Den Schatz der Natur bei Infekten nutzen
Sich zu Hause im Bett in Ruhe auszukurieren, wenn man krank ist, ist heute oft verpönt. Ein paar Medikamente einnehmen oder ein Antibiotikum schlucken, möglichst schnell wieder auf die Beine kommen und weiter geht‘s, so lautet oft das Motto. Dabei ist das problematisch, denn einfache Erkältungen werden meist von Viren verursacht, die gegenüber Antibiotika unempfindlich sind. Außerdem regeneriert der Körper am besten in Ruhe und im Schlaf.
Zwar sind konventionelle Medikamente und synthetische Antibiotika zur Behandlung verschiedener Infekte und Krankheitsphasen im Einzelfall wichtig und notwendig, sie sollten allerdings auch kritisch betrachtet werden. Nicht zuletzt erscheinen die möglichen Risiken und Nebenwirkungen oft nicht abschätzbar (u.a. Resistenzen oder Allergien). Es kann daher von Vorteil sein, einige Therapieoptionen aus dem reichen Schatz der Natur zu kennen.
Zwar können auch Heilkräuter Nebenwirkungen haben, v.a. wenn sie über einen längeren Zeitraum genutzt werden, und auch mögliche Allergien sind stets im Vorfeld abzuklären, aber wir finden unter ihnen eine Vielzahl, die präventiv sowie bei einfachen Infekten, z.B. Erkältungen, zur Unterstützung und Regulierung des Immunsystems herangezogen werden kann. Vor dem Hintergrund, dass diese weder notwendige Medikamente noch den Gang zum Arzt oder Heilpraktiker ersetzen sollen, betrachten wir im Folgenden einige Heilpflanzen und deren Wirkprofile näher.
DER KOSMOS DES IMMUNSYSTEMS
Unser Immunsystem mit seinen komplexen Funktionen ist nicht nur ein Konstrukt aus unzähligen aufeinander abgestimmten biochemischen Prozessen, die interagieren und sich gegenseitig beeinflussen. Seine Funktionalität unterliegt auch dem Einfluss zahlreicher äußerer Faktoren, z. B. der Ernährung, sozialen Kontakten, dem Tag-Nacht-Rhythmus oder dem Ausmaß an Bewegung und Pflege. Auch länger bestehende belastende Emotionen, z. B. Angst und Kummer, können das Immunsystem nachhaltig beeinträchtigen, weshalb die ganzheitliche Betrachtung eines Krankheitsgeschehens stets sinnvoll erscheint. Diese Aspekte können klassische Monopräparate (inkl. Antibiotika) nicht abdecken.
NEBENWIRKUNG DYSBIOSE
Das Hauptproblem einer Antibiose bleibt die unspezifische Vernichtung nützlicher Darmbakterien, die sehr wichtig für das Immunsystem sind. Bei Frauen kommt die Reduktion der physiologischen Vaginalflora hinzu. Pathogene Bakterien und Pilze (Candida albicans) können sich daraufhin ausbreiten. Diese Fehlbesiedlung, die auch eine geschwächte Abwehr zur Folge hat, ist Ausgangspunkt für diverse chronische Erkrankungen, u.a. Nasennebenhöhlenentzündungen, Lungen und Bronchialgeschehen, Harnblaseninfekte, Allergien sowie chronische Vaginalmykosen.
VORSICHT VOR RESISTENZBILDUNG
Bei häufiger oder nicht ausreichender Antibiose kann es dazu kommen, dass die pathogenen Bakterien schwerer oder gar nicht mehr vom entsprechenden Wirkstoff beeinträchtigt werden können. Ein neues Medikament muss gegeben werden, weil das alte nicht mehr den gewünschten Effekt erzielt. Deshalb sollte eine Antibiose hochdosiert angewendet und nicht zu früh abgebrochen werden. Zum Glück gibt es aber auch gut wirksame pflanzliche Alternativen, die nicht zur Resistenzentwicklung führen oder diese Barrieren einfach durchbrechen können.
VITALSTOFFE MIT BEZUG ZUM IMMUNSYSTEM
Heilkräuter und -pflanzen werden seit Urzeiten von Tier und Mensch zur Gesunderhaltung genutzt. Aus Beobachtungen, wie Tiere spezifische Pflanzen aufsuchten und davon profitierten, leitete der moderne Mensch Anwendungsgebiete für sich selbst ab, die in vielen Bereichen auch heute noch aktuell sind.
Noch einmal: Selbstverständlich sind Heilpflanzen und -kräuter bei starken Infektionen oder schweren Krankheitsbildern kein Ersatz für eine konventionell medizinische Medikation, dennoch können sie unser Immunsystem unterstützen und bei ersten Krankheitszeichen Gutes tun.
