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Naturheilkunde
Lesezeit: 11 Minuten

Orthomolekulare Substanzen

Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile

(Aristoteles, 384-322 v. Chr.)

Warum Vitalstoffe nur zusammen physiologisch wirken

© cirquedesprit - Fotolia.comIn der orthomolekularen Medizin scheint sich ein Paradigmenwechsel weg von den hochdosierten Einzelsubstanzen und hin zu komplexen Vitalstoffprodukten zu vollziehen. Dieser Wechsel lässt sich auch anhand zahlreicher Studien der letzten Jahre dokumentieren und bringt neben mehr Sicherheit auch zusätzliche Therapieoptionen. In diesem Zusammenhang scheint sich die Begrifflichkeit „moderne Vitalstofftherapie bzw. moderne Vitalstoffmedizin“ durchzusetzen.

Das Leben ändert sich

In den letzten Jahrzehnten haben sich die Anforderungen an uns Menschen, speziell in den Industrienationen, deutlich verändert. Die Lebensrhythmen haben sich verschoben, ehemals klassische Rollen und auch Rituale in der Gesellschaft wandeln sich, und natürlich hat sich auch die Umwelt verändert. Dies alles kann beträchtliche Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben – ich möchte Ihnen dies am Beispiel der Vitalstoffe aufzeigen.

Die Wichtigkeit der Vitalstoffe

Unter Vitalstoffen verstehen wir alle Mikronährstoffe, die keine direkten Energielieferanten darstellen, die aber für einen reibungslosen Ablauf der über 100 000 komplexen Stoffwechselprozesse notwendig sind. Dazu gehören natürlich die 45 essentiellen Vitamine, Mineralien und Spurenelemente, aber auch Vitaminoide und die riesige Zahl der sekundären Pflanzenstoffe (Phytochemicals). Jeder einzelne Vitalstoff erfüllt lebenswichtige Funktionen im Organismus. Doch erst im Zusammenspiel erreichen diese Bausteine des Lebens ihre volle Wirkungskraft. Deshalb werden die Vitalstoffe oft auch mit einem großen Orchester verglichen, bei dem auch das Fehlen einzelner Instrumente die Harmonie gewaltig stören kann.

Wichtige Aufgaben der Vitalstoffe sind u.a. die Verwertung der aufgenommenen Makronährstoffe (Fett-, Zucker und Eiweißstoffwechsel), die Bereitstellung von Energie, der Aufbau von Zellen und Geweben und deren Schutz vor freien Radikalen, die Reizübertragung im Nervensystem, die Bildung von Hormonen und anderen Botenstoffen sowie die Entgiftung des Körpers.

Durch die bekannte Kampagne der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) „Fünf am Tag“ wissen wir, dass zur Deckung des täglichen Bedarfs an Vitalstoffen mindestens fünf Portionen Obst und Gemüse notwendig sind. Grundsätzlich ist zu bemängeln, dass die Zufuhrempfehlungen für Vitalstoffe nur für gesunde Menschen gelten und nur die Vermeidung von Krankheiten wie Skorbut, Beriberi oder Pellagra, nicht aber prophylaktische oder therapeutische Möglichkeiten einschließen. Die Liste der Menschen, die wohl nicht mit den empfohlenen 650 Gramm Obst und Gemüse auskommen, ist lang.

Der Vitalstoffbedarf kann sich laut DGE erhöhen durch

  • Rauchen
  • Alkoholkonsum
  • Alter
  • Ernährungsgewohnheiten
  • Aktivität und Sport
  • Genetische Unterschiede
  • Umweltgifte
  • Krankheiten oder Operationen
  • Stress
  • Einnahme von Medikamenten
  • Schwangerschaft und Stillen
  • Wachstumsphasen (Kinder)

Drei Beispiele können Ihnen die Ausmaße des Vitalstoffmehrbedarfs verdeutlichen:

Eine Zigarette kann durch die enorme Anzahl der produzierten freien Radikale bis zu 30 mg Vitamin C verbrauchen!

