Rundum gesund
RICHTIGES GEHEN
Sie werden sicher denken: Wie bitte? Gehen muss ich doch nicht mehr lernen, das passiert bei mir doch automatisch! In meiner Bewegungspraxis mache ich aber ganz andere Erfahrungen, denn ich darf mit vielen erwachsenen Menschen den „richtigen“ Gang wieder einüben.
Informieren Sie sich doch einmal spaßeshalber online über eine Suchmaschine zum Thema „Richtiges Gehen“. Schon im Internet flattern die Aussagen darüber, wie richtiges Gehen funktioniert, weit auseinander. Deshalb vermittle ich in diesem Artikel mehr Hintergrundwissen, sodass ich Sie hoffentlich für dieses wichtige Thema sensibilisieren kann.
Gehen als ganzheitliche Bewegung
Für die Gehbewegung brauchen wir nicht nur die Füße, sondern auch die Beine, das Becken, den Rumpf, die Schultern, den Kopf, die Augen, die Arme – sprich: den ganzen Körper. Enorm wichtig sind die Arme, die sich beim Gehen überkreuzschwingend und kontralateral bewegen sollten, damit Hüfte und Oberkörper den richtigen Schwung erfahren und auch die Wirbelsäule gesund bleiben kann.
Gesunde Füße
Ihr Gang kann nur so „gesund“ sein, wie es Ihre Füße sind. Hier fängt das Dilemma schon an. Wer überhaupt hat noch gesunde Füße mit einem Quer- und einem Längsgewölbe? Ich hatte in meinen Ausbildungsgruppen bisher keinen einzigen Teilnehmer mit einem wirklich „gesunden“ Fuß. Vielmehr sind Platt-, Senk-, Spreiz-, Hohlfüße, Hallux-valgus-Erscheinungen oder Hammerzehen an der Tagesordnung. Ich muss leider gestehen, dass auch bei mir einige dieser Diagnosen zutreffen. So sehr ich mich bemühe, mein Quer- und Längsgewölbe wieder aufzubauen, ich bin leider noch nicht diszipliniert genug. So bleibt vielen von uns nur die Alternative „Orthopädische Einlagen“, um längere Strecken oder Zeiten schmerzfrei gehen oder Sport machen zu können.
Besonders disziplinierte Menschen haben es indes geschafft, bereits entstandene Fehlstellungen im Fuß wieder „herauszutrainieren“, wie es Fotos in den von Dr. med. Christian Larsen oder Thomas Rogall veröffentlichten Büchern zeigen (vgl. Literatur). Ich selbst habe die Fußschule bei Rogall besucht und kann sein Buch „Die Kunst des Gehens“ sehr empfehlen. Nach Rogalls Prinzipien, welche auf dem von Larsen und Yolande Deswarte entwickelten Konzept der Spiraldynamik fußen, unterrichte auch ich heute.
Vom Jäger und Sammler zum „Sitzling“
Larsen und Karin Rosmann-Reif schreiben: „Die Evolutionsgeschichte des menschlichen Ganges erfolgte in zwei Schritten: Erstens die Aufrichtung vom Vierbeiner zum Zweibeiner, und zweitens die Rotation der Wirbelsäule nach links und nach rechts. Der Mensch ist ein Kreuzgänger. Dieses gekreuzte Bewegungsverhalten spiegelt sich in der Wirbelsäule: Das Becken dreht in die eine Richtung, der Oberkörper in die andere. Die Rotation ist entscheidend für die Fortbewegung.“
Sie erklären weiter, dass wir Menschen die bahnbrechende Innovation einer dreidimensionalen spiraligen Drehfähigkeit
in uns tragen:
• Beugung und Streckung
• Seitneigung nach rechts und links
• Rechts-Links-Drehung
All dies kommt heutzutage bei uns „sess(el) haften“ Menschen leider kaum noch zum Tragen, obwohl wir so gebaut sind, dass wir grundsätzlich 20 km am Tag zurücklegen könnten. Wir sitzen den lieben langen Tag – aber selbst wenn wir gehen… Beobachten Sie einmal Ihre Mitmenschen: Höchstwahrscheinlich weist kaum einer mehr den beschriebenen Kreuzgang auf, v.a. dann nicht, wenn beim Gehen auch noch permanent auf ein Handy geschaut wird. Dieses muss ja gehalten werden. Vorbei ist es oftmals mit einer gesunden Wirbelsäule, „einer Säule, die gleichzeitig auch ‚wirbeln‘ kann, der guten Mischung aus Mobilität und Stabilität.“ (C. Larsen)
Anatomie der Füße und Beine
Der Fuß besteht aus einem Quer- und Längsgewölbe sowie aus 28 Knochen, 36 Sehnen und Bändern. Er stellt unser Fundament dar.