Bekanntlich können einige Vitamine und Spurenelemente das Immunsystem unterstützen, u.a. Vitamin C, Selen, Zink und Mangan. Für deren optimale Aufnahme und Wirkung ist wiederum eine gesunde Darmflora das Fundament. Vitamin C ist v.a. enthalten in Paprika, schwarzen Johannisbeeren und Erdbeeren, vielen Kr.utern (z. B. Sauerampfer, Petersilie, Franzosenkraut, Gänseblümchen, Giersch), Zitrusfrüchten, Kohlsorten, Kartoffeln, Hagebutten und Sanddorn.
Mangan lässt sich v.a. in pflanzlichen Lebensmitteln finden. Dazu zählen (Vollkorn-)Getreideprodukte, z. B. Weizen, Hafer, Hirse oder Reis, auch Hülsenfrüchte, Leinsamen, Nüsse sowie grünes Blattgemüse, dunkle Beeren (z. B. Heidel- und Aroniabeeren) oder Trockenpflaumen.
Quellen für Selen sind v.a. Knoblauch, Zwiebeln, Petersilie, Schnittlauch, Nüsse, Sonnenblumenkerne, Pilze, Spargel und Hülsenfrüchte (z. B. Linsen). Der Selengehalt in pflanzlichen Lebensmitteln hängt stark vom Anbaugebiet ab. In Europa sind die Böden weniger selenreich als andernorts.
Lebensmittel mit viel Zink sind v.a. tierischen Ursprungs, z. B. Rind- und Schweinefleisch, Fisch, Krustentiere, Eier, Milch und Käse. Auch pflanzliche Nahrungsmittel beinhalten Zink, hier wären u.a. Nüsse, Getreide, Petersilie, Kohl, Kartoffeln und Hülsenfrüchte zu nennen.
Vitamin D ist ebenso wesentlich, weshalb Sonnenlichtexposition empfohlen wird.
PFLANZLICHE IMMUNBOOSTER
Schauen wir uns im Folgenden einige Heilkräuter und -pflanzen und deren Wirkprofile genauer an.
- Anis, Fenchel, Kümmel und Schwarzkümmel (Samen): verdauungsfördernd, beruhigend und karminativ, Husten- und Lungenmittel
- Bärlauch (ganzes Kraut): nicht so intensiv wirksam wie Knoblauch, aber stärker blutbildend, cholesterinsenkend, verbessert die Fließeigenschaft des Blutes
- Bohnenkraut (ganzes Kraut): Magen-Darm-Mittel Zistrose: antivirale Wirkung (Viren werden umhüllt und unschädlich gemacht), z. B. als Cystus 052 Halspastillen oder Cystus Kindersirup (Fa. Pandalis)
- Ingwer: kreislaufanregend, hohes antivirales Potenzial (Hemmung der Virusvermehrung und Reduktion des Risikos für einen Viruseintritt in die Körperzellen)
- Knoblauch (Zehen): wichtiges Immunmittel, blutdruck- und cholesterinsenkend, verbessert die Fließeigenschaften des Blutes
- Koriander (Samen und ganzes Kraut): eisenhaltige Blätter, entblähend, menstruationsfördernd, entkrampfend, viruzid, antibiotisch und fungizid
- Kresse (Kapuzinerkresse, Gänsekresse): antibiotische und antivirale Wirkung aufgrund der enthaltenen Senföle, blutreinigend, Vitamin-C-Spender, z. B. als ANGOCIN Anti-Infekt N (Fa. Repha)
- Lavendel (Blätter und Blüten): bei Atembeschwerden (Lungenmittel), hohem Blutdruck, Nervosit ät und Einschlafstörungen, antiviral
- Meerrettich (Wurzel): die enthaltenen Senföle wirken effektiv gegen vielerlei Bakterienstämme, Viren und Pilze
- Melisse (Blätter und Blüten): bei nervösen Magen-Darm-Beschwerden und Herpes-Erkrankungen
- Pfefferminze (ganzes Kraut, Blätter und Blüten): gallenflussanregend, betäubt die Magenschleimhaut, erfrischend, antibiotisch und fungistatisch
- Rosmarin (Blätter und Blüten): kreislaufanregend, antimykotisch und antibiotisch
- Salbei (Blätter und Blüten): bei Fettverdauungsstörungen, Menstruationsproblemen, Zahnfleischentzündungen oder Halsschmerzen, gilt als antibiotisch und antiviral
- Schafgarbe (ganzes Kraut): Allrounder und ideales Abwehrmittel, fiebersenkend, blutungsstillend, schmerz- und entzündungshemmend
- Schwarze Johannisbeere (Blätter): abwehrsteigernd, antiviral, antibiotisch, fungizid und darmreinigend, reguliert das Milieu im Mund- und Rachenraum
- Senf (Samen): desinfizierend, antibiotische Wirkung aufgrund der enthaltenen Senföle, Lungen- und Magen-Darm-Mittel, bei Schnupfen
- Sonnenhut und Pelargonie: antivirale Aktivität über gesteigerte Immunabwehr, z. B. als Echinaforce Tinktur und Tabletten (Fa. Vogel), Echinacea Tinktur und Tabletten (Fa. Madaus) oder Contramutan (Fa. MCM Klosterfrau)
- Spitz- und Breitwegerich (Blätter): bei Halsbeschwerden, antibiotische Wirkung aufgrund des enthaltenen Aucubins
- Thymian (Blätter und Blüten): unterstützend bei grippalen Infekten, Husten und Erkältungskrankheiten, antiviral und antibiotisch
- Zwiebel: schwefelhaltige Arznei (Alline), desinfizierend, antiviral und antibiotisch, bei Mittelohrentzündung und Husten sowie zur Darmreinigung
ANWENDUNG UND GEGENANZEIGEN
Heilpflanzen und -kräuter werden u.a. in Form von Presslingen, Dragees, Kapseln, Säften, Sirups, Tinkturen und Salben angeboten. Daneben können die frischen oder getrockneten Pflanzen auch als Tee zubereitet werden. In jedem Fall ist bezüglich der Rohstoffe auf Bioqualität zu achten.
