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Naturheilkunde
Lesezeit: 7 Minuten

Mehr Bauchgefühl entwickeln – Teil 1

Warnsignale des Körpers erkennen und angemessen darauf reagieren

Der gesunde Körper verfügt über Systeme, die ihm eine tägliche Wartung und Instandsetzung ermöglichen. Dies bleibt für uns unbemerkt, bedeutet jedoch viel Energieaufwand. Doch auch ein Organismus, dessen Selbstheilungssystem stark ausgeprägt ist, kann ernsthaft erkranken, z.B. wenn durch Stress oder Toxine die Ressourcen zur vollständigen Regeneration nicht mehr ausreichen. Glücklicherweise zeigt der Körper den Energiemangel frühzeitig durch Symptome an, die wir mehr oder weniger stark wahrnehmen können. Erste Anzeichen sind z.B. Müdigkeit, häufig wiederkehrende Infekte, Augenringe oder Hautunreinheiten. Bemerken wir diese Symptome, glauben wir instinktiv, krank zu sein. Viele Auffälligkeiten sind zunächst Signale des überlasteten Organismus, dass er Unterstützung braucht. Erst wenn wir diese Alarmsymptome nicht ernstnehmen, können sich daraus (gravierende) Erkrankungen entwickeln.

Auf den Bauch hören

Wir beschäftigen uns speziell mit den Selbstheilungskräften der Organe des Bauchraums: Leber, Nieren, Milz, Magen und Darm. Zwar gehört auch die Bauchspeicheldrüse dazu, ich gehe jedoch nicht näher auf sie ein. In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) wird sie zu Milz und Magen gezählt. Bis auf die Nieren sind all diese Organe durch den Pfortaderkreislauf miteinander verbunden. Über ihn werden Nährstoffe zugeführt und Abfallstoffe entsorgt.

Die Bauchorgane selbst werden von netzartigen Faszien umgeben, die ihnen Halt und Form geben. Schließlich wird ihre reibungslose Beweglichkeit während der Atmung über das Zwerchfell dirigiert. Ein harmonisches Bauchgefühl verspüren wir dann, wenn jedes einzelne Bauchorgan gut funktioniert und sie mit Faszien, Zwerchfell und Pfortadersystem reibungslos zusammenarbeiten.

Erste Alarmzeichen

Der heutige Lebens- standard verlangt Höchstleistung von den „Wartungssystemen“ im Bauchraum. Stundenlanges Sitzen ohne Bewegungsausgleich komprimiert die Bauchorgane und fördert fasziale Verklebungen z.B. mit dem Zwerchfell. Unproduktive Essgewohnheiten, Nährstoffmangel und mit Pestiziden oder Antibiotika belastete Nahrungsmittel schädigen die Bauchorgane zusätzlich. Da die meisten Regenerationsprozesse nachts ablaufen, fehlt bei unterbrochenem, zu kurzem oder schlechtem Schlaf die für diese Vorgänge benötigte Zeit. Der Körper muss mehr Energie produzieren, verteilen und aufwenden, um sich gesund zu erhalten. Das
führt auf Dauer zu einer Systemüberlastung und zur Entstehung erster Warnsymptome. Betroffen sind Körper und Geist gleichermaßen.

Körperliche Frühsymptome der Bauchorgane sind meist:

Nieren

  • riechender oder trüber Urin
  • Energie für den Tag fehlt
  • Augenringe
  • Hautekzeme
  • knackende Gelenke
  • Tinnitus und Hörprobleme

Leber/Gallenblase

  • Müdigkeit im ganzen Körper
  • nächtliches Aufwachen zwischen 1 und 3 Uhr
  • rote, trockene, juckende Augen
  • Zahnabdrücke am Zungenrand

Milz/Magen

  • Sodbrennen und Blähungen
  • Muskelschmerzen
  • Schmerzen in der mittleren Brustwirbelsäule

Darm

  • Durchfall und Verstopfung im Wechsel
  • immer wiederkehrende Infekte
  • aufgeblähter Bauch und Völlegefühl
  • Schmerzen in der oberen Halswirbelsäule

Die Weisheit der Bauchorgane

Dass körperliche Symptome bei Überlastung entstehen können, dürfte klar sein. Aber warum ist auch der Geist betroffen, wenn die Bauchorgane nicht einwandfrei funktionieren? Die Antwort findet sich in der Philosophie der TCM. Diese weist den Organen über ihre körperliche Funktion hinaus einen Einfluss auf geistiger Ebene zu. Demnach kann sich eine Dysfunktion der Bauchorgane auch in Emotionen und in der Seelenstruktur widerspiegeln. Dem Darm z.B. wird das Thema „Trennen und Loslassen“ zugesprochen. Lebersymptome äußern sich als aufsteigende Wut und Aggressivität. Bei Leberüberlastung fällt die Abgrenzung des eigenen Ichs zur Umwelt schwer. Milz und Magen gelten als Sammelbecken der Emotionen. Eine Überforderung dieser Organe kann Gefühlschaos oder übertriebene Sorge bewirken, typisch ist das „Helfersyndrom“. Eine überlastete Milz kann den Geist „vernebeln“, schulmedizinisch übersetzt würde das einer Art Demenz gleichkommen. Die Niere ist in der TCM eher ein zartes Organ. Symptome zeigen sich in Form von Ängsten und Schreckhaftigkeit. Auch das Überbehüten von Kindern zählt zu den Nierenzeichen.