Ein Glas eines alkoholisches Getränks (ca. 2 g Alkohol) verdoppelt den Tagesbedarf an Magnesium.

Der österreichische Laborarzt Prof. J. Birkmayer hat errechnet, dass in den letzten 30 Jahren die Schadstoffbelastung für den Menschen 50 mal höher geworden ist.

Letztendlich wird es Sie nicht überraschen, dass de facto fast alle Menschen einen erhöhten Vitalstoffbedarf aufweisen.

Leider fehlen weitgehend Zufuhrempfehlungen für chronisch kranke Menschen oder bestimmte Lebensumstände. Die orthomolekulare Medizin versucht hier mit zahlreichen Studien diese Informationslücke zu schließen.

Wir brauchen mehr Vitalstoffe

Eine Untersuchung aus dem Jahr 2000 hat ergeben, dass 8 % der Deutschen nicht einmal 250 Gramm Obst und Gemüse pro Tag verzehren. Die Ernährungsberichte der letzten Jahre zeigen dementsprechend immer wieder erschreckende Lücken in der Vitalstoffversorgung der Deutschen auf.

Untersuchungen und die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass sich auch sehr viele Menschen hierzulande dieser Tatsache bewusst sind. Die Umsätze in Bereich der Nahrungsergänzungsmittel nehmen ständig zu. Einer FORSA-Studie zufolge greift in Deutschland jeder Dritte zu Nahrungsergänzungsmitteln, wodurch der Jahresumsatz auf über 1 Milliarde Euro, allein für Vitamin- und Mineralstoffpräparate, geschätzt wird.

Bemerkenswert finde ich übrigens, dass sich auch die meisten Experten diesem Trend nicht entziehen: Eine Umfrage des Magazins „Prevention“ bei den angesehensten Ernährungswissenschaftlern der USA ergab, dass diese ausnahmslos Vitalstoffe zusätzlich einnahmen.

Einzeln oder Prinzip Gießkanne

Unstrittig dürfte sein, dass wir mehr Vitalstoffe benötigen, als wir derzeit aufnehmen. Die Frage drängt sich auf, welche Form der Nahrungsergänzung wohl für uns die Beste ist. Einzelne Vitalstoffe, ganz gezielt, hochdosiert oder doch lieber moderate Dosen und dafür alles in einem Produkt? Die Datenlage der letzten Jahre und auch unser „gesunder Menschenverstand“ führen uns hier auf die richtige Spur.

Spontan würden wir doch sagen, eine Nahrungsergänzung sollte sich so nah wie möglich am Original, an den ursprünglichen Lebensmitteln orientieren. Doch die Praxis und die Empfehlungen der orthomolekularen Medizin sahen bis vor kurzem anders aus. Hier wurde von den Erben Linus Paulings lange mit hochdosierten Einzelpräparaten gearbeitet. Doch es scheint sich ein Paradigmenwechsel zu vollziehen. Nicht zuletzt aufgrund der vermehrt veröffentlichten negativen Studienergebnissen mit entsprechendem Echo in der Laienpresse.

So wurden in der finnischen ATBC-Studie Beta- Carotin und Vitamin E im Langzeitversuch getestet. Es fand sich bei den Rauchern ein Anstieg der Lungenkrebshäufigkeit um 8%. In einer Metaanalyse wurden zuletzt der Einfluss von Beta-Carotin und Vitamin E auf die kardiovasculäre Morbidität und die Gesamtmortalität untersucht. Auch hier fanden sich sogar leichte Anstiege in der Vitalstoff-Gruppe. Doch wie überraschend sind solche Ergebnisse wirklich, wenn man die menschliche Physiologie näher betrachtet?

