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Naturheilkunde
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Heilpraktiker oder Hochstapler?

Wie erkenne ich, ob jemand wirklich Heilpraktiker (HP) ist? – Ein Ratgeber für Patienten, Medien und HP

Wer in Deutschland den Heilpraktikerberuf ausüben will, muss nach erfolgreicher amtsärztlicher Überprüfung die Aufnahme seiner Tätigkeit und den Ort seiner Niederlassung in allen Bundesländern (Ausnahme: Baden-Württemberg) dem zuständigen Gesundheitsamt anzeigen. Sinn und Zweck dieser Anzeige ist der Schutz der Bevölkerung vor unerlaubter Ausübung der Heilkunde bzw. der illegalen Tätigkeit als Heilpraktiker. Die Formalien der Anzeige werden meist im jeweiligen Gesundheitsdienstgesetz geregelt. Der Anzeige ist der Erlaubnisbescheid oder die Erlaubnisurkunde in (amtlich beglaubigter) Kopie beizufügen.

Ergeben sich Anhaltspunkte, dass eine Person unerlaubt Heilkunde ausübt, müssen die Gesundheitsbehörden dies unterbinden und die zuständigen Sicherheitsbehörden miteinbeziehen. Das Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz, HeilprG) dient dem wichtigen Schutz von Patienten, die Behandlungen und Eingriffe an sich vornehmen lassen.

Was genau ist ein „Eingriff“ in der Medizin?

Ein Eingriff ist eine medizinische Maßnahme oder Handlung, die die physische oder

psychische Integrität des Patienten aufhebt. Adjektiv-Attribute können z.B. sein: kosmetisch, ambulant, ärztlich, operativ, chirurgisch. Eingriffe können zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken erfolgen.

Invasiv nennt man eine Technik, bei denen in körperliche Strukturen eingedrungen wird oder diese verletzt werden. Als minimal-invasiv werden Techniken bezeichnet, die minimaleindringend sind. Dazu zählen auch kleinste (Schleim-)Hauteröffnungen, z.B. die Eröffnung einer Aknepustel.

Eingriffe, die unter die Haut gehen, sind in der Regel Ärzten oder Heilpraktikern vorbehalten.

Kleinste Eröffnungen der Haut/Schleimhaut gelten im Sinne des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) von vertragsärztlichen Leistungen – also abrechnungstechnisch – sogar als Operation.

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter einer Operation jedoch etwas anderes verstanden, nämlich ein chirurgischer Eingriff, bei dem die körperliche Integrität verletzt und mit einem mehr oder weniger großen Schnitt Körpergewebe eröffnet werden.

Selbstverständlich führen Heilpraktiker keine größeren Operationen durch, erst recht nicht solche, für die eine Anästhesie benötigt wird. Sie wenden im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht nur die Methoden an, die sie auch „lege artis“ (nach den Regeln der Kunst) erlernt haben.

Injektionen, Blutentnahmen und auch Punktionen werden im EBM nicht als Operationen eingestuft.

Einholen einer Einwilligung nach § 630 BGB

Das Patientenrechtegesetz sieht vor: „Vor Durchführung einer medizinischen Maßnahme, insbesondere eines Eingriffs in den Körper oder die Gesundheit, ist der Behandelnde verpflichtet, eine wirksame Einwilligung einzuholen.“ (§ 630 BGB). Eine wirksame Einwilligung setzt voraus, dass der Patient auch korrekt aufgeklärt worden ist. Die Einwilligung kann jederzeit und ohne Angabe von Gründen formlos widerrufen werden.

Der Fall Duygu Ö.

