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Naturheilkunde
Lesezeit: 8 Minuten

Mehr Gelassenheit dank Tibetischer Medizin

AUSGEWOGENE GESCHWINDIGKEIT
auf dem mentalen Tachometer

Mentale Gelassenheit, tibetisch „semde“, ist ein zentrales Element der buddhistischen Philosophie und hilft, den Alltag mit der nötigen Ruhe und effizient zu meistern. Für eine optimale mentale Aktivität und Leistungsfähigkeit ist gemäß Tibetischer Konstitutionslehre das Gleichgewicht zwischen Entspannung und Aktivierung wichtig. Mit dem Bild eines „mentalen Tachometers“ bedeutet das, anhaltend mit einer mittleren, aber zügigen Geschwindigkeit unterwegs zu sein. Die Tibetische Konstitutionslehre kennt unterschiedliche Methoden, um die Tachonadel in diesem Bereich zu halten. Neben Ernährungs- und Verhaltenstipps spielen v.a. Kräutermischungen mit wärmenden, erdenden und balsamischen Gewürzen eine Rolle.

Die Balance macht‘s

Wer wünscht sich nicht manchmal, ein „dickeres Fell“ zu haben, und die Fähigkeit, sich durch alltägliche Ärgernisse, Herausforderungen und Ansprüche von Arbeitgebern, Kunden, Familie oder aus dem Freundeskreis nicht stressen zu lassen. Größer gedacht, ermöglicht eine gelassene, heitere Geisteshaltung auch einen stressfreieren Umgang mit Problemen und so einen positiveren, zuversichtlicheren Blick in die Zukunft.

Welche Faktoren für eine Person als Stress empfunden werden, ist individuell und abhängig von der Grundkonstitution, vergangenen Erlebnissen und Erfahrungen, der aktuellen (Tages-)Verfassung etc. Was den einen stresst, ist für den anderen eine spannende Herausforderung. Entscheidend ist die Balance zwischen diesen Anforderungen und den persönlichen Ressourcen. Wie bei einer Waage, können größere Ressourcen, also höhere Coping-Fähigkeiten, mehr Stressfaktoren ausbalancieren (Abb. 1).

Die Tibetischen Konstitutionstypen

Die mentalen Eigenschaften, Stärken und Schwächen sind ebenso wie andere körperliche und psychologische Eigenheiten gemäß Tibetischer Lehre bei den verschiedenen Konstitutionstypen unterschiedlich ausgeprägt. Diese Anschauungsweise basiert auf drei grundlegenden Prinzipien, genannt Lung, Tripa und Beken. Sie sind die Manifestation von 4 der 5 Elemente, die mit ihren Charakteristika und Funktionen korrespondieren. Die drei Prinzipien liegen in jeder Person in einem individuellen Verhältnis vor, das die Grundkonstitution bestimmt. Für Gesundheit und Wohlbefinden ist das individuelle, konstitutionsgerechte Gleichgewicht entscheidend. In der Regel sind ein bis zwei Prinzipien dominant, selten sind alle drei gleich stark ausgeprägt. Das bedeutet, dass man 7 Grundtypen unterscheiden kann. Diese Konstitution zeigt sich einerseits in körperlichen Eigenschaften, z.B. Körperbau, Gesichtsform, Ausprägung von Haut und Haaren, auch im Wärme-/Kälteempfinden, Metabolismus (Neigung zum Zu- oder Abnehmen) und Ernährungsverhalten. Weiter unten werden die drei Grundprinzipien bzw. die Konstitutionstypen, in denen jeweils eines dieser Prinzipien vorherrscht, näher beschrieben.

Auswirkung der Konstitution auf die Psyche

Über die körperlichen Charakteristika, metabolischen Voraussetzungen und Vorlieben hinaus wirkt sich die Grundkonstitution auch auf mentale und psychische Eigenschaften aus. Beispielsweise sind geistige Beweglichkeit, Entschlusskraft, Beharrlichkeit, mentale Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit bei den Konstitutionstypen unterschiedlich ausgeprägt. Spezifisch sind die Konstitutionstypen mental unterschiedlich stark „geerdet“, sie lassen sich unterschiedlich leicht aus der Ruhe bringen. Demgegenüber haben verschiedene Typen eine unterschiedlich stark ausgeprägte Fähigkeit zur geistigen Flexibilität, was sich im negativen Sinn bei Überlastung in Unstetigkeit und Nervosität äußern kann. Solche Menschen sind schneller „durch den Wind“ als andere.

Das mentale Tachometer – Zusammenhang zwischen mentaler Aktivierung und Leistungsfähigkeit

Wie bei der individuellen Konstitution und den drei Prinzipien, ist auch beim mentalen Aktivitätslevel die Balance das A und O. Zu wenig Aktivierung auf dem „mentalen Tachometer“ (Abb. 2) macht den Geist träge und bequem, lässt ihn nicht zur vollen Leistungsfähigkeit auflaufen. Es fehlt die Energie für Fokus und Konzentration. Dem entgegengesetzt beschleunigt Überstimulierung unser Gedankenkarussell. Sie kann zu Nervosität führen und dem Geist zu wenig Ruhe für die volle Konzentration und Leistungsfähigkeit lassen.

