Gynäkomastie – Wenn Männer unter einer Vergrößerung der Brustdrüse leiden
Sicher denken die meisten bei dem Wort „Gynäkomastie“ spontan an den Gynäkologen und damit an eine Angelegenheit, die Frauen betrifft. Aber das Gegenteil ist der Fall: Es geht um eine Erkrankung des Mannes, die in verschiedensten Lebensphasen auftreten und eine große psychische Belastung darstellen kann.
Definition
Die Gynäkomastie wird im ICD-10-GM-2023 mit dem Schlüssel N 62 als „Hypertrophie der Mamma“ (Brustdrüse) geführt und stellt eine gutartige Gewebevermehrung der männlichen Brustdrüsen dar. Hinter den Brustwarzen befinden sich Brustgewebsnester, die unter Einfluss von Östrogen zunehmen können. Dies tritt entweder einseitig oder beidseitig auf, mit oder ohne Schmerzen, begleitet von Spannungsgefühlen und Berührungsempfindlichkeiten, und kann auch physiologisch vorkommen.
Eine Gynäkomastie stellt kein eigenständiges Krankheitsbild dar, sondern ist das Symptom einer Störung, der eine Östrogen-Androgen-Dysbalance zugrunde liegt. Zusammengefasst resultiert eine vergrößerte Männerbrust bei der echten Gynäkomastie aus einer anormalen Verteilung primär männlicher und weiblicher Sexualhormone. Die möglichen Ursachen für diese endokrine Veränderung sind vielfältig und können auch bösartig sein.
Doch ab wann spricht man von einer pathologischen Gynäkomastie? Wie wird die Diagnose gestellt? Welche Ursachen gibt es und welche Risiken? Wie könnte die Behandlung aussehen? Darauf gehe ich im Folgenden ein.
Einordnung
Nochmals wichtig zu erwähnen ist, dass die Vergrößerung der männlichen Brust auch physiologisch auftreten kann. Zunächst widmen wir uns daher der Pseudo-, Neugeborenen-, Pubertäts- und Alters-Gynäkomastie. Dann beschreibe ich die pathologische Gynäkomastie im Erwachsenenalter.
• Pseudo-Gynäkomastie
Diese tritt bei stark übergewichtigen Männern auf und stellt optisch eine Vergrößerung der
Brust, jedoch nicht der Brustdrüsen dar. Diese Fettansammlung im Brustbereich bezeichnet man als Lipomastie.
•
Neugeborenen-Gynäkomastie
Bis zu 90% der männlichen Neugeborenen haben eine Gynäkomastie, die sich spontan
innerhalb von 4 Wochen nach der Geburt zurückbildet. Ursache hierfür ist ein Östrogenüberschuss, der über die Plazenta
übertragen wird.
• Pubertäts-Gynäkomastie
Diese wird in unterschiedlicher Ausprägung bei etwa 50-90% der
Jungen beobachtet. Während der mittleren und späten Pubertät kann relativ mehr Östrogen aus den Leydig-Zellen der
Hoden und dem peripheren Gewebe produziert werden, bevor die Testosteron-Sekretion das Erwachsenenniveau erreicht hat.
Dies kann während dieser Zeit zu einer Gynäkomastie führen, welche üblicherweise innerhalb von 6 Monaten bis 2 Jahren
wieder verschwindet. In der Regel hat sich das Brustdrüsengewebe bei den meisten Jungen bis zum 20. Lebensjahr wieder
vollständig zurückgebildet.
In seltenen Fällen ist die Gynäkomastie im jugendlichen Alter ausgeprägter und persistiert über einen längeren Zeitraum. Nur in Ausnahmefällen sind eine vermehrte Östrogenproduktion, andere hormonelle Ursachen oder das Klinefelter-Syndrom, bei dem ein begleitender Wachstumsstillstand der Hoden auf diese Chromosomen-Anomalie hinweisen, die Ursache.
Auch Medikamente, z.B. Spironolacton, können für die Pubertäts-Gynäkomastie verantwortlich sein. Differentialdiagnostisch muss die Lipomastie des adipösen Jugendlichen von der Gynäkomastie abgegrenzt werden.