Nicht sehr überraschend, würde ich sagen. Alle Stoffwechselprozesse sind in sehr viele kleine Einzelschritte unterteilt. Für jeden Einzelschritt werden Enzyme zur Steuerung der Reaktion benötigt und fast jedes Enzym benötigt Vitalstoffe zum Funktionieren. So ist beispielsweise Zink an der Funktion von über 200 Enzymen beteiligt. Der Stoffwechsel ist also immer nur so stark, wie das schwächste Glied in der Produktionskette. Und so zeigen jetzt auch die Studien der vergangenen Jahre in eine andere Richtung. Komplexe Ergänzungen schneiden in der Regel besser ab als Einzelsubstanzen.

Das Zusammenspiel der Vitalstoffe ist komplex. Da sich das Vitamin-E-Molekül durch seine Schutzaufgabe selbst verbraucht und damit selbst zum freien Radikal wird, müssen die nachfolgenden Entgiftungsprozesse immer voll funktionsfähig sein. Wenn ein Studiendesign aber nur die Gabe von Vitamin E vorsieht, kann sich das Gleichgewicht der Vitalstoffe rasch verschieben und es häufen sich Vitamin-E-Radikale in den Zellen an, die natürlich genauso schädlich sind wie alle anderen Radikale.

Ähnliches gilt für Beta-Carotin: Unser Körper benötigt eben nicht nur Beta-Carotin, sondern eine möglichst natürliche Mischung aller etwa 500 Carotinoide. Als Pflanzenfarbstoffe schützen Carotinoide Pflanzen vor den schädigenden Wirkungen des Lichtes, indem reaktive Sauerstoffverbindungen (Singulet-Sauerstoff) inaktiviert werden. Da Carotinoide vom Menschen intakt resorbiert werden, bleibt diese Wirkungsweise als Antioxidans erhalten.

Eine Analyse von sieben Kohorten-Studien ergab, dass natürliche Carotinoide aus Lebensmittel bei allen Bevölkerungsgruppen vor Lungenkrebs schützen. Explizit erwähnt wird auch der Schutzeffekt bei Rauchern und bei anderen Risikofaktoren.

Ein weiterer wichtiger Vorteil, der für die Einnahme einer natürlichen Carotinoid-Mischung spricht, ist, dass die unterschiedlichen Carotinoide sich in verschiedenen Organen anreichen. So schützen Lutein und Zeaxanthin speziell die Netzhaut und die Macula am Auge, Lycopin wird vor allem in der Lunge und der Prostata nachgewiesen und Beta-Carotin wird u.a. in der Haut gespeichert und entfaltet dort seine spezielle Schutzwirkung.

So nah wie möglich an der Natur

Die Schutzwirkung der Vitalstoffe entfaltet sich erst im natürlichen Verbund der Lebensmittel. Dies zeigen zahlreiche Studien eindrucksvoll. An der Universität von Illinois wurde die Wirksamkeit von Lycopin gegen Prostatakrebs getestet. Lycopin allein hatte keinen Schutzeffekt, stattdessen ging die Mortalität mit Tomatenpulver um 26 % zurück. Sehr beeindruckend sind auch die Ergebnisse einer Studie vom Vanderbilt University Medical Center zum Thema Alzheimer: Es zeigte sich, dass Fruchtund Gemüsesäfte im Gegensatz zu einzelnen Antioxidantien das Risiko für eine Alzheimer-Erkrankung um 76 % senken konnten.

Ein in der Praxis häufiges Problem ist der Folsäure-Mangel, denn laut Ernährungsbericht ist die Versorgungslage bei diesem Vitalstoff in allen Bevölkerungsgruppen kritisch. Doch auch hier tritt wieder das Problem mit der Substitution einzelner Vitalstoffe auf: Zum einen wirkt Folsäure erst im Zusammenspiel mit den anderen B-Vitaminen optimal, zum anderen kann die einseitige Gabe eines Mitgliedes des B-Komplexes zu einem funktionellen Mangel der anderen B-Vitamine führen.