1. Der Lung-Typ – geistig beweglich und mental auf Hochtouren

Lung ist das bewegliche, bewegende und lebenserhaltende Prinzip. Es wird vom Element Luft bestimmt und ist von thermisch neutraler bis kühler Natur. Wie der Wind, als bewegtes Luft-Element, kann es die anderen beiden Prinzipien verstärken, indem es das Feuer des Tripa-Prinzips anfacht oder die Wasser-Erd-Elemente von Beken weiter auskühlt. Es ist u.a. zuständig für dynamische Prozesse, Atmung und Blutfluss, auch für geistige Beweglichkeit, Flexibilität und Fantasie. Im harmonischen Zustand sorgt die Lung-Energie für Geistesklarheit, im negativen für Irritation. Faktoren, die das Lung-Prinzip verstärken, sind Wind und Kälte, Stress, viel gedankliche Arbeit, mentaler Overload, zu viel Fernsehen, Smartphone oder PC-Arbeit, unregelmäßige Nahrungsaufnahme, leichte und kühle Nahrung, Hunger.

Ausgeprägter Lung-Anteil

Menschen mit konstitutionell hohem Lung-Anteil haben oft eine starke geistige Aktivität. Sie denken und sprechen schnell. Sie neigen dazu, sprunghaft zu sein und sich schnell ablenken zu lassen. Oft haben sie viel Fantasie und sind in einem kreativen Beruf tätig. Sie haben die Tendenz, empfindlich auf Stress zu reagieren und neigen zu Nervosität. Auf dem mentalen Tachometer sind sie mit hoher Geschwindigkeit unterwegs. Bei ihnen können erdende und beruhigende Maßnahmen einem Überschießen des Lung-Prinzips entgegenwirken und die Effizienz optimieren. Sie können von wärmenden, balsamischen Kräutern und Gewürzen profitieren.

2. Der Tripa-Typ – zielorientiert mit Neigung zum mentalen Überhitzen

Tripa beinhaltet das Element Feuer und ist von heißer Natur. Es stellt das wärmende, katabole und motivierende Prinzip dar. Körperlich ist es zuständig für die Verdauung von Nahrung, die Aufrechterhaltung der Körpertemperatur, Sehkraft und Hautteint. Es verleiht eine vitale Ausstrahlung, ist verantwortlich für Temperament und Mut. Im harmonischen Zustand sorgt Tripa für Wohlbefinden, der negative Aspekt ist Reizbarkeit. Faktoren, die das Tripa-Prinzip verstärken, sind trockenes Wetter, Hitze, übermäßige sportliche Aktivitäten, Wettkampfsituationen, starker Alkohol, zu scharfes und fettiges Essen.

Ausgeprägter Tripa-Anteil

Menschen mit hohem Tripa-Anteil sind oft zielstrebige Macher-Typen. Sie haben die Fähigkeit, andere zu motivieren, zeigen starken Willen, hohe Durchsetzungskraft und Intellekt. Auf dem mentalen Tachometer sind sie bei maximaler Leistungsfähigkeit am ehesten ausgeglichen. Wenn spezifisch verstärkende Faktoren dazukommen oder ein anfachendes Lung-Prinzip, neigen Tripa-Typen dazu, kompetitiv und überehrgeizig zu sein, cholerisch zu reagieren und auf dem mentalen Tachometer eher heiß zu laufen. Dann können sie von beruhigenden, kühlenden, Lung-besänftigenden Maßnahmen profitieren.

3. Der Beken-Typ – Ruhepol und fähig zur Höchstkonzentration

Beken ist das stabilisierende, anabole und zusammenhaltende Prinzip. Es korrespondiert mit den Elementen Erde und Wasser, ist von kalter Natur, für Körperstabilität und Gewicht verantwortlich. Es reguliert alle flüssigen und festen Komponenten des Körpers, wie Sekrete, Lymphe und Gelenksflüssigkeit. Beken ist ebenfalls zuständig für die Elastizität des Gewebes und die Schleimhäute. Auf mentaler und psychologischer Ebene steht Beken für Stabilität und ist verantwortlich für Gemütsruhe, ein gutes Gedächtnis, charakterlicher Standhaftigkeit, Konzentration und Besonnenheit. In Harmonie sorgt Beken für körperlichen und geistigen Frieden sowie Gelassenheit. In disharmonischem Zustand entstehen Trägheit und Schwere. Beken verstärkende Faktoren sind feuchtes Wetter, Kälte, körperliche Untätigkeit, süße und reichhaltige Nahrung.

