Stress entspannt aus dem Körper zittern
Rückenschmerzen & Co. mit Faszien-Stress-Release (FSR) lindern und auflösen
Schmerzen im Rücken gehören zu den häufigsten Gründen, weswegen Patienten einen Therapeuten aufsuchen. Dabei liegt in 90% aller Fälle eine unspezifische Symptomatik vor. Anamnestisch lässt sich meist zusätzlich langanhaltender negativer Stress erheben. Dass beide Phänomene zusammenhängen und unspezifische Rückenschmerzen im Wesentlichen einen psychosomatischen Ursprung haben, darüber sind sich heute viele Experten einig. Mit der Faszien-Stress-Release-Methode steht uns ein einfaches und sanftes Verfahren zur Verfügung, mit dem der im Körper „gespeicherte“ Stress gelöst werden kann. Aufgrund der weitreichenden Effekte wird i.d.R. auch die Schmerzsymptomatik gemindert oder sogar nachhaltig behoben.
Unspezifischer Schmerz und Stress
Millionen von Menschen leiden unter Rückenschmerzen. Zeitgleich erleben immer mehr von ihnen chronischen Stress im Alltag. Müdigkeit und Erschöpfung wollen trotz ausreichend Schlaf nicht weichen. Sie sind angespannt und gereizt. Alles tut weh. Die Zahlen der Betroffenen steigen rasant.
Die Ursachen für (chronische) Rückenschmerzen sind vielfältig. Oftmals liegen spezifische somatische Gründe vor, z.B. genetisch bedingte, angeborene Wirbelleiden, erworbene Fehlhaltungen und Fehlstellungen – oft aufgrund eines ungünstigen Lebenswandels mit Bewegungsmangel und/oder Übergewicht, aber auch als Folge von Unfällen und Verletzungen – oder altersbedingter Verschleiß und Funktionsverlust.
Weit häufiger ist der unspezifische Rückenschmerz, dessen Ursache in einer individuellen Kombination und Wechselwirkung aus körperlichen, psychischen und psychosozialen Aspekten zu suchen ist. Zu den psychischen und psychosozialen Risikofaktoren zählen u.a. Traumata, instabile Bindungen in der Kindheit, Ängste, Depressionen und negative Überzeugungen, aber auch als bedrohlich erlebte Aspekte im aktuellen Berufs- und Privatleben.
Diese lösen über (neuro-)physiologische Prozesse Stress im Körper aus, der – je länger er besteht – schließlich in chronischen Schmerzen resultieren kann.
Mit Blick auf unsere Patientengeschichten sind die psychischen und psychosozialen Risikofaktoren in der heutigen Zeit durchgängig bedeutsamer für die Entstehung chronischer unspezifischer Rückenschmerzen als die somatischen Aspekte! Dass Dauerstress eine der häufigsten Ursachen für unspezifischen Rückenschmerz ist, darüber besteht heute weitgehend Konsens.
Was haben Faszien damit zu tun?
Die Strukturen in unserem Körper (Organe, Muskeln etc.) sind von Faszien umgeben und durchdrungen, die sie formgebend umhüllen und gegen andere Strukturen abgrenzen. Über sie werden Kräfte übertragen und Informationen weitergeleitet. Mit Blick auf den Zusammenhang zwischen Stress und Schmerz sind zwei Punkte von Bedeutung:
- Faszien reagieren sensibel auf äußere Reize. Sie können sich unabhängig von der Muskulatur zusammenziehen und Spannung lange halten.
- Fasziengewebe erneuert sich ständig; jedoch sehr langsam. Ein kompletter Austausch kann bis zu 500 Tage dauern. Rücken- und Nackenfaszien sind die stärksten Körperfaszien und an manchen Stellen mehr als 1 cm dick.
In akuten Gefahrensituationen (Stress) ist es sinnvoll und notwendig, dem Körper viel potenzielle Energie für eine schnelle Kampf- oder Fluchtreaktion bereitzustellen. Diese wird im Fasziengewebe in den kontraktilen Zellen, den Myofibroblasten, gespeichert und abgerufen, sobald man in Bewegung kommt. Da wir heute bei Stress meist weder fliehen noch kämpfen, bleibt die Energie oftmals dort, wo sie gespeichert ist: in den Faszien. Um dies zu beheben, bedient sich der Körper eines natürlichen Vorgangs: Er zittert, bis er wieder in Balance gekommen und die Stressenergie abgebaut ist. Dauert der Stress an oder übersteigt ein Maß, das über „normale“ Kompensation nicht ausgeglichen werden kann (nicht genug Bewegung und das Zittern wird unterdrückt), kommt eine unschöne Entwicklung in Gang, an deren Ende v.a. Schmerzen stehen: Die Faszien verkrampfen und versteifen sich umso mehr, je länger der Stress unkompensiert andauert.