Beim Gehen sollte die Belastung mittig auf das Fersenbein des Fußes erfolgen. Gepolstert werden diese Knöchelchen und Knochen des Fußes von einer dicken Fettschicht, der Plantarfaszie. Diese geht auf der Beinrückseite von der Achillessehne in den M. gastrocnemius (zweiköpfiger Wadenmuskel) über, dann weiter in den M. biceps femoris (Schenkelbeuger). Ebenso hinten zu finden sind der M. semitendinosus (Halbsehnenmuskel) und der M. semimembranosus (Plattsehnenmuskel). An den Oberschenkelvorderseiten sind der M. quadrizeps femoris (vierköpfiger Oberschenkelmuskel), der M. rectus femoris (gerader Oberschenkelmuskel) und auf den Innenseiten die Adduktoren zu nennen (von innen nach außen: M. gracilis, M. adductor longus, M. pectineus, M. sartorius). Auf der Außenseite des Oberschenkels kommt noch der Tensor fasciae latae (Schenkelbindenspanner) hinzu.
Wie gehen Sie?
In einem meiner vorherigen Artikel im Paracelsus Magazin habe ich über den M. iliopsoas, unseren Hüftbeuger, geschrieben. Diesen brauchen wir zum Gehen. Er setzt an LWS
1-5 an und geht über das Becken jeweils zur Innenseite des Oberschenkelknochens. Somit fängt richtiges Gehen bereits unterhalb der Rippen an:
Wir heben das Bein, winkeln das Knie ab, schwingen den gegenläufigen Arm nach vorn, die jeweils andere Hüfte nach hinten, Becken und Brustkorb bewegen sich verwringend, und schließlich setzen wir den Fuß sanft mit Ferse, Außenkante und Zehenballen auf den Boden, ohne die Ferse mit vollem Schwung in den Boden zu „donnern“. Falsches, unphysiologisches Gehen können wir schon an der Lautstärke hören, wenn die Ferse den Boden berührt. Physiologisch richtiges Gehen ist eher leise. Sind Sie ein Trampeltier oder leise wie eine Gazelle?
Ganz wichtig: Die Knie rotieren beim Gehen nicht nach innen, auch die Fußinnenkanten kippen nicht nach innen. Dafür brauchen wir auch ausgeglichen trainierte Ober- und Unterschenkelmuskeln.
Gibt es ein Ungleichgewicht in der Muskulatur des rechten und linken Beines oder eine Fußfehlstellung, hat dies auf den Gang und den gesamten Körper Auswirkungen.
Und jetzt konzentrieren Sie sich zum Abschluss bitte einmal auf Ihren eigenen Gang und spüren nach. Sie können sich auch mit dem Handy beim Gehen filmen lassen und Ihr individuelles Gangbild im Video studieren.
Über den QR-Code finden Sie ein Kurzvideo zum Thema „Fuß und Gang“ aus einem Rückentrainerkurs an der Paracelsus Gesundheitsakademie München. Hier können Sie die verschiedenen Gangmuster der einzelnen Teilnehmer erkennen.
Barbara von den Driesch
Wellness- und Bewegungstrainerin, Präsidentin des Fachverbandes
Wellness, Beauty und Gesundheit e.V., Dozentin an den Paracelsus Gesundheitsakademien
vondendriesch@wellness-fachverband.de
Literatur
Rogall T: Die Kunst des Gehens – Schritt für Schritt zu gesunden Füßen. Nymphenburger Verlag, 2011
Rogall T: Hallux valgus – Die besten Übungen zur Selbsthilfe. Nymphenburger Verlag, 2013
Larsen C, Rosemann-Reif
K: Skoliose – Aufrecht durch Bewegung. TRIAS Verlag, 2018
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