Tibetische Medizin
Medizinlehre und Pflanzenheilkunde der Tibeter
Die traditionelle tibetische Medizin ist seit ihren historisch belegten Anfängen im 7. Jahrhundert – von den Tibetern wird sie auf die Zeit Buddhas zurückgeführt – bis heute unbeeinflußt von westlicher Medizin geblieben. Ihre medizinphilosophischen, theoretischen, diagnostischen und therapeutischen Grundlagen sollen nachfolgend beschrieben werden
Egbert Asshauer
Buddhismus und tibetische Medizin sind untrennbar
Das Ayurveda und die traditionelle chinesische Medizin sind entsprechend der geographischen Lage Tibets die Paten der tibetischen Medizin. Die Tibeter selbst meinen, daß ihre Lehre auf den historischen Buddha Sakyamuni zurückgehe und bei der Ausbreitung des Buddhismus in Asien als Schrittmacher gewirkt habe. Im Selbstverständnis der Tibeter ist ihre Medizin eine buddhistische Medizin und keineswegs, wie dies unsere Medizinhistoriker darstellen, allenfalls ein Anhängsel des Ayurveda, wenn nicht mit diesem identisch.
In der Tat ist die Philosophie der tibetischen Medizin einzigartig und unterscheidet sich von allen anderen Medizinlehren. Nach der Lehre des Buddha ist das menschliche Leben vom Leiden geprägt. Dessen Wurzeln sind die “Drei Gifte”: Die Begierde nach der Erfüllung des Lebensdurstes, der Widerwille oder der Haß gegen alle Hindernisse, die dieser Erfüllung entgegenstehen, und die Verblendung, die sich als Ich-Wahn manifestiert. Die Illusion einer unveränderlichen Ichheit verstellt den Blick auf die Wirklichkeit, führt zum Haften an der Sinneswelt und damit zu immer neuen Wiedergeburten. Diese als Unwissenheit bezeichnete Geistesverfassung bedingt körperliches und seelisches Leiden, das somit letztlich immer aus unserer eigenen Wesenheit kommt.
Aus dem Buddhismus in seiner tibetischen, d.h. tantrischen Form stammt vor allem die Lehre vom feinstofflichen Körper, der aus gesammelter kosmischer Energie besteht und nur in der Meditation erfahrbar wird. Die Behandlung von Blockaden im Fluß dieser Energie spielt in der tibetischen Psychiatrie eine erhebliche Rolle, tangiert aber weniger den praktisch tätigen Arzt. Im Praxisalltag werden dagegen Rezitationen von Gebeten und Mantras (formelhafte Anrufungen bestimmter Gottheiten), aber auch Visualisationstechniken, bei denen sich z.B. der Arzt in den Medizinbuddha verwandelt, relativ häufig genutzt, um die Wirkung therapeutischer Maßnahmen zu verstärken. Die Astrologie ist Teil der Ausbildung der Medizinstudenten und unentbehrlich bei der Vorherbestimmung günstiger Tage für das Sammeln der Heilpflanzen oder für besonders wichtige Behandlungen. Man mag dies alles als magische Praktiken aus vorwissenschaftlicher Zeit abtun, übersieht dabei aber leicht, daß die Religion im Leben der Tibeter tief verwurzelt ist.
Das Tun des Arztes wie jedes anderen Menschen – soll letztlich dazu führen, die Buddhanatur im Menschen zu wecken und zu stärken und folgt damit dem Bodhisattva-Ideal des tantrischen Buddhismus.
Fünf Elemente und drei Säfte als Basis der Medizintheorie
Wie der Makrokosmos so setzt sich auch der menschliche Mikrokosmos aus den fünf Elementen Erde, Wasser, Feuer, Wind
(Luft) und Äther zusammen.
