Zurück ins Gleichgewicht
Die heutigen Lebensumstände mit ihren schnellen Wechseln bedeuten für unser inneres Gleichgewicht eine große Herausforderung. Ein preiswertes und einfach anzuwendendes Mittel, innere Balance wiederherzustellen, ist die Akupressur. Wie Sie Ihren Patienten diese Methode auf einfache Weise näherbringen können, damit diese sie in ihrer Selbstwirksamkeit stärkt, zeige ich in diesem Artikel auf.
URSPRÜNGE
Die Akupressur entstammt demselben System wie die traditionelle Akupunktur, die zu den ältesten Heilverfahren der Welt gehört, aber erst seit einigen Jahrzehnten von der westlich orientierten Wissenschaft als solches akzeptiert wird. Bei Akupressur handelt es sich um eine Variante der Akupunktur, bei welcher Punkte nicht mit einer Nadel gestochen, sondern sanft massiert werden. Deshalb ist sie auch für den Hausgebrauch geeignet.
DIE RICHTIGEN PUNKTE
Die Akupressurpunkte befinden sich auf den Meridianen, die unseren Körper wie elektrische Leitungen durchziehen. Durch sie fließt die Lebensenergie Qi, die mit der Funktionalität aller Organe und Körpersysteme in Verbindung steht. Krankheit lässt sich dabei als unregelmäßiger Energiefluss im menschlichen Körper oder als Energieblockade definieren. Die Verbindungspunkte der Akupressur geben uns die Möglichkeit. Überdruck oder Unterdruck in einem Meridian (Fülle oder Leere) auszugleichen, sodass der Qi-Fluss in Balance gehalten oder wieder in Gang gebracht wird, sollte er blockiert sein. Bei der Wahl der geeigneten Punkte spielen die einzelnen Meridiane eine wichtige Rolle. Hat man z. B. regelmäßig zu bestimmten Tages- oder Nachtzeiten dieselben Beschwerden, empfiehlt es sich, die Meridianuhr (Abb. 1) zu Rate zu ziehen. Umfassendes Wissen um die Bedeutung der Meridiane und ihrer Verknüpfungen sollte man sich über Fachbücher und entsprechende Fortbildungen aneignen.
AKUPRESSUR UND EMOTIONEN
Man kann sich das Meridiansystem als ein Netzwerk vorstellen, das energetische, körperliche und psychische Qualitäten führt und verteilt. Denn jeder Meridian deckt neben spezifischen körperlichen zugleich psychische Aspekte ab. Hierunter fallen auch unsere Emotionen, z. B. Angst, Traurigkeit, Wut, Mitgefühl und Freude. Das Wissen, das Meridiane, Körper und Psyche verbindet, erweitert das Potenzial der Methode enorm.

Wenn der Energiefluss in einem Meridian „blockiert“ ist, sind immer beide Bereiche betroffen.
Umgekehrt werden sich beide positiv entwickeln, sobald ein Abschnitt gesundet. Durch das Massieren der Punkte wird sich automatisch auch der Gemütszustand verbessern, unabhängig davon, ob man sich darüber bewusst ist oder nicht. Manche Punkte, z. B. Punkt 73 (Göttlicher Gleichmut, Abb. 2) oder Punkt 37 (Freude des Lebens, Abb. 3) wirken stimmungsaufhellend, weswegen sie für viele Anwender Lieblingspunkte sind. Wir können mit Akupressur gezielt an Emotionen und Schattenseiten arbeiten – die Bereitschaft vorausgesetzt, persönlich wachsen und über diesen Weg die körperliche Gesundheit unterstützen zu wollen.
MERIDIANE UND CHAKREN
Die Meridiane sind energetisch mit den Chakren verbunden. Sie unterstützen sich gegenseitig. Das Wissen darum hat die Bandbreite der komplementären Medizin enorm erweitert, da zur Stimulation des Energieflusses im Körper auch Heilsteine, Farben, Musik und Klang eingesetzt werden können.


