr und mehr in den Hintergrund rückt und einem vollkommen neuen Körpergefühl weicht.
Klinische Studien
Aufmerksam geworden durch zunehmende Erfolgsmeldungen zuerst aus der Künstlerszene und vermehrt aus dem weniger spektakulären beruflichen Alltag sind namhafte Wissenschaftler angetreten, die behaupteten Erfolge der Alexander-Technik zu erschüttern. Heraus kam ein Beweis für die weitreichende Wirkung der Alexander-Technik.
Studie zum Nachweis der Wirksamkeit der Alexander-Technik bei Patienten mit parkinsonscher Erkrankung:
Methodik der Studie
93 Personen wurden nach dem Zufallsprinzip in drei Gruppen aufgeteilt, vergleichbar nach Alter, Geschlecht, Dauer und Schwere der Erkrankung:
Gruppe 1 = normale Behandlung
Gruppe 2 = normale Behandlung plus 24 Unterrichtsstunden in Alexander-Technik
(AT)
Gruppe 3 = normale Behandlung plus 24 therapeutische Massagen (TM)
Eine Selbsteinschätzung der Probanden zum Stand ihrer Fähigkeiten wurde unmittelbar vor der ersten Behandlung, drei Monate nach Beendigung der Anwendungen und drei Monate später, also insgesamt sechs Monate nach Therapiebeginn vorgenommen.
Resultat 1 – Fragebogen
AT | TM | |
verbessertes Gleichgewicht/Haltung | 59% | 7% |
verbessertes Gehen | 48% | 3% |
verbessertes Sprechen | 38% | 3% |
mehr Energie/weniger müde | 31% | 7% |
verminderter Tremor | 28% | 7% |
Resultat 2 – Subjektiv empfundene Ergebnisse
Bei der Nachuntersuchung waren die Probanden der AT-Gruppe verhältnismäßig weniger depressiv als die Probanden der normal behandelten Gruppe, nach sechs Monaten war die verhältnismäßige Verbesserung wieder weniger markant.
Einschätzung durch Eigenskala
Bei der Nachuntersuchung wurde die absolute Verbesserung in der AT-Gruppe auf 5,1 Punkte eingeschätzt, verglichen mit 1,6 für die Gruppe mit normaler Behandlung; nach sechs Monaten waren die Verbesserungen der AT-Gruppe verhältnismäßig größer.
Fragebogen (Nachuntersuchung):
AT | TM | |
positiver/hoffnungsvoller | 41% | 14% |
weniger Stress und Panik | 35% | 7% |
verbessertes Selbstbewusstsein | 28% | 0% |
Parkinson-Medikation und Symptome
Im Vergleich zu den AT-Probanden musste ein größerer Teil der nicht AT-Probanden die Medikation anpassen, um ihre Symptome zu verbessern.
Bei Personen, die die Medikation während der sechs Monate nicht angepasst hatten, verschlechterten sich die Symptome mehr als bei jenen, die der AT-Gruppe angehörten.
Klinische Schlussfolgerungen
Die Alexander-Technik ist eine echte Therapieoption, um Gliederzittern, Muskelsteifheit und Bewegungseinschränkungen zu lindern. Sie ist zudem relativ einfach zu erlernen und kann von den Patienten mühelos in ihre Alltagsaktivitäten eingegliedert werden.
Studien zur Wirksamkeit von Alexander-Technik- Unterricht (AT), klassischer Massage und leichter sportlicher Bewegung bei Patienten mit chronischen beziehungsweise rezidivierenden Rückenschmerzen:
Methodik
Von Juli 2002 bis Juli 2004 wurde aus 64 allgemeinmedizinischen Praxen im Südwesten Englands eine Gruppe aus 579 Patienten mit chronischen beziehungsweise rezidivierenden lumbalen Rückenschmerzen zusammengestellt. Sie wurden nach dem Zufallsprinzip vier Gruppen zugeteilt:
Kontrollgruppe – übliche allgemeinmedizinische Behandlung (144 Teilnehmer)
6 klassische Massage-Einheiten (147
Teilnehmer)
6 Alexander-Technik-Stunden (144 Teilnehmer)
24 Alexander-Technik-Stunden (144 Teilnehmer)
Je die Hälfte dieser vier Gruppen erhielt zusätzlich eine ärztliche Verordnung zu einem individuellen Bewegungsprogramm mit drei Beratungssitzungen bei einer medizinischen Fachkraft. Somit entstanden acht unterschiedliche Untersuchungsgruppen.
Die Wirkung der untersuchten Methoden wurde primär anhand von zwei Größen verglichen:
- einem Fragebogen, bestehend aus 28 Fragen zur Erfassung von Tätigkeitseinschränkungen aufgrund der Rückenschmerzen (Roland-Morris Disability Questionnaire) und
- der Ermittlung der Anzahl der Schmerztage innerhalb der letzten vier Wochen vor der jeweiligen Befragung.
Messungen wurden unmittelbar vor der ersten Behandlung, nach drei Monaten und schließlich ein Jahr nach Beginn der Versuchsreihe durchgeführt.