Es ist mir an dieser Stelle wichtig, auf mögliche psychische Folgen einzugehen. Die Pubertät stellt für Jungen und
Mädchen gleichermaßen eine sehr wichtige Entwicklungsphase bezüglich der eigenen Erwachsenen-Identität dar, für die
auch das Selbstbewusstsein eine entscheidende Rolle spielt. Gerade in dieser Phase ist eine Vergrößerung der Brust
beim Jungen etwas, das die Betroffenen als peinlich empfinden. Es kann auch sein, dass die Altersgenossen entsprechend
entwertend reagieren und sozialer Rückzug als Folge auftritt. Der psychische Aspekt sollte hier genauso wichtig
genommen werden wie der somatische.
• Alters-Gynäkomastie Im fortgeschrittenen Alter erhöht sich normalerweise der
Körperfettanteil, während weniger Testosteron gebildet wird. Beide Faktoren können auf lange Sicht zu einer
Vergrößerung des Brustdrüsengewebes führen. Betroffene empfinden dies verständlicherweise als störend, bedenklich ist
die Erscheinung deshalb noch nicht. Für die Entwicklung der Alters-Gynäkomastie spielen Ernährung, Bewegung und der
Stoffwechsel große Rollen. Wie auch bei der Frau verändert sich im Zuge des Alterns der Organismus samt Stoffwechsel
und Hormonsynthese. Die Prostata wird größer, die Haare beginnen auszufallen, der Bauch wird rundlicher – alles
Anzeichen eines hormonellen Ungleichgewichts. Die Androgene sinken, und es besteht die Gefahr einer Östrogendominanz,
die das Brustgewebe wachsen lässt.
Diagnostik
Eine Gynäkomastie wird schulmedizinisch diagnostiziert, wenn das tastbare Drüsengewebe im Brustwarzenbereich einen Durchmesser von mindestens 2 cm erreicht. Dabei gibt es insgesamt 5 Stadien, nach denen eine Klassifikation erfolgt: Stadium B1: kein tastbarer Brustdrüsenkörper Stadium B2: Vergrößerung von Warzenhof und Vorwölbung des Brustdrüsenkörpers Stadium B3: Brustdrüsenkörper größer als Warzenhof Stadium B4: Anhebung des Warzenhofs durch Brustdrüsenkörper Stadium B5: Entsprechung der ausgereiften weiblichen Brust Zudem beinhaltet die ausführliche Diagnostik eine Ultraschalluntersuchung (auch der Hoden), eine Mammographie, und in Fällen, bei denen ein Tumor nicht ausgeschlossen werden kann, ein CT sowie eine histologische Untersuchung. Entsprechend werden dann Art und Grad der Gynäkomastie festgelegt.
Differentialdiagnose
Differentialdiagnostisch sollte ausgeschlossen werden: Fibrosen, Zysten, Entzündungsreaktionen, Traumen mit Hämatombildung, venöse und lymphatische Abflussstörungen (z.B. bei Bronchial-, Ösophagus-, Schilddrüsen-Karzinomen, retrosternaler Struma und malignen Lymphomen). Ebenso ist an Tumore am Hoden, den Nebennieren oder der Hypophyse zu denken; diese können Hormone produzieren, welche den geschlechtsspezifischen Hormonhaushalt verändern. Seltene Ursachen einer Brustvergrößerung schließen metastasierende Karzinome von Lunge, Prostata und Leber ein sowie hämatologische maligne Erkrankungen wie Lymphome, Hodgkin-Lymphome und Plasmozytome.
Wichtig: Diese Differentialdiagnosen treten in der Regel nicht symmetrisch, sondern einseitig oder einseitig betont auf.
Die wichtigste Differentialdiagnose einer Gynäkomastie, v.a. bei einseitiger Lokalisation, ist das Mamma-Karzinom des Mannes, das etwa 1% aller Brustkrebse darstellt. In Deutschland ist mit über 600 Neuerkrankungen im Jahr aktuell mit einer steigenden Tendenz zu rechnen. Der oft erst im fortgeschrittenen Stadium festgestellte Tumor geht mit einem derben, meist schmerzlosen subareolären Infiltrat einher. Die Einbeziehung der Haut führt zu Retraktionen und dem Apfelsinenschalenphänomen, später treten ulzerierende Knoten auf. Eine serosanguinöse Sekretion aus der Mamille lässt an eine maligne Neoplasie denken. Bei Diagnosestellung ist oft bereits eine axilläre Lymphknotenschwellung nachweisbar. Eine weiterführende Blutanalyse liefert zusätzliche Hinweise.