Bochum: Eine Influencerin gibt sich als Heilpraktikerin aus und spritzt ab 2016 im Haus ihrer Schwester und später in Hotelzimmern ihren Opfern Hyaluronsäure in Lippen und Nase. 2018 wird ihr nach einer anonymen Anzeige das Spritzen von Hyaluron durch das Gesundheitsamt untersagt. Obwohl ihr ein Zwangsgeld droht, setzt sie die Behandlungen fort. Die Anklage lautet später: Körperverletzung, Betrug, Steuerhinterziehung und Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz. Gefälschte Zertifikate an den Wänden und schriftliche Risikoaufklärungen ließen Duygu Ö. glaubwürdig erscheinen. Das Urteil im Dezember 2019 lautet: 2 Jahre und 8 Monate Haft für die damals 27-Jährige.

Diverse Fälschungen sind immer schwerer erkennbar

Dass es immer wieder Hochstapler gibt, ist ein Problem, das sich durch das gesamte Gesundheitswesen zieht. Bei Eingabe des Stichwortes „Falscher Arzt“ in eine gängige Internet-Suchmaschine erhält man derzeit ungefähr 683000 Ergebnisse, bei „Falscher Heilpraktiker“ ca. 175000 Treffer, bei „Falscher Therapeut“ etwa 2700000 und bei „Falscher Mediziner“ sogar rund 920000000 Einträge.

Mithilfe digitaler Anwendungen und moderner Kopiertechniken können Zertifikate und Erlaubnisbescheide immer besser gefälscht werden, sodass sie sich von Originalen kaum oder nicht unterscheiden lassen.

Besonders häufig zieht es die Betrüger in Kliniken. Deshalb fordern Patientenschützer u.a. ein zentrales Approbationsregister.

Wann wird Heilkunde ausgeübt?

„Es wird nach ständiger Rechtsprechung die Heilkunde nur dann ausgeübt, wenn die Tätigkeit nach allgemeiner Auffassung ärztliche bzw. medizinische Fachkenntnisse erfordert. Ob solche Fachkenntnisse im konkreten Einzelfall erforderlich sind, ist vom Ziel, von der Methode und der Art der Tätigkeit abhängig. Daneben kann aber auch die Beurteilung, ob die konkrete Behandlung begonnen werden darf, solche Fachkenntnisse erfordern. Entscheidend ist stets, ob die Tätigkeit ihrer Methode nach oder weil ihre sachgerechte Anwendung eine hinreichende diagnostische Abklärung und damit ärztliche oder medizinische Fachkenntnisse voraussetzt, gesundheitliche Schäden für Patienten verursachen kann. Einer Erlaubnis bedürfen demnach auch Personen, die in eigener Verantwortung heilkundlich-psychotherapeutische Tätigkeiten ausüben. Keiner Erlaubnis bedürfen dagegen z.B. Geistheiler (rituelle oder spirituelle Heiler) oder Wunderheiler.“ (BGH-Urteil vom 22. Juni 2011, AZ. 2 STR 580/10)

Anhaltspunkte zur besseren Einschätzung

Um besser abschätzen zu können, ob jemand wirklich Heilpraktiker ist, empfiehlt es sich, auf folgende Punkte zu achten:
• Praxissitz Nach dem Heilpraktikerrecht ist eine Tätigkeit „im Umherziehen“, also vergleichbar mit einem Reisegewerbe (§ 55 Gewerbeordnung), unzulässig. Es wird eine Niederlassung zur Anzeige beim Gesundheitsamt benötigt. In der Regel haben Heilpraktiker einen festen Praxissitz und sind verpflichtet, nach außen darzustellen, dass sie über eine Heilpraktiker-Erlaubnis verfügen. Dies geschieht üblicherweise durch ein Praxisschild, auf dem der Eigenname und die korrekte Berufsbezeichnung stehen müssen. Haben Heilpraktiker einen Raum zur Untermiete, reicht eine Türbeschriftung aus. Führt der Heilpraktiker mit Genehmigung des Gesundheitsamtes eine Hausbesuchspraxis, muss zumindest ein kleines Schild auf dem Briefkasten vorhanden sein. Dies ermöglicht es dem Gesundheitsamt, seine Kontrollfunktion ausüben zu können. Bei der Gestaltung von Praxisschild/Türbeschriftung/Briefkastenschild sind das Heilmittelwerbegesetz (HWG) und das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) zu beachten.