Damit besteht eine Korrespondenz zwischen der sichtbaren Welt, dem Körper, den
Krankheiten und den Heilmitteln. Die Elemente konstituieren auch die drei Säfte Wind (Loong), Galle (Tripa) und
Schleim (Badkhen) mit jeweils fünf Unterarten. Ihr Verhältnis zueinander ändert sich mit den Tages- und Jahreszeiten
und dem Lebensalter. Wind verbindet das Bewußtsein mit dem Körper; seine physiologische Wirkung entspricht der, die
wir in der engen Vermaschung des Nerven-, des endokrinen und des Immunsystems mit der Psyche heute sehen. Galle
reguliert Verdauungs- und Stoffwechselvorgänge und Schleim die Körperflüssigkeiten. Diese Säftelehre ist mit der
ayurvedischen praktisch identisch.
Ein Ungleichgewicht der Säfte führt zu Krankheit. Es wird durch die “Drei Gifte” im allgemeinen (Tab.1) verursacht, im besonderen durch falsche Ernährung und falsches Verhalten, durch jahreszeitliche Einwirkungen und durch seelische Störungen. Weitere Ursachen werden im Einfluß böser Geister und in schädlichen Taten in vergangenen Leben (Karma) gesehen. Alle Störungen der Säfte werden in den Kategorien heiß und kalt zusammengefaßt: Krankheiten durch ein Ungleichgewicht von Wind und Schleim sind kalt, Gallekrankheiten sind heiß.
Pulsdiagnostik: schwer erlernbar, aber effizient und billig
Die Diagnose des tibetischen Arztes beruht fast ausschließlich auf der Pulsdiagnose. Sie ist sicherlich aus China übernommen worden, wo sie seit dem 2. Jahrhundert das Rückgrat der Diagnose bildete. Sie weicht jedoch von der chinesischen in Einzelheiten ab. In Indien ist die Pulsdiagnose erst seit dem 14. Jahrhundert bekannt und hat nie die gleiche praktische Bedeutung wie in der tibetischen Medizin erlangt.
An den Pulsen lassen sich die Störungen sowohl eines oder mehrerer Säfte und der Körperorgane ertasten, sowie Hitze- und Kälte-Krankheiten, je nach Körperabschnitten differenziert. Außerdem gibt es spezielle Pulse für Epilepsie, Lepra, Vergiftungen, Fieber-Krankheiten, Tumore u.a. mehr. Akute und chronische Krankheiten können ebenso unterschieden werden wie der etwaige Einfluß böser Geister. Bei der Pulstastung müssen Tages- und Jahreszeit sowie das Alter des Patienten berücksichtigt werden, die jeweils einen Einfluß auf das Gleichgewicht der Säfte haben.
Mit der Pulstastung ist eine akkurate, nachprüfbare, effiziente und billige Diagnostik möglich, auch wenn dies westlichen, von der Medizintechnik abhängigen Ärzten unglaubhaft sein mag. Das Krankheitsspektrum, das damit abgedeckt wird, ist etwa das gleiche, dem sich in Mitteleuropa der niedergelassene Arzt gegenübersieht. Durch den tibetischen Mediziner können aber auch Krankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes, Stoffwechselstörungen – als Blutunreinheit bezeichnet -, Krebs oder Tuberkulose in ihren verschiedenen Lokalisationen ohne technische Hilfsmittel zumindest qualitativ diagnostiziert werden.
Nur in unklaren Fällen wird auch die Urindiagnose herangezogen. Auf die Zungendiagnose verzichtet man heute, da sie ungenau und unergiebig sei. Eine Anamnese wird eher kursorisch erhoben, eine körperliche Untersuchung findet meist nicht statt.
Kräuterpillen als wichtigste Behandlungsmaßnahme
Die Verschreibung von Pillen aus Heilkräutern steht in der Therapie an erster Stelle. Nach der Theorie sollten
allerdings die Korrektur von Diät und Verhalten diesen Platz einnehmen; doch sind diese Faktoren bei den meisten
Patienten – wie bei uns – nur schwer zu ändern. Andere Zubereitungsformen wie Dekokte, Sirupe, Zäpfchen etc. sind
derzeit aus praktisch-finanziellen Gründen selten. Reicht diese sogenannte interne Behandlung nicht aus, werden
externe Behandlungsmaßnahmen angewendet. Dazu gehören die Moxabustion, die Behandlung mit der Goldenen Nadel – eine
Art Akupunktur mit einer dicken Goldnadel – und Schröpfen, auch Aderlässe und kleine chirurgische Eingriffe. Selten
sind Inhalationen, Mineralbäder, Massagen. Größere Operationen werden seit Jahrhunderten nicht mehr durchgeführt,
obschon sie früher bekannt waren.