Situationsanalyse
Wurde eine gutartige Vermehrung des Brustdrüsengewebes diagnostiziert, gibt es aus ganzheitlicher Sicht eine Reihe möglicher Behandlungsmaßnahmen.
Zunächst ist es mir wichtig, den Patienten in seiner aktuellen psychischen und physischen Phase kennenzulernen.
Manchmal überwiegen die psychischen Symptome. Hier ist es ebenso wichtig anzusetzen wie bei den physischen
Gegebenheiten. Im Folgenden sind einige Fragen aufgeführt, die ich mit meinen Patienten während der Anamnese
durchgehe:
• Wann traten die ersten Anzeichen auf und in welchem Zeitraum?
• Wie sind die Lebens- und
Ernährungsgewohnheiten (Alkohol, Rauchen, fettreiche Ernährung etc.)? Besteht Adipositas?
• Hat sich etwas im sexuellen Bereich verändert?
• Gibt es unspezifische Symptome, z.B. Schlafstörungen,
vermehrtes Schwitzen oder Stimmungsschwankungen?
• Ist Stress vorhanden?
• Wird regelmäßig Sport ausgeübt?
Wenn ja, welcher?
• Sind neben der Zunahme des Brustgewebes sonstige körperliche Veränderungen aufgefallen (z.B.
Vergrößerung der Prostata, Veränderung der Hoden)?
• Welche (chronischen) Erkrankungen gibt es?
• Werden
(regelmäßig) Medikamente eingenommen?
Schauplatz Hormone
Das Erfassen von Blutparametern ist ein weiteres Diagnostik-Tool. Untersuchen kann man u.a. Cholesterin, Ferritin, Vitamin D, Mineralstoffe, Vitamin B6, Zink und Aminosäuren (z.B. Glutamin).
Macht man sich bewusst, dass nahezu jede Körperfunktion durch das Zusammenspiel von Hormonen gesteuert wird, ist hier ein Schlüssel zu weiterer Diagnostik zu erkennen. Mit zunehmendem Alter verändern sich die Verhältnisse der Steroidhormone im männlichen Körper. In den Leydig-Zellen der Hoden wird weniger Testosteron produziert. Ganzheitlich gesehen kann das Hormon eine ganze Menge bewirken: So bremst es z.B. das LDL-Cholesterin und erhöht das HDL-Cholesterin. Gleichzeitig verbessert Testosteron die Blutzuckerregulierung und hält den Blutdruck in Schach. Nicht zu vergessen ist, dass Testosteron die Fettverbrennung anregt und das Immunsystem stärkt. Salopp gesagt: Testosteron fungiert als Energiefutter für Muskeln, Knochen und Gehirnfunktion.
Ab dem 40. Lebensjahr ungefähr sinkt der Testosteronspiegel ebenso wie der von Progesteron. Dieses Hormon ist eher bekannt aus der frauenspezifischen Hormondiagnostik, kommt jedoch in geringen Mengen auch im männlichen Hormonsystem vor. Auf diese Weise entsteht ein Ungleichgewicht der Hormone. Östrogen ist dann dominant und kann Gewebewachstum, erektile Dysfunktion oder gerinnungsfördernde Effekte nach sich ziehen, da Östradiol die Synthese von Fibrinogen und Gerinnungsfaktoren beeinflusst. Hier wird klar, wie wichtig es ist, die Leber in der Therapie der Gynäkomastie mit einzubeziehen.
Weitere Hormone spielen eine Rolle bei der Ursachensuche: Steroidhormone, z.B. DHEA oder Cortisol, die in der Nebenniere produziert werden, geben ebenfalls Aufschluss darüber, wo im hormonellen System eine Dysbalance vorliegen könnte. Ebenso ist an die Anamnese der Schilddrüse zu denken.