Ganzheitliche Behandlung

Die Bauchorgane fungieren nicht nur zur Ver- und Entsorgung des Körpers. Sie beeinflussen auf vielfältige Weise auch geistige und seelische Aspekte. Hinzu kommt, dass sich die Dysfunktion eines überlasteten Bauchorgans (außer der Nieren) aufgrund ihrer Verbindungen über Faszien und Pfortaderkreislauf auch auf die übrigen Organe auswirkt. Ist z.B. die Leber aufgrund einer sitzenden Haltung ständig komprimiert, staut sich Blut. Kann dieser Zustand nicht kompensiert werden, kommt es zu einem Rückstau in den Pfortaderkreislauf, der sich bis in die übrigen Bauchorgane fortsetzt. Keines von ihnen kann mehr optimal mit Nährstoffen versorgt werden. Es sammeln sich Toxine in den Zellen an. Motilität und Mobilität (auch des Zwerchfells) nehmen ab. Die umhüllenden Faszien verkleben.

Will man eine Dysfunktion behandeln, muss der Ansatz ganzheitlicher Natur sein. In der Osteopathie werden die überlasteten Strukturen mobilisiert, die mit dem betroffenen Bauchorgan verbunden sind. Die Mobilisation des pelvikalen Diaphragmas, des Zwerchfells, der großen Bauch- und Rückenfaszien unterstützt das gesamte Fließsystem im Körper – ein erster Schritt in Richtung Wiederherstellung der Selbstregulation!

Ebenso spielt das vegetative Nervensystem eine wichtige Rolle für die Selbstheilungskräfte. Alle Bauchorgane, die über den Sympathikus innerviert werden, profitieren von einer Entlastung der Brustwirbelsäulensegmente TH5 bis TH12. Teile des Dickdarms lassen sich über das parasympathische System und den Vagus-Nerv positiv beeinflussen. Becken, Wirbelsäule und Rippen sollten auf Blockierungen überprüft werden, damit die Aufhängung der Bauchorgane berichtigt werden kann.

Erst wenn die umgebenden Strukturen mobilisiert sind, wird mit viszeralen osteopathischen Techniken behandelt. Es bietet sich an, das betroffene Organ nach der osteopathischen Behandlung mit naturheilkundlichen Mitteln zu stärken.

Gebrauchsanweisung für den Körper

Der hektische Alltag mit Mehrfachbelastung, Leistungsdruck, Zeitmangel und Multitasking bewirkt eine Entfremdung vom eigenen Körper. Es fällt schwer, Alarmzeichen frühzeitig wahrzunehmen und verantwortungsbewusst darauf zu reagieren. Die Patienten müssen aus diesem Grund aktiv in die Behandlung eingebunden und aufgeklärt werden. Sie sollen lernen, dass Sodbrennen, Erschöpfung und Verdauungsprobleme keine normalen Reaktionen des fordernden Alltags sind, sondern vielmehr auf einen beginnenden Krankheitsprozess hindeuten. Je mehr wir in der Wahrnehmung unseres Körpers geschult sind, desto besser können wir dessen Signale verstehen. Es ist Aufgabe des Therapeuten, Patienten konkrete Hilfen an die Hand zu geben, mit denen sie selbst auf die erspürten Symptome eingehen kann. Zu erfahren, dass Beschwerden positiv beeinflusst werden können, motiviert, die eigene Gesundheit selbstverantwortlich zu erhalten, und das wirkt sich auch positiv auf der Emotionsebene aus.

Werkzeuge für den Patienten

Ein einfaches Tool, um sich im Alltag wieder spüren zu lernen, ist der Atemtiefe-Test. Leiten Sie den Patienten an, im Stehen die Augen zu schließen. Die Wirbelsäule und die Schultern sind gerade ausgerichtet. Der Patient soll den Atemweg nachspüren. Stellen Sie folgende Fragen:

  • Fließt der Atem frei?
  • Dehnt sich der Brustkorb beim Atmen aus?
  • Wohin im Körper fließt die Atmung?
  • Was bewirkt die Aufrichtung auf der Gefühlsebene?

Jetzt soll der Patient den Oberkörper weit nach vorne beugen und sich weiter auf das
Atmen konzentrieren. Können Unterschiede zur aufrechten Körperatmung erspürt werden?

So erfährt der Patient, dass eine aufrechte Körperhaltung einen Synergismus zwischen Zwerchfell und Beckenboden herstellt. Die Bauchorgane haben Platz, sich physiologisch zu bewegen. Der Atem kann tief fließen und die Grundstimmung ist positiv. Im Vergleich bewirkt eine krumme Körperhaltung eine flachere Atmung. Die Zwerchfellbeweglichkeit nimmt ab, der entstehende Druck komprimiert die Bauchorgane. Die Grundstimmung wird man als eher beengend bezeichnen.

Die Übung dient als Werkzeug, um den Aspekt der Aufrichtung in den Alltag zu übertragen. Wenn der Patient merkt, dass seine Atmung im Sitzen flacher ist und er Kompression im Bauchraum fühlt, erinnert ihn das daran, sich z.B. am Arbeitsplatz öfter aufzurichten, sich zu strecken und der Atmung Raum zu geben.

Ist der Patient sensibilisiert, Körpersymptome wahrzunehmen, können gezielte Übungen für die betroffenen Organe weiterführend sein. Konkrete Anleitungen für die Automobilisation der Bauchorgane Nieren, Leber/Gallenlase, Milz/Magen und Darm folgen in Teil 2 im nächsten Paracelsus Magazin.

Friederike ReumannFriederike Reumann
Heilpraktikerin und Physiotherapeutin in eigener Praxis mit YogaLoft. Schwerpunkte: Osteopathie und TCM.
mailbox@physioplus-neustadt.de

Foto: ©Romario Ien / stock.adobe.com

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