Ergebnisse nach einem Jahr:
Keine signifikanten
Veränderungen innerhalb der Kontrollgruppe.
Alexander-Technik: segensreich
24 Unterrichtsstunden Alexander-Technik erzielten die größte positive Wirkung: nur noch drei Schmerztage pro Monat (eine Verringerung um 86%) gegenüber 23 Schmerztagen in der Kontrollgruppe sowie eine Verminderung der Tätigkeitseinschränkungen um 42%.
Sechs Unterrichtsstunden Alexander-Technik kombiniert mit dem Bewegungsprogramm erzielten 72% der positiven Wirkung, die mit 24 Stunden Alexander-Technik erreicht wurde.
Sechs Massage-Einheiten kombiniert mit dem Bewegungsprogramm erzielten eine Reduzierung der Schmerztage um 33%. Eine Verbesserung bei den Tätigkeitseinschränkungen zeigte sich nur bei der Messung nach drei Monaten, nicht jedoch als Langzeiteffekt bei der Messung nach einem Jahr.
Die Ergebnisse zeigen, dass der Unterricht in der Alexander-Methode einen nachhaltigen positiven Effekt erzielt, indem er die Schmerztage pro Monat signifikant verringert und die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität der Patienten erhöht.
„Dies ist ein bedeutender Schritt vorwärts in der Langzeitbehandlung von Rückenschmerzen. Die Ergebnisse dieser
Studie zeigen, dass die Alexander-Technik Rückenschmerzen lindern kann. Dem Anschein nach geschieht dies durch eine
Verringerung der Muskelspannung, Stärkung der Aufrichtemuskulatur, verbesserter Koordination und Beweglichkeit sowie
Druckentlastung der Bandscheiben. Für die Patienten bedeutet es, dass sie in ihren Aktivitäten oder Aufgaben weniger
durch Schmerzen eingeschränkt sind.“
Prof. Paul Little, Universität Southhampton, Leiter des Forscherteams.
In einer weiteren Studie haben Wissenschaftler aus Deutschland zeigen können, dass eine intensive Therapie mit einem Alexander-Lehrer die Stottersymptomatik deutlich lindern kann.
Weitere Studien sind in Arbeit. Fest steht jedoch schon jetzt, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen Körper (griech. Soma) und Psyche gibt.
Für wen ist die Alexander-Technik geeignet?
Prinzipiell kann sie jeder erlernen und von ihrer Ausführung profitieren. Besonders von Vorteil ist die Anwendung der Alexander- Technik bei Personen, die an Verspannungen und ähnlich gelagerten Problemen des Bewegungsapparates leiden. Stresssymptome können durch die Alexander-Technik ebenso bekämpft werden wie chronische Schmerzzustände. Einen Nutzen aus der Alexander- Technik ziehen ebenfalls Musiker, Schauspieler, Sportler und andere Menschen, bei denen koordinierte Bewegungsabläufe eine größere Rolle im Alltag spielen.
Gegenanzeigen
Bei Verletzungen sollte je nach Schwere der Beginn der Sitzungen besser bis nach der Ausheilung verschoben werden. Nicht förderlich für den Erfolg der Alexander-Technik ist auch die Abneigung gegen Berührungen von anderen Menschen, da diese in der Alexander-Technik eine große Rolle spielen.
Fazit
Wenn wir die sanft fließenden, oft anmutigen Bewegungen von Kindern oder auch von Naturvölkern beobachten, dann erkennen wir eines deutlich: Mit der Alexander-Technik wird im Grunde keine neue Methode erlernt. Vielmehr erwecken wir das in uns schlummernde Wissen um natürliche, gesunde und ökonomische Bewegungsabläufe zu neuem Leben. Und beeinflussen durch eine bessere Körperhaltung unsere Psyche positiv.
Michael J. Bader
Heilpraktiker für Psychotherapie
(i.A.), Mitglied im VFP
psychomentaltherapie@t-online.de
Literaturempfehlungen:
- F. M. Alexander, Der Gebrauch des Selbst. Karger, Basel, Freiburg, 2001
- F. M. Alexander, Die konstruktive bewusste Kontrolle des individuellen Menschen. Karger, Basel, Freiburg, 2006
- Michael Gelb, Körperdynamik. Eine Einführung in die Alexander-Technik. Runde Ecken Verlag, Frankfurt, 2004
- Pedro de Alcantara, Alexander-Technik für Musiker. Bärenreiter-Verlag, Kassel, 2002
- Malcolm Balk; Andrew Shields, Master the Art of Running. Collins & Brown, London, 2006
- Chris Stevens, Alexander-Technik: Ein Weg zum besseren Umgang mit sich selbst. Sphinx Verlag, Basel, 1993
- Wilfried Barlow, Die Alexander-Technik. Goldmann, München, 1993
- Peter Geißler, Regression in der Körperpsychotherapie. In: Marlock, Gustl/Weiss Halko: Handbuch der Körperpsychotherapie. Schattauer, 2006
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