Für das nachhaltige Verkleben und Verfilzen des Fasziengewebes sind folgende Mechanismen mitverantwortlich: Durch langanhaltenden Stress und die resultierende Daueranspannung im Rücken- und Schulter-Nacken-Bereich findet in diesen Regionen keine oder kaum noch lebendige Muskelbewegung statt. Der pH-Wert verschiebt sich. Aufgrund des zusammengezogenen Gewebes werden umliegende Gefäße verengt, Blut- und Lymphfluss verlangsamen sich oder kommen fast zum Erliegen. Der normalerweise in der Lymphflüssigkeit breit verteilte, lösliche Blutgerinnungsfaktor Fibrinogen reichert sich am Ort des Lymphstaus an und wird zum faserigen Fibrin verstoffwechselt, das seiner Rolle als „aktivierter Gewebekleber“ nachkommt, obwohl keine Wunde zu reparieren ist.
Im weiteren Verlauf werden Kollagenfasern dicker, dichter und unflexibler, die Faszien beginnen, ineinander oder mit der darunterliegenden Muskulatur zu verwachsen; das Verfilzen und Verkleben finden statt. Fast automatisch wird dadurch Gewebsflüssigkeit verdrängt. Gleitfähigkeit, Elastizität und Zugkraft der Faszie nehmen ab. Die Beweglichkeit von Muskeln und Knochen wird stark eingeschränkt. Es kann zu Schmerzen und Taubheitsgefühlen kommen. Diese können sich sowohl unmittelbar am Ort des Geschehens, aber auch überall im Körper zeigen.
Man spricht dann von somatoformen Schmerzen, Somatisierungsstörungen oder psychosomatischen Körperschmerzen. Am häufigsten sind unspezifische Rücken-, Schulter- und Nackenschmerzen, sekundär aufgrund resultierender Fehlstellungen auch verschleißbedingte Gelenkschmerzen. Da die Organfunktionen in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn die Faszien verfilzen, können Bauchschmerzen oder Verdauungsprobleme die Folge sein.
Der verschobene pH-Wert im Gewebe hat gleich mehrfach Bedeutung. Denn er steht ebenso in Zusammenhang mit der Durchlässigkeit des extrazellulären Milieus und somit mit einer regelrechten Versorgung (Vitalstoffe) und Entsorgung (Abfallstoffe) der Zellen. Ist dies nicht gegeben, „verschlackt“ das Bindegewebe. Der pH-Wert sackt ab und zementiert die Grundsituation in den Faszien, da der Prozess des Verfilzens verstärkt wird. Bedenkt man, dass u.U. auch Leber und Nieren aufgrund der verklebten Faszien in ihrer Funktion eingeschränkt sind und damit die Ausscheidungskapazität vermindert ist, verschärft sich der beschriebene Prozess. Eine unschöne Negativspirale!
Neben der aus Stress resultierenden Verspannung und Minderdurchblutung des Gewebes haben auch folgende Faktoren direkten Einfluss auf den pH-Wert und damit auf die Fasziengesundheit:
- Falsche Atmung
- Fehlernährung (zu viele säure-produzierende Nahrungsmittel, zu wenig Flüssigkeit)
- Gestörter Schlaf
- Emotionales Leid (Wut, Groll, Kummer etc.)
- Bewegungsmangel, aber auch übermäßiger Sport
- Infektionen
- Stoffwechsel-/Hormonstörungen
Fast alle Aspekte sind typische Begleiterscheinungen oder Folgen von unkompensiertem Stress und führen den Körper über unterschiedlichste Pfade hin zu verklebten Faszien und Schmerzzuständen. Je nach Einzelfall mal mehr, mal weniger ausgeprägt.