Weiterhin kann die Diagnostik der Abbauprodukte im Hormonstoffwechsel ein wichtiger Ansatz sein. Diese können im Urin gemessen werden. So kann ein dem Alter des Mannes entsprechender normaler Testosteronspiegel vorhanden sein, jedoch im Lauf der Verstoffwechselung aus dem Hormon Aromatase vermehrt Östradiol produziert werden.
Last but not least: Die Hormone der Hypophyse (LH und FSH) geben Hinweise darauf, ob eine Störung der Hormonsynthese in den Hoden oder im Gehirn auf der Ebene Hypothalamus-Hypophyse angesiedelt ist.
Therapieansätze
Für eine passende Therapie ist es wichtig, das gesamte Bild zu kennen, um an der richtigen Stelle ansetzen zu können. Es gibt viele „Stellschrauben“, die letztendlich eine Verbesserung der Lebensqualität herbeiführen. In Hinsicht auf die anamnestischen Fragen spielen Ernährung, Stress, Bewegung und die Einnahme von Medikamenten bedeutende Rollen. Auch die genetische Disposition sollte nicht außer Acht gelassen werden. Eine Östrogendominanz könnte einen Brust-, Hoden- oder Prostatakrebs schneller auslösen.
Der Kontakt mit Xenoöstrogenen, wie sie heutzutage massenweise in unserer Umwelt zu finden sind, verstärkt das Problem. Umweltgifte, z.B. Lacke, Cremes und Duschgels, neue Möbel/Bodenbeläge oder Rasierwasser erzeugen oft ebenso eine Dysbalance im Hormonhaushalt wie Ausdünstungen von Plastik, Vergiftungen mit Cadmium oder hormonwirksame Chemikalien.
Wurden Mikronährstoffmängel festgestellt, z.B. bei Vitamin D, Selen und Antioxidanzien (Vitamine A, C und E), können diese die Entstehung einer Östrogendominanz begünstigen. Hier sollte eine spezifische Supplementierung erfolgen.
Weiterhin muss die Leber unterstützt werden, denn verbrauchte Hormone müssen erst von ihr verstoffwechselt werden. Hier arbeite ich mit dem Konzept der Firma Sanum, mit deren ganzheitlichem Ansatz ich gute Erfolge in der Praxis erziele. Präparate, die Blut- und Lymphfluss unterstützen, den Energiestoffwechsel anregen sowie ausgleichend auf die Hormone wirken, stehen für die individuelle Therapie zur Verfügung.
Schließlich sollten Stress-, Bewegungs- und Ernährungsmanagement nicht fehlen. Eine Umstellung der Ernährung kann einiges bewirken. Eine leberunterstützende Ernährung, die zugleich den Darm entlastet, ist wichtig. Gute Fette, z.B. griechisches Olivenöl, Leinöl und Algenöl, sollten Sonnenblumenöl und Butterschmalz ersetzen. Fleisch sollte reduziert, dafür täglich Rohkost und Gemüse in den Speiseplan integriert werden.
Tipp: Flohsamenschalen in gemahlener Form – diese entlasten die Leber und binden Giftstoffe im Darm, welche mit dem Stuhlgang nach außen transportiert werden. Zu beachten ist eine tägliche Trinkmenge von mind. 2 Litern, damit die Flohsamenschalen gute Dienste leisten können.
Fazit
Die Gynäkomastie ist eine Erkrankung, die gut therapierbar ist. Voraussetzung dafür ist eine fundierte und ausführliche Anamnese, damit langfristig eine Linderung der Beschwerden erzielt werden kann. Denn jeder Fall ist anders gelagert und verlangt nach individuell passenden Therapieansätzen.
Natalie Karut
Heilpraktikerin und Heilpraktikerin für Psychotherapie in eigener Praxis,
Schwerpunkte: Wirbelsäulen- und Gelenktherapie, Schmerztherapie, Frauen- und Männerheilkunde, EMDR
info@naturheilpraxis-karut.de
Literatur
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Czajka I, Zgliczyński W: Ginekomastiapatogeneza,
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Pfeilschifter J: Hormonelle Regulationsstörung der Gynäkomastie [Disordered hormone regulation in gynecomastia].
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