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Osteopathie
Lesezeit: 5 Minuten

Fallstudie – Junge mit unklarem Schmerz an den Füßen

Ein 12-jähriger Junge wird als Notfall in meiner Praxis vorgestellt. Seine Fußsohlen schmerzen derart, dass er nicht auftreten kann und von seiner Mutter hereingetragen werden muss. Er klagt außerdem über häufiges Völlegefühl, Diarrhoe und sich schälende Haut an Handflächen sowie Fußsohlen. Im Gesicht und am Rücken ist starke Akne erkennbar.

Anamnese

Zuvor ist der Junge in der Notaufnahme eines Krankenhauses vorstellig gewesen und ohne Befund mit Schmerzmitteln nach Hause geschickt worden. Es handelt sich bereits um die zweite plötzlich auftretende Schmerzattacke in einem Zeitraum von 6 Monaten. Dabei entstehen die Schmerzen innerhalb weniger Tage, sind dann progredient, erreichen den Peak nach ca. 4 Tagen und klingen nach weiteren 6 Tagen allmählich ab.

Die abdominalen Beschwerden sind vonseiten des Kinderarztes per Labor, Gastro-/Rektoskopie und Ultraschall abgeklärt worden. Bis auf einen leicht erhöhten Entzündungswert (CRP 6 mg/l) ist alles unauffällig. Ein Hautarzt hat vor einigen Jahren Neurodermitis festgestellt, da der Patient im Säuglingsalter unter Milchschorf gelitten hat.

Der Junge ist 1,57 m groß und wiegt 51 kg, er wirkt schüchtern und zurückhaltend. Die Ernährung ist zeitweise ausgewogen, ergänzt durch Fastfood. Postprandial treten Druck und Meteorismus im Abdomen auf. Stuhlgang wird 1x/d mit Durchfällen ohne Blut oder Schleim abgesetzt. Seine Fußsohlenschmerzen sind brennend, und die Haut schält sich bis zur schmerzhaften Rötung.

Medikamente: ein Multivitaminpräparat, Ibuprofen bei Bedarf und Externa für die Haut.

Körperliche Untersuchung

Vitalwerte: Blutdruck 110/75 mmHg, Puls 61, Atemfrequenz 18/min. Das Abdomen zeigt in der Palpation einen deutlich erhöhten Tonus im rechten und linken unteren Quadranten. Die Inspektion der Haut zeigt die für Psoriasis typisch geröteten, silbrig-weiß schuppigen Hautstellen an Rücken, Knie und Ellenbogen. Auch die Kopfhaut ist betroffen. An den Beugeseiten der Arme und Beine sowie an der Innenseite der Handgelenke fällt die deutlich lichenifizierte Hautstruktur auf.

Osteopathische Untersuchung

Da der Junge nicht stehen kann, beschränkt sich die Untersuchung auf Bauch- und Rückenlage. Auffallend sind sämtliche Viszera, die schlecht verschieblich sind, eine druckdolente Iliozökalklappe sowie Schmerzen im Bereich um die Radix mesenterii und Sigma bei Kranialisierung.

Begleitende Diagnostik

Die vorliegende Symptomatik ergibt sich aus der bislang nicht diagnostizierten und daher unbehandelten Psoriasis. Es müssen daher dringend begleitende Untersuchungen durchgeführt werden.

Stuhldiagnostik (Flora, Schleimhautmarker, darmassoziiertes Immunsystem) – Ergebnis: Clostridium sp. stark erhöht; Schleimhautmarker α1-Antitrypsin 1,55 mg/g (Norm: <0,27 mg/g); Zonulin 774,7 ng/g (Norm: <=61ng/g); Sekretorisches IgA: 3,62 mg/g (Norm: 0,71-2,19 mg/g); Histaminbilder pos.

Labor (IgE, IgG) – Ergebnis: IgE stark erhöht

Allergietest – Ergebnis: Kuhmilchallergie

Therapie

Ich entscheide mich für ein multimodales Vorgehen. Die Haut kehrt einerseits psychische Prozesse nach außen, wie es typisch ist bei Neurodermitis. Naturheilkundlich gilt die Haut allerdings auch als Ausscheidungsorgan. Die Psoriasis hingegen erfordert eine besondere

Konzentration auf den Darm, (dabei v.a. auf die Schleimhautbarriere).