Zittern hilft
Bewegung ist mit Abstand die wirksamste Therapie bei akuten und chronischen unspezifischen Rückenschmerzen. In diesem Zusammenhang sollte dem Zittern mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Neurogenes Zittern ist ein angeborener Mechanismus, über den der Körper gestaute Energie/Anspannung unwillkürlich auflöst, wenn er diese in einer Stresssituation nicht abbauen konnte.
Zittern ist einfach und wirkungsvoll. Es löst Verspannungen, fördert Durchblutung und Stoffwechsel, bringt mehr Beweglichkeit und Flexibilität, verhilft schließlich zu Entspannung und Ruhe.
Durch neurogenes Zittern werden Muskulatur und Faszien bis in die tiefsten Schichten passiv maximal mobilisiert und in ihren natürlichen Zustand zurückgebracht. Von der Lösung der dort gespeicherten Stressenergie profitieren v.a. die untere Rückenfaszie und die Schulter-Nacken-Faszie. Selbst die tiefste Muskelschicht, das Endomysum, wird durch das neurogene Zittern aktiviert.
Stress mit FSR abschütteln
Faszien-Stress-Release ist eine ganzheitliche Entspannungsmethode und nützlich für eine gute Faszienfuntkionalität. Sie beruht auf dem Prinzip der körpereigenen Selbstregulation: dem neurogenen Zittern, das eine genetisch in uns angelegte Selbstregulationskompetenz ist. Jeder Mensch kann zittern, und jeder kann es selbstbestimmt initiieren, regulieren, dosieren und wieder stoppen – und davon profitieren! Die gespeicherte Spannungsenergie in den kontraktilen Zellen wird abgebaut und löst dadurch das wohltuende unwillkürliche Körperzittern aus; angenehmen Bewegungen wie Zittern, Vibrieren, Schütteln usw. finden einfach statt.
FSR lindert und löst nachhaltig unspezifische Rückenschmerzen und ermöglicht die Unterbrechung einer chronifizierten Schmerzspirale. Außerdem ist sie zur Reduktion von allgemeiner Anspannung und anderen Stresssymptomen geeignet. FSR besteht aus leichten Körperübungen, die im Stehen und Liegen ausgeführt werden und auf einem Drei-Säulen-Prinzip beruhen.
Säule 1 Körperübungen
Zur Vorbereitung des Zitterns findet ein einfaches und leichtes Aufwärmtraining statt. Muskel- und Fasziengewebe wird gelockert und gedehnt, bevor Spannung aufgebaut wird. Einige Übungen aktivieren und mobilisieren das myofasziale Leitbahnensystem, andere die verhärteten und schmerzhaften Rückenregionen rund um die große Rückenfaszie und die Schulter-Nackenfaszie. Auch der Psoas-Muskel spielt eine zentrale Rolle. Die Körperübungen unterstützen und lösen aktiv das unwillkürliche neurogene Zittern aus.
Säule 2 Neurogenes Zittern
Das Besondere daran ist, dass dadurch eine passive, selbstregulative Körperbewegung entsteht. Fast wie von selbst mobilisiert, dehnt und lockert uns das Zittern, und das bis in die tiefsten Schichten unseres Körpers. Das In-Bewegung-Kommen fühlt sich leicht und nicht anstrengend an. Ganz anders als z.B. in der Faszien- und Rückengymnastik oder im Yoga, wo aktiv Energie aufgebracht werden muss, damit Mobilisation und Dehnung entstehen. Beim Zittern geschieht dies ganz von allein, und sehr häufig machen Übende dabei (für sie überraschenderweise) angenehme, wohltuende Körpererfahrungen.
Säule 3 Achtsamkeit
Die Schulung einer bewussten Körperwahrnehmung hilft, die Aufmerksamkeit genau auf diese neuen, angenehmen Erfahrungen zu richten, die durch das Zittern unmittelbar entstehen. Über diesen Weg ist der Ausstieg aus einer chronifizierten Schmerz(gedanken)spirale möglich.
FSR (Vorübungen, neurogenes Zittern, Achtsamkeitsübung) führt zu Entspannung, Erholung und Regeneration auf körperlicher und seelischer Ebene.