Die gesamte Medizinlehre ist in den sogenannten Vier Tantras niedergelegt und
ähnlich wie in der ayurvedischen und der chinesischen Medizin systematisch geordnet. Sie stellen nur ein schriftliches
Gerippe dar, das durch die mündliche Lehre erweitert werden muß. Die medizinische Ausbildung – ebenso wie die
Arzneimittelherstellung – ist am Tibetan Medical Institute (TMI) in Dharamsala, wie früher in Lhasa, zentralisiert.
Das TMI untersteht der dort ansässigen Exilregierung des Dalai Lama. Die Jungmediziner studieren fünf Jahre und
arbeiten zwei Jahre praktisch, ehe sie diplomiert werden. Aus dem TMI sind bis jetzt 70 Ärzte hervorgegangen, die in
35 Zweigkliniken im Himalaja und in Südindien arbeiten. 47 Studenten werden derzeit ausgebildet.
Der Geschmack als Indikator der Drogeneinwirkung
Die Wirkung eines Heil- oder eines Nahrungsmittels wird durch seine Zusammensetzung aus den fünf Elementen bestimmt, denen bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden. Äther als alles durchdringendes Element ist dabei frei von anderen Eigenschaften. Die Mischung aus den Elementen bestimmt den Geschmack einer pflanzlichen Droge, der damit der Indikator für ihre Eigenschaften und für ihre Wirkung auf ein Ungleichgewicht der Säfte ist (Tab.2). Eine ölige Eigenschaft bei Windstörungen hat z.B. Aquilaraia agollocha Roxb., eine glatte Rubus idaeopsis Focke; eine kühle bei Gallestörungen Cinnamomum camphora Nees et Eberm, eine stumpfe Bambusa textilis Mclure, eine rauhe bei Schleimstörungen Hippophae rhamnoides Linn., eine leichte Plumbago zeylanica Linn. Süß ist Vitis vinifera L.; bitter Herpetospermum caudigerum Wall.; sauer Punica granatum L.; herb Santalum album L.; scharf Piper nigrum L. (1)
Außer dem jederzeit erkennbaren Geschmack eines Heilmittels wird zusätzlich ein Geschmack nach der Magenpassage unterschieden, durch den die sechs Geschmacksrichtungen auf drei reduziert werden. (Tab.3) Dies erklärt, warum z. B. Zucker, dessen Geschmack und postdigestiver Geschmack süß sind, bei Diabetes keine Verwendung finden darf, wohingegen Honig, dessen Geschmack süß, postdigestiv aber sauer ist – für einen der westlichen Medizin verbundenen Arzt unvorstellbar – Diabetikern gegeben werden kann. Die Frage des postdigestiven Geschmacks und dessen Anwendung bei der Arzneimittelherstellung gehört nach Auskunft der tibetischen Pharmakologen zum schwierigsten Kapitel der tibetischen Pharmakologie.
Für jede Droge werden acht Potenzen unterschieden, die sich aus den Eigenschaften der Elemente ableiten lassen, die den jeweiligen Geschmack bestimmen. “Schwer” und “ölig” sedieren Windstörungen, “kühl” und “stumpf” solche von Galle, “leicht”, “rauh”, “heiß” und “scharf” Schleimstörungen. Diese Potenzen werden nochmals in 17 Qualitäten unterteilt, die arbiträr von 1 bis 10 gewichtet werden und deren Mischung die Wirkung eines Heilmittels bestimmt (Tab.4).