BEKANNTE PUNKTE
Häufig wenden wir Akupressur unbewusst an. So massieren wir die inneren Enden der Augenbrauen über der Nase (Abb. 4), um Augenmüdigkeit, Nervosität, Konzentrationsschwäche und Kopfschmerzen entgegenzuwirken. Oder wir reiben die Stirn bei Nebenhöhlenentzündungen (Abb. 5). Regelmäßig massieren wir den unteren Nacken (Abb. 6), wenn wir etwas gegen Verspannungen, Benommenheit, Wind- und Wetterfühligkeit tun wollen. Wenn uns bereits diese unterbewusst durchgeführte Selbstmassage Erleichterung bringt, wie sehr kann uns Akupressur helfen, wenn sie gezielt und gekonnt angewendet wird? Wenn unter Einbezug des Wissens um die Meridiane aus der großen Vielfalt der Punkte die richtige Kombination herausgesucht wird, um das gesamte System energetisch auszugleichen und in Fluss zu bringen?
PUNKTAUSWAHL
Während die Akupunktur ausschließlich von Ärzten oder Heilpraktikern durchgeführt werden darf, kann die Akupressur als nicht-invasives Verfahren, das nur auf der Hautoberfläche zum Einsatz kommt, auch von anderen Berufsgruppen im Gesundheitsbereich mit entsprechender Zusatzausbildung und unter bestimmten Voraussetzungen angewendet werden. Selbstverständlich ist die Anleitung zur Eigenbehandlung als Gesundheitstraining zu befürworten, da sie Eigenwahrnehmung, innere Balance, persönliche Entwicklung und Gefühle der Selbstverantwortung stärkt.
Personen mit professioneller Ausbildung wählen nach sorgfältiger Befragung des Patienten zu dessen Beschwerden und Gewohnheiten zunächst eine geeignete Punkt-Kombination mit größtmöglicher Übereinstimmung für die derzeitige Situation. Im therapeutischen Kontext geschieht dies im Idealfall unter Einbezug von Zungen- und Pulsdiagnostik. Beide Diagnosemethoden setzen für eine korrekte Anwendung große Erfahrung voraus und bedürfen langfristiger Übung. Die Pulsdiagnostik als eines der ältesten Diagnoseverfahren der Welt unterscheidet über 30 Pulsbilder. Der Puls wird dabei an den Innenseiten der Unterarme ertastet und gibt je nach Fülle, Härte und Rhythmik Aufschluss über den Zustand des Energiesystems. Bei der Zungendiagnostik werden Größe, Farbe und Besonderheiten der Zunge selbst sowie Art und Beschaffenheit des Zungenbelages für eine Beurteilung des Gesundheitszustandes herangezogen.
Das Bild, das sich so erschließt, ist nicht in Stein gemeißelt, sondern kann sich jederzeit, schon nach der ersten Anwendung, verändern. Deshalb empfiehlt sich eine wiederholte Diagnostik im Verlauf.
AKUPRESSUR IN DER PRAXIS
Die Behandlung sollte in einer angenehmen Atmosphäre stattfinden und gemäß dem Wunsch des Patienten vollzogen werden. Ausreichend Zeit, angenehme Raumtemperatur, beruhigende Musik – Entspannung ist das Schlüsselwort. Die Punkte werden sanft stimuliert und können mit einer Massage kombiniert werden. Nach der Sitzung sollte der Patient ausruhen und nicht sofort aktiv werden. So wird der Neuordnung des Energiesystems Raum gegeben und die Nachwirkungen der Behandlung können klarer empfunden und genossen werden.
Meiner Erfahrung nach ist anschließend oder in Kombination die Anwendung von Verfahren ideal, die für weitere Entspannung sorgen und dazu beitragen, dass dem System des Patienten Energie zugeleitet wird (z. B. Reiki).
EIGENBEHANDLUNG
Ein gewissenhafter Therapeut wird kein Geheimnis aus seiner Diagnose machen, sondern seinen Patienten zur weiteren Selbstbehandlung zu Hause anleiten. Diese Form der Selbstfürsorge gibt dem Patienten ein Gefühl der Selbstwirksamkeit, was den Erfolg der Therapie unterstützen kann. Bei der Eigenbehandlung gehen wir ähnlich vor: Wir informieren uns ausreichend über die Charakteristika der Punkte und suchen entsprechend unseres Bedarfs die für uns stimmige Punkt-Kombination. Auch die Anwendung zu Hause sollte in angenehmem Ambiente erfolgen. So können wir die gewählten Punkte z. B. regelmäßig nach dem Duschen bzw. Baden mit wohlriechendem Öl oder einer Lotion massieren und die Akupressur in den Alltag einbauen.