Psyche/Ausleitung

Verordnung wesenhafter Urtinkturen (Fa. Ceres, jeweils 3x 3 Tropfen in wenig Wasser):
• Taraxacum (Löwenzahn, Signatur: „Begleitung von Wandlungsprozessen, Verbesserung des Fließens der Körpersäfte, v.a. der Gallenflüssigkeit, Stärkung der Lebenskraft“)
• Urtica dioica (Brennnessel: „Wachstum, stärkt Leber-, Nieren- und Hautstoffwechsel)
• Sambucus nigra (Schwarzer Holunder: „Reifung, Schutz, Erwachsenwerden“)

Darm/Schleimhäute

• Heilerde Imutox Pulver (Fa. Luvos, 3x tgl.)
• Chlorella (Fa. Heidelberger, 3×4 Pressinge)
• Bitterkraft Tropfen (Fa. Gutsmiedl, 3x 15 Tropfen ca. 30 Min. vor dem Essen, für 1-2 Min. einspeicheln)
• Myrrhinil Intest (Fa. Repha, 3x 3 Kapseln)
• Omega-3-Arktis (Fa. Norsan)

Osteopathie

Mein besonderer Fokus gilt dem Vegetativen Nervensystem, v.a. den Nn. vagi, dem sympathischen Grenzstrang/Ganglien sowie viszeral Nieren, Leber, Iliozökalklappe und Mesenterien. Fasziale Adhäsionen löse ich im Bereich der Wirbelsäule und schröpfe trocken paravertebral. Zervikal arbeite ich vorbereitend mit sanften Weichteiltechniken und manipuliere dann mit Minimalhebeltechniken nach Laurie Hartman. Vagale Entrapments löse ich im Bereich OAA, Foramen jugulare, Vagina carotica, Mediastinum und Diaphragma. Vorsichtiges „Rib Raising“ soll die sympathisch hyperaktiven Segmente, v.a. des Darmes, normalisieren. Ich rege mit rhythmischen Techniken die Zirkulation im Abdomen an und entstaue die Leber (über V. cava inf. und Duct. choledochus). Die Nieren komprimiere ich nacheinander von dorsaler und ventraler Seite und warte auf ein Release. Ergänzend mobilisiere ich die Mesenterien und schließe mit diversen craniosacralen/vegetativ ausgleichenden Techniken ab.

Begleitende therapeutische Ansätze

Ernährung: Frische, überwiegend vegetabile Vollwertkost mit wenig magerem Fleisch und hochwertigen Ölen, Verzicht auf Kuhmilch, Beschränkung auf Fastfood 1x/Woche

Bewegung: Anmeldung im örtlichen Sportverein (Badminton)

Verlauf

Es finden insgesamt 3 osteopathische Behandlungen im vierwöchigen Abstand statt. Nach Einnahme der Präparate und den Behandlungen verschwinden die Magen-Darm-Beschwerden innerhalb von 4 Wochen vollständig. Der Psoriasisschub kann gestoppt werden und die Effloreszenzen bessern sich signifikant. Auch die Akne heilt folgenlos bis auf wenige Stellen ab. Die Gabe von Medikamenten kann nach 5 Monaten reduziert und nach 7 Monaten beendet werden. Halbjährliche Behandlungen sollen den erreichten Status quo erhalten. Seit 2 Jahren treten die Fußsohlenschmerzen nicht mehr auf.

Fazit

Dieser Fall zeigt, dass eine gründliche Anamnese oft schon die Diagnose ist. Stuhluntersuchungen geben uns einen wichtigen diagnostischen Hinweis auf Schleimhäute, Mikroflora und den Darm. Naturheilkundliche Therapien lassen sich nahtlos mit osteopathischem Denken und Handeln kombinieren.

Jörn Mucha
Heilpraktiker und Osteopath mit Schwerpunkten Osteopathie, Chiropraktik, Neuraltherapie und Schmerztherapie
info@joern-mucha.de

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