Dieses komplizierte System ist in sich logisch. Die einzelnen Säfte wie alle Nahrungsmittel und Heilpflanzen spiegeln jeweils die Eigenschaften des Elementes, das in ihrem Aufbau überwiegt, wider. Bei einem Ungleichgewicht der Säfte werden Heilmittel mit Eigenschaften, die einem Saft ähnlich sind, schädlich sein, da sie ihn noch zusätzlich tonisieren.
Unähnliche Drogen werden dagegen sedierend wirken. Die meisten, wenn nicht alle Heilmittel der tibetischen Medizin sollen praktisch einen sedierenden Effekt haben. Hat man einmal erkannt, welcher Saft gestört ist, dann kann man aufgrund der bekannten Eigenschaften eines Saftes-entsprechend seiner Zusammensetzung aus den Elementen – leicht feststellen, welche Droge zur Behandlung geeignet ist, um den überbordenden Saft zu neutralisieren. (Tab. 5)
Die Kunst des tibetischen Arztes liegt nun darin, eine Droge so
auszuwählen bzw. zu mischen,daß ein Ungleichgewicht eines oder mehrerer Säfte durch eine Droge mit überwiegend
antagonistischen Eigenschaften ausgeglichen wird. Gleichzeitig muß man aber andere, in der gleichen Droge enthaltene
agonistische Eigenschaften durch ein anderes Mittel gegebenenfalls neutralisieren. Auch müssen der Synergismus der
Gesamtdroge und seine Nebenwirkungen sowie etwaige Veränderungen heißer oder kalter Potenzen z.B. durch Trocknung oder
Lagerung berücksichtigt werden.
Entsprechend komplex sind die tibetischen Pillen aus vielen verschiedenen Heilkräutern zusammengesetzt. Sie enthalten im Mittel 5 bis 35 Ingredienzen. Entsprechend dem Überwiegen von Windkrankheiten im Krankheitsspektrum der Tibeter sind Drogen mit süßem Geschmack in den Pillen am häufigsten verarbeitet.
Das Sammeln und Mischen der Heilkräuter
Die wichtigsten Pflanzen stammen aus dem Hochhimalaya,wobei immer nur
gewisse Teile einer Pflanze heilende Kräfte haben, andere sind gerade bei diesen Pflanzen oft giftig. Es erfordert
große Erfahrung, die Pflanzen zu identifizierten und zum richtigen Zeitpunkt zu pflücken. Rinden und Rindensekrete
sammelt man im Frühjahr, bevor das Wachstum beginnt; Blätter – z.B. von Corydalis meifolia, C. boweri, C. cashmiriania
– und Samen zur Blütezeit; Blüten, z.B. von Nymphaea alba, Früchte z.B. von Pycnostelma lateriforum, Carum carci, und
Samen im Sommer; Wurzeln, z.B. Pedicularis longiflora, Äste und Zweige im Herbst. Beispiele für die Nutzung ganzer
Pflanzen sind Dracocephalum tanguticum und Pedicularis kansuensis. (2).
Pflanzen gegen Hitzekrankheiten kommen aus
Höhen über 3500 m, gegen Kältekrankheiten aus tiefer gelegenen Zonen. Für die Zuordnung zu Hitze- oder
Kältekrankheiten ist das Wachstum an einem Nordoder an einem besonnten Südhang entscheidend und das Trocknen im
Schatten oder in der Sonne. Die Pflanzen werden von Medizinstudenten und heute auch von professionellen Kräften
gesammelt, seitdem der Arzneimittelbedarf durch die Versorgung der 35 Zweigkliniken und durch Exporte enorm gewachsen
ist. Viele Pflanzen sind bereits vom Aussterben bedroht. Theoretisch könnte man auch Pflanzen der gleichen Gattungen
aus anderen Hochgebirgsregionen nehmen; über deren identische Heilwirkung ist aber absolut nichts bekannt.