Ein wichtiger Aspekt bei der Eigenbehandlung ist, dass wir uns selbst gut beobachten können: Wie geht es mir jetzt? Wo genau drückt der Schuh? Was kann ich mir heute Gutes tun? Was verbessert oder verändert sich? Alles ist im ständigen Wandel, erst recht unter der Anwendung von Akupressur. Deshalb werden sich der Bedarf für eine Wiederholung der Behandlung oder die Auswahl der Punkte im Lauf der Zeit immer wieder verschieben.
Auch Patienten, die in Behandlung sind, können so vorgehen. Sie sollten die Wahl der Punkte jedoch mit ihrem Therapeuten besprechen, sich beraten und anleiten lassen.
Hinweis: Wenn Selbstakupressur ohne vorherige Anleitung oder professionelle Beratung angewendet wird, ist es spätestens bei anhaltenden Beschwerden sinnvoll, mit einem Arzt oder Heilpraktiker Rücksprache zu halten, denn es besteht die Möglichkeit, dass eine Selbstbehandlung im vorliegenden Fall kontraindiziert ist. So können z. B. manche Symptome ernstzunehmende Ursachen haben, die in jedem Fall medizinisch abgeklärt werden müssen.
BEISPIEL: KOPFSCHMERZ
Selbstakupressur kann als ergänzendes Verfahren bei Kopfschmerzen (inkl. assoziierter Beschwerden) sehr gut wirken, da sie dauerhaft praktiziert werden kann. Denn Patienten stoßen oft an Grenzen, wenn sie ausschließlich mit Schmerzmitteln therapiert werden. Dank der Akupressur fühlen sie sich nicht mehr so ohnmächtig. Ich gehe soweit, dass man es immer zunächst mit Akupressur versuchen sollte, selbst wenn unter einer heftigen Attacke zusätzlich Schmerzmittel genommen werden müssen.
Im Extremfall einer anfallsweise auftretenden Migräne kann der Kopfschmerz Stunden oder Tage andauern. Menschen, die darunter leiden, sind stark beeinträchtigt, da sie nie wissen, wann ein Anfall kommt und wie lange er dauern wird. Häufig wird eine Episode von Übelkeit, Sehstörungen oder Erbrechen begleitet. Um diesen Beschwerden entgegenzutreten, bietet die
Akupressur drei Ansätze:
- Bei Erbrechen eignet sich der auf dem Magenmeridian liegende Punkt 73 (Göttlicher Gleichmut, Abb. 2)
- Bei Sehstörungen (Augenflimmern) massiert man die Punkt-Kombination 18 und 68 (Abb. 4 und 5)
- Bei Kopfschmerzen, die von den Halswirbeln ausgehen, bietet sich Punkt 27 an (Abb. 6)
Hinsichtlich der emotionalen Komponente eignet sich eine Mitbehandlung des Sexual-Chakras, da beobachtet wurde, dass Migräne-Patienten sich gegen den Fluss des Lebens stellen oder sexuelle Probleme in den Kopf verschieben. Entspannungsübungen können ebenso in Betracht gezogen werden.
FAZIT
Akupressur trifft immer, da der jeweilige Punkt über eine Daumenbreite erfolgreich stimuliert wird. Das macht die Methode sehr praktisch, selbst Kinder können von ihr profitieren. Bei der Anwendung tritt kein Blut aus, der Punkt muss nicht desinfiziert werden, wodurch Akupressur sicher zu den preiswertesten und nachhaltigsten (Selbst-)Behandlungsmethoden gehört. Außerdem ist sie mit vielen anderen Verfahren kompatibel und kann von den Patienten nach Anleitung selbst umgesetzt werden, was die Eigenverantwortung schult und in Zeiten von Einsparungen im Gesundheitssystem hochaktuell ist.





Maitri Hillebrecht
Autorin, Expertin für Akupressur und Reiki-Meisterin seit 30 Jahren
maitri.app@gmail.comWeitere Artikel aus dieser Ausgabe
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