Ausgeprägter Beken-Anteil

Menschen mit Beken-Konstitution sind besonnen und zuverlässig. Sie verfügen über die Fähigkeit, ausdauernd konzentriert zu bleiben und lassen sich nicht leicht ablenken. Als Fels in der Brandung behalten sie auch in hektischen Situationen die Ruhe. Ihre Meinung äußern sie durchdacht und fundiert. Bei zu wenig (geistiger) Aktivierung neigen sie auf dem mentalen Tachometer dazu, mit niedrigem Tempo gemütlich voranzukommen. Sie profitieren von körperlicher sowie mentaler Aktivität und Stimulation, auch von wärmenden, klärenden Kräutern und Gewürzen.

Ernährungstipps aus der Tibetischen Lehre

Sowohl unter- als auch oberhalb des Zenits der maximal möglichen Konzentration auf dem mentalen Tachometer sollten kalte Speisen und Rohkost eher vermieden werden, um Beken und Lung nicht weiter zu steigern.

Im ersten Fall, bei dem eher Unterforderung und Trägheit vorherrscht, sollten fettige und süße Speisen gemieden werden. Positiv sind wärmende, klärende und scharfe Gewürze. Die mentale Aktivität kann durch körperliche gefördert werden. Viel Bewegung bringt Schwung in den Körper, aktiviert und klärt den Geist.

Im zweiten Fall, bei dem die Tachonadel eine überhöhte Geschwindigkeit anzeigt und der mentale Motor im oberen Drehzahlbereich läuft, ist auf regelmäßige warme Mahlzeiten zu achten. Es darf in Maßen auch mal etwas Süßes oder Öliges sein. Wärmende, erdende, balsamische Gewürze und Kräuter, z.B. Süßholzwurzel, Muskatnuss, Gewürznelken und Bockshornsamen, eignen sich zur Ergänzung. Die Ausbalancierung eines überdominanten Lung-Prinzips kann durch warme Ölmassagen und Entspannungsübungen gefördert werden, z.B. Meditation, Atemübungen oder bewusste Ruhepausen.

Nahrungsergänzung durch Tibetische Pflanzenmischungen

In der Weiterführung der Ernährungsphilosophie der Tibetischen Konstitutionslehre werden sorgfältig zusammengestellte Rezepturen aus Pflanzen und Mineralien zur Balancierung und Harmonisierung der drei Prinzipien verwendet. Schlägt der Zeiger auf dem mentalen Tachometer nach unten oder oben aus, gibt es zwei Rezepturen, die das Gleichgewicht und den optimal fokussierten Zustand der mentalen Aktivität bewahren helfen.

Dza ti 3 (erhältlich als PADMA CogniTib) sorgt für den nötigen Ansporn, Aufgaben fokussiert zu meistern. Sie besteht aus Muskatnuss, Kümmel und Ingwer, die wärmende und klärende Eigenschaften haben. Zudem enthält sie Eisen, das zu einer normalen kognitiven Funktion, einem guten Energiestoffwechsel und zur Verringerung von Müdigkeit beiträgt.

Dza ti 10 (erhältlich als PADMA NervoTib) hilft, die Gedanken bei Überaktivierung zu erden, um mental gelassener mit Stresssituationen umzugehen. Sie enthält u.a. Myrobalanenfrüchte, Süßholzwurzel, Muskatnuss, Gewürznelken, Bockshornsamen und Indischen Weihrauch. Diese Zutaten haben wärmende, harmonisierende, umhüllende und balsamische Eigenschaften und können ein überaktives Lung-Prinzip besänftigen. Zudem enthält die Rezeptur Magnesium, das zu einer optimalen Funktion des Nervensystems und zur normalen psychischen Funktion beiträgt. Dass sich die Rezeptur als Teil eines integrativen Behandlungskonzepts bei Stresssymptomen bewährt hat, können Sie in einem Fallbericht in Paracelsus 06/20 nachlesen.

Fazit

Erkenntnisse aus der Tibetischen Konstitutionslehre sowie die daraus abgeleiteten Ernährungs- und Verhaltenstipps können helfen, die mentale Gelassenheit zu bewahren. „Semde“ ermöglicht es, alltäglichen und außergewöhnlichen Herausforderungen positiv, zuversichtlich und gelassen zu begegnen. Es hilft, das Verhältnis zwischen Herausforderungen, Stressfaktoren und Ärgernissen einerseits und den Coping-Fähigkeiten und persönlichen Ressourcen andererseits in Balance zu halten.

Die Tibetische Konstitutionslehre mit ihrer typgerechten Ernährung, dem situativ richtigen Verhalten und den qualitativ hochwertigen Kräuterrezepturen kann gut in der naturheilkundlichen Praxis umgesetzt und in Behandlungskonzepte integriert werden.

Sabine Helbig
Apothekerin und Tierheilpraktikerin
mit Therapiekonzepten für Mensch und Tier

info@therapiekonzepte.com

 

Foto: © Steven / adobe.stock.com

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