Hintergrund
Neurogenes Zittern ist eine in jedem Menschen genetisch angelegte Fähigkeit zur Selbstregulation. Das Zittern hat niemand erfunden. Als positive und heilsame Körpereigenschaft wird Zittern seit den 1950er-Jahren beschrieben und genutzt. Seitdem wurde mit der Entwicklung verschiedener Methoden viel Pionierarbeit geleistet. Auch eine neue Arbeitsweise wie FSR entsteht unter dem Einfluss und aus der Erweiterung früherer Traditionen.
Bei der Entwicklung von FSR habe ich, wie auch meine Vorgänger, auf bestehende Konzepte zurückgegriffen und bewährte Teile daraus mit Neuem verbunden. So habe ich die Erkenntnisse der modernen Faszienforschung mit dem Wissen über die Wirksamkeit von stressreduzierenden Körperwahrnehmungstechniken verknüpft, Elemente aus der körperbasierten Traumatherapie berücksichtigt und mit etabliertem Wissen aus Medizin und Stressphysiologie zusammengeführt. Daraus ist das Modell der FSR-Arbeit abgeleitet.
Anwendungsbereiche
Faszien-Stress-Release ist nicht nur für Schmerzpatienten, sondern auch für viele andere Menschen nützlich. Neben Linderung und Auflösung stressbedingter, unspezifischer Rückenschmerzen kann FSR:
- die Beweglichkeit erhöhen
- bei Sportlern zur Regeneration, Verletzungsprophylaxe und Leistungssteigerung dienen
- Kopfschmerzen, Schwindel und Tinnitus reduzieren
- Beschwerden einer Craniomandibularen Dysfunktion regulieren
- Anspannung und Ängste lindern und lösen
- Überlastungsgefühle senken
- Schlafschwierigkeiten regulieren
- Resilienz- und Widerstandsfähigkeit fördern
- zur Prävention beitragen
FSR lässt sich heute gut in die Sport- und Stressmedizin, in die allgemeine Psychotherapie und ins Business Coaching integrieren. In der multimodalen Schmerztherapie ist FSR in den Bereichen Bewegung und Entspannung hilfreich und deckt Bewegungs- und Verhaltenstherapie ab. FSR ist auch Hilfe zur Selbsthilfe: Sie können es selbst anwenden, bei körperlichen Einschränkungen sollten Sie aber Ihren Therapeuten fragen, ob etwas gegen die Übungen spricht.
Bitte beachten: Wenn neurogenes Zittern im traumatherapeutischen Bereich eingesetzt werden soll, benötigt es einen besonderen Kontext und sicheren Rahmen, der den Patienten bei Bedarf mit geeigneten Mitteln auffängt.
Fazit
FSR hilft dabei, den Stress- und Schmerzkreislauf zu durchbrechen und den Weg hin zu wohltuender Bewegung und Entspannung zu ebnen. Und das auf einfachste Art und Weise. Zittern hat den Charme – und das ist das Schöne – dass es uns fast von alleine bewegt, auch an Orten im Körper, die mit aktiver Bewegung nicht oder nur sehr schlecht erreichbar sind. Das einfache Zittern, für das man nichts tun muss, führt fast unmittelbar zu einer wahrnehmbaren Entlastung und zu Wohlempfinden. Und das ist für Schmerz- und Stresspatienten enorm wichtig.
Auch wenn viele Menschen unwillkürliches Körperzittern zunächst noch als Zeichen von Schwäche gewertet haben, verstehen sie aufgrund ihrer Erfahrungen mit FSR, dass das neurogene Zittern eine immer existente, sinnvolle und auf Homöostase ausgerichtete Körperfunktion ist, die sie aktiv initiieren, regulieren und wieder beenden können.
Wenn es gelingt, dem Patienten das „Warum und Wie“ stimmig zu vermitteln, haben wir einen der wichtigsten Bausteine im Fundament einer selbstverantwortlichen Gesundheitsfürsorge geschaffen: Sicherheit und Vertrauen.
Ulrike Balke-Holzberger
Sozialpsychologin und Heilpraktikerin für Psychotherapie mit
eigener Praxis in Hannover
Buch-Tipp
Ulrike Balke-Holzberger:
Zittern Sie sich frei!
Mit
Faszien-Stress-Release
Verspannungen, Ängste und Schmerzen auflösen.
Klett-Cotta Verlag
Fotos: ©Sebastian Kaulitzki / stock.adobe.com, ©lryna / stock.adobe.com
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