Nach dem
Sammeln werden die Pflanzen gereinigt und sorgfältig an der Luft getrocknet, um Bakterienbefall und unnötige chemische
Veränderungen zu vermeiden. Sie werden dann geschnitten und in mehreren Schritten immer feiner gemahlen und
schließlich in Mischtrommeln unter Zusatz von Wasser zu Pillen verschiedener Größe verarbeitet. Das Trocknen geschieht
auf Terrassen und Dächern, je nach Indikation im Schatten oder in der Sonne. Bei richtiger Verarbeitung und Lagerung
sind die meisten Pillen ein Jahr haltbar.
Schwierigkeiten bei der rezepturgetreuen Arzneimittelproduktion
Die rezepturgetreue Herstellung der Medikamente wird durch mehrere Faktoren erschwert. In den alten Texten sind die gleichen Pflanzen unter verschiedenen Namen aufgeführt oder verschiedene Pflanzen unter gleichem Namen, so daß eine Identifizierung oft schwer, wenn nicht unmöglich ist. Auch gelten ganze Pflanzengattungen oder -arten heute als ausgestorben. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich zudem viele Übertragungs- und – durch Übersetzungen aus dem Sanskrit – auch Übersetzungsfehler in die alten Rezepturen eingeschlichen. Es gibt darin für die Herstellung der Arzneien keine verbindlichen Richtlinien. Es fehlen fast immer genaue Maß- und Gewichtsangaben, so daß die Rezepturen für Außenstehende wertlos sind. Dies hat sich heute insofern geändert, als die einzelnen Bestandteile exakt abgewogen werden.
Es gibt außerdem Schwierigkeiten, alle notwendigen Ingredienzen zu beschaffen, da nur Gewürze und andere Zutaten aus der indischen Tiefebene unbegrenzt zur Verfügung stehen. Das TMI beginnt daher, in Zusammenarbeit mit der indischen Regierung, Pflanzen aus dem Hochhimalaya zu kultivieren, um diese Engpässe zu überwinden. Das Arsenal der im alten Tibet bekannten ca. 2000 Einzeldrogen mit ca. 10000 Rezepturen hat sich heute auf etwa 1000 Einzeldrogen verringert, aus denen ca. 200 verschieden Arzneimittel, und zwar ausschließlich nach den tradierten Rezepturen, hergestellt werden.
Die tibetische Materia medica ist für den westlichen Mediziner weiterhin ein Buch mit sieben Siegeln. Wer sich damit beschäftigt, sollte selbst tibetisch sprechen können. Auf Übersetzer kann er sich nicht verlassen. Er muß vor Ort arbeiten und Experten der Botanik zur Hand haben. Soweit mir bekannt ist, hat bisher nur Ferdinand Meyer (Paris) diese Bedingungen erfüllt. Er gibt in seinem Buch über die tibetische Medizin (3) 274 Heilpflanzen mit ihren tibetischen und botanischen Namen an.
Das TMI selbst macht zur Zeit den Versuch, die Rezepturen eines Teils der ca.400 Heiler in Ladakh zu überprüfen
(Identität der verwendeten Pflanzen mit den in den Rezepturen angegebenen Namen etc.) und ist dabei bereits auf
erhebliche Schwierigkeiten gestoßen.
Beimengungen von Steinen, Metallen und Mineralien (Tab. 6) sowie von
tierischen Bestandteilen (Tab. 7) sind heute relativ selten. Dies vor allem aus finanziellen Gründen: die Bestandteile
sind relativ teuer. Die Exiltibeter sind ausschließlich auf Spenden angewiesen, da sie aus politischen Gründen von den
großen internationalen Organisationen nicht unterstützt werden. In den Tabellen sind nur diejenigen Ingredienzen
aufgeführt, die heute vom TMI verarbeitet werden. Aus der älteren Literatur lassen sich wesentlich längere Listen
zusammenstellen. lndiziert sind die komplexen Krankheiten wie Krebs, Epilepsie, schwere Diabetes u.a..