Nach Landesbaurecht bestehen für eine Praxis bestimmte Anforderungen, z.B. Hygienevorschriften, barrierefreier Zugang, ausreichende Anzahl von Parkplätzen und bestimmte Forderungen an den Brandschutz.

Heilpraktiker behandeln nicht in ihrer Privatwohnung. Sie mieten keine Räume in verschiedenen Orten an und reisen dann umher. Sie mieten auch nicht vorübergehende Räume an, die sie für ihre Behandlungen zweckentfremden. Sie führen keine „Sammelbestellungen“ von Patienten durch und sind jederzeit für das Gesundheitsamt „abgreifbar“.

Ein Anruf beim Gesundheitsamt reicht im Prinzip aus, um einen falschen Heilpraktiker zu enttarnen.

Oft gibt auch der Internetauftritt Hinweise, ob man es mit einem Fake-Heilpraktiker zu tun hat oder nicht. Die gesetzliche Berufsbezeichnung und die zuständige Aufsichtsbehörde sind z.B. zu nennen. Man findet dort auch Angaben zu berufsrechtlichen Regelungen und wann die Erlaubnis durch welche Behörde erteilt wurde.
• Mitgliedschaft in einem Berufsverband Die meisten Heilpraktiker sind in einem Berufsverband organisiert, der bei Eintritt den Erlaubnisbescheid/die Erlaubnisurkunde und

ggf. den Titel eines Heilpraktikers prüft. Verbände wissen genau, auf welche Merkmale sie bei den Nachweisen zu achten haben, und stellen bei glaubhaften Nachweisen z.B. einen Heilberufsausweis aus. Natürlich können auch die Verbände keine Garantie für die Echtheit eines Nachweises übernehmen. Sie können jedoch eine Verknüpfung zu Fortbildungsaktivitäten erstellen und zur Seriosität von Bildungsanbietern beitragen.

Es ist jedoch keine Pflicht, dass Heilpraktiker ihren Heilberufsausweis mit sich führen.

Info: Eine Mitgliedskarte ist nicht mit einem Heilberufsausweis gleichzusetzen. Mitgliedskarten erhalten z.B. auch Berufsanwärter (als außerordentliche Mitglieder). Außerordentliche Mitglieder dürfen jedoch keine Form der Heilkunde ausüben.

Zwar erschwert es der Datenschutz den Berufsverbänden, kundzugeben, wer Mitglied in ihrem Verband ist. Etliche Berufsverbände geben jedoch mit Einverständnis ihrer Mitglieder auch Therapeutenlisten aus oder bieten angegliedert eine Therapeuten-Suchmaschine an. Im Umkehrschluss können die Heilpraktiker-Berufsverbände auch Auskunft geben, ob eine Person nicht Mitglied in ihrem Verband ist. Sie gehen auch Nachweisen nach, wenn vermutet wird, dass jemand sich als Heilpraktiker ausgibt. Eine Anzeige solcher Personen beim Gesundheitsamt ist jederzeit möglich.

Fazit

Es gibt nur wenige objektive Merkmale, anhand derer man feststellen kann, ob jemand wirklich Heilpraktiker ist oder nicht. Ein interessanter Gedanke wäre deshalb, analog zum geforderten Approbations-Register, die Einrichtung eines (freiwilligen) Heilpraktikererlaubnis-Registers.

Darüber hinaus müssen Heilpraktiker, im Sinne des Patientenschutzes, an die Telematik-Infrastruktur angebunden werden, um sich zweifelsfrei als Heilberufler zu authentifizieren. Dies stellt sicher, dass der Heilpraktiker auch „der ist, der er ist“ und zur Ausübung des Heilpraktiker-Berufes berechtigt ist.

Sonja Kohn
Heilpraktikerin, Mitglied im Vorstand des VUH
info@heilpraktikerverband.de

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