Eine Ergänzung von Folsäure im B-Komplex ist natürlich trotzdem sehr wichtig. So erzielte die Auswertung der nationalen Verzehrstudie Vera das schockierende Ergebnis, dass 99 % der Frauen zwischen 19 und 35 Jahren zu wenig Folsäure aufnahmen. Die Pille fördert die Unterversorgung zusätzlich. Da durch verbesserte Folsäure-Werte das Risiko für Neuralrohrdefekte um 70 % gesenkt werden kann, sollten junge Frauen schon frühzeitig – am besten deutlich vor der Schwangerschaft – mit der Einnahme eines komplexen Vitalstoffpräparates beginnen.

Ebenfalls enorm wichtig ist diese Substitution zur Senkung der vielfach erhöhten Homocysteinspiegel. Homocystein spielt nicht nur im Herz-Kreislaufsystem eine gefährliche Rolle, erhöhte Spiegel sind ein eigenständiger und starker Risikofaktor für die Entwicklung einer Demenz: Plasma-Homocysteinspiegel über 14 μmol/l verdoppeln unabhängig von Geschlecht und Alter das Risiko für eine Demenzerkrankung. Zusätzlich sind erhöhte Homocysteinspiegel ein unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung einer Osteoporose bei Frauen. Bei Männern stellt die Hyperhomocysteinämie einen Risikofaktor für erektile Dysfunktion und schlechte Spermienqualität dar, zudem korreliert die Vitamin B12-Konzentration im Serum signifikant mit der Spermienkonzentration. Die kardiovaskuläre Mortalität steigt übrigens linear mit erhöhten Homocysteinspiegeln an:

 2012-04-Ortho2

Ebenfalls für die Praxis sehr relevant ist die Möglichkeit, durch eine Homocystein senkende Therapie mit einem komplexen Vitalstoffpräparat die Wahrscheinlichkeit eines kardiovaskulären Ereignisses bei KHK-Patienten nach PTCA signifikant zu senken.

Die Natur ist unnachahmlich

Nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft verfügt nur die Mischung von natürlichen Antioxidantien aus Lebensmitteln über ein hohes Schutzpotenzial. Angewendet auf die orthomolekulare Medizin und unter Berücksichtigung der oben genannten Erkenntnisse lässt sich dies wie folgt formulieren: Nur in natürlichen, komplexen Vitalstoffpräparaten finden Sie diese optimale Mischung von Vitaminen, Mineralien, Spurenelementen, Vitaminoiden und sekundären Pflanzenstoffen, die uns die Natur seit Millionen von Jahren vorgibt. Das orthomolekulare Präparat der Wahl sollte ein Konzentrat aus möglichst vielen Lebensmitteln sein, wie z.B. das LaVita-Vitalstoffkonzentrat. Dabei verfügt die flüssige Darreichungsform über die beste Bioverfügbarkeit, da viele Stoffe bereits mit den Schleimhäuten resorbiert werden. Im Gegensatz zu hochdosierten Stoffen können natürliche Komplexpräparate zudem dauerhaft und gefahrlos eingenommen werden, sowohl präventiv, als auch zur Unterstützung von Therapien sowie zur Verbesserung von Parametern wie Homocystein, rote Blutkörperchen etc. Hochdosierte Präparate mit isolierten Substanzen dagegen sind allenfalls als Medikamente zu sehen. Sie sollten ausschließlich nach Rücksprache mit einem Therapeuten und zeitlich begrenzt genutzt werden.

Dr. med. Harald Hüther
Dr. med. Harald Hüther
Leiter des Instituts Opti-Mahl für Ernährung und Prävention
info@opti-mahl.info

Literaturempfehlung:

  • Hüther, Dr. med. Harald, Spezialratgeber Ernährung (80-seitig), kann kostenlos beim Autor per E-Mail anfordert werden

Literaturhinweise:

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  • GFK-Ernährungsforschung: Nationale Verzehrstudie 1985-1989
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