Auch Edel-
und Halbedelsteine werden Pflanzen beigemischt, allerdings auch nur noch in den besonders wirksamen und für tibetische
Verhältnisse sehr teuren sogenannten Juwelenpillen.
Eine tibetische Kräutermischung als Immunmodulator
Das Präparat Padma 28 – eine traditionelle tibetische Rezeptur – nimmt eine Sonderstellung unter den vielen tibetischen Präparaten ein, weil es in der Schweiz nach den heutigen Standards der pharmazeutischen Industrie hergestellt wird und als Arzneispezialität von der Schweizerischen Arzneimittelkontrollbehörde (IKS – Interkantonale Kontrollstelle) zugelassen ist.
Padma 28 besteht aus 22 Bestandteilen, darunter Spitzwegerich, Baldrian, Nimbaum, Myrobalanen, Kampfer aus dem Kampferbaum und Goldfingerkraut, Heilpflanzen also, die in verschiedenen Varianten in Europa und in der östlichen Hemisphäre, besonders in Indien, vorkommen. Keine dieser Pflanzen läßt für sich allein genommen eine spezifische Wirkung erwarten. Die Rezeptur ist über Buriatien – Buriatien gehört zum Kulturkreis des tibetischen Buddhismus – unter Anpassung an die dortige Flora in die Schweiz gelangt. Sie wurde von Dr. Dhonden, dem Gründer des Tibetan Medical und Astro Institute in Dharamsala in bezug auf ihre quantitative und qualitative Zusammensetzung geprüft und als korrekt anerkannt. Damit ist Padma 28 ein typisches tibetisches Vielstoffpräparat. Derzeit wird dieses Arzneimittel in drei Indikationsbereichen angewendet: bei der peripheren arteriellen Verschlußkrankheit (PAVK), bei chronischer Autoimmunkrankheit (u.a.bei chronisch aggressiver Hepatitis) und bei Stresszuständen des Immunsystems (chronische Atemwegsinfektionen von Kindern). In zahlreichen klinisch-wissenschaftlichen Studien wurde die Wirksamkeit nachgewiesen.
Aufgrund der damaligen Datenlage wurde 1978 Padma 28 von der Interkantonalen Kontrollstelle (IKS) in der Schweiz nur für eine weit abgeschwächte Indikation zugelassen. Wie bei allen tibetischen Heilmitteln ist es nicht eine einzelne spezifische Substanz allein, sondern die Kombination mehrerer Bestandteile, welche die therapeutische Wirkung ausmacht. Damit werden vielfältige und sanfte Impulse an den Körper gegeben mit dem Ziel, das Gleichgewicht seiner Funktionen wieder herzustellen. Das tibetische Heilmittel wird dabei als Informationsträger eingesetzt, der den Körper zur Selbstregulierung veranlaßt.
*Anmerkung des Autors:
Zu dem Präparat PADMA 28 es enthält keine tierischen Bestandteile
Zu
Tabelle 7: Laut Tibetischem Medizinischem Institut in Dharamsala, Indien, wird Rhinozeroshorn nicht verwendet. Der
Artenschutz des Nashorns wird uneingeschränkt beachtet.
Literatur:
- Tsarong,l.: Fundamentals of Tibetan Medicine. Tibetan Medical Centre, Dharamsala 1981
- Dhonden,Y.: Materia Medica. In: Tibetan Medicine Nr.1, Library of Tibetan Works and Archives, Dharamsala 1980
- Meyer, F.: Gso-Ba Rig-Pa. Le systeme medical tibetain. Centre National de la Recherche Scientifique, Paris 1981
Im nächsten Heft berichten wir über aktuelle wissenschaftliche Forschungsergebnisse zum Präparat Padma 28.
Der Autor Dr. Egbert Asshauer arbeitet als niedergelassener Internist und Akupunkteur in Hamburg. Seit 1984 steht er in regelmäßigem Kontakt mit dem Dalai Lama und mit tibetischen Ärzten im Exil, was sich u.a. in zahlreichen Veröffentlichungen über die chinesische und tibetische Medizin niedergeschlagen hat.
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