Wie oben bereits geschrieben, können Heilkräuter Nebenwirkungen mit sich bringen, v. a. bei einer Nutzung über einen längeren Zeitraum. Daher sind die Anwendungshinweise und Dosierungsangaben der Hersteller zu befolgen.
Etwaige Allergien müssen vor einer Nutzung stets abgefragt und ausgeschlossen werden.
Alkoholkranke, Schwangere und Kinder verzichten natürlich auf alkoholhaltige Darreichungsformen, sondern greifen auf Tees, Kapseln oder Sirup zurück.
Ätherische Öle, die in vielen Heilpflanzen enthalten sind, sind bei Schwangeren mit Vorsicht zu genießen, teilweise können sie Wehen auslösen (z. B. Nelke oder Zimt). Auch bei Epilepsie oder Asthma sollten ätherische Öle gemieden werden.
TEE-ZUBEREITUNG
Tee-Mischungen kann man sich in der Apotheke herstellen lassen oder in speziellen Kräuterläden erwerben. Man kann die entsprechenden Kräuter auch selbst sammeln, sollte diese dann aber sehr gut kennen. Generell ist darauf zu achten, dass die Kräuter aus biologischem oder biologisch-dynamischem Anbau stammen.
In der Regel werden 3 Tassen pro Tag getrunken bzw. 3 TL Sirup oder Tinktur, 3 Kapseln oder 3 Schnapsgläser Wein über 2-6 Wochen eingenommen. Dann sollte eine Pause eingelegt werden.
Wichtige Hinweise zur Zubereitung
Schleimige Pflanzenteile werden über Nacht mit Wasser kalt angesetzt, am nächsten Tag erwärmt (Trinktemperatur) und abgeseiht, z. B. Malven-, Eibisch- oder Spitzwegerichblätter. Man spricht hier von einem Mazerat (Kaltauszug).
Harte Pflanzenteile werden 30 Minuten geköchelt und abgeseiht, z. B. Eichen- und Weidenrinde. Darunter verstehen wir ein Dekokt (Abkochung).
Samen werden mit dem Mörser zerkleinert und mit heißem Wasser aufgegossen. Anschließend wird der Tee auf Trinktemperatur abgekühlt. Größere Mengen kann man in der Thermoskanne lassen, dann hat man gleich die Dosis für 1 Tag. Im Sommer kann der Tee auch kalt getrunken werden.
Alle anderen verwendbaren Pflanzenteile können Sie mit heißem Wasser aufgießen und mindestens 10 Minuten ziehen lassen. Dies ist ein Infus (Aufguss). Schließen Sie die Tasse mit einem Deckel, damit die ätherischen Öle nicht entweichen können.
DOSIERUNG UND REZEPTE
Von frischen Kräutern sollten 2-3 TL mit 250 ml Wasser angesetzt werden, von getrockneten Kräutern wird 1 TL mit 250 ml Wasser aufgegossen. Hier stelle ich einige Tee-Rezepte vor:
Bei Husten, Schnupfen oder Bronchitis
- 25 g Zistrosenkraut
- 25 g Thymiankraut
- 25 g Efeublätter
- 25 g Holunderblüten
Übergießen Sie 1 gehäuften TL der Mischung mit 250 ml kochendem Wasser und lassen Sie den Tee 10 Minuten ziehen, bevor Sie abseihen. Davon täglich 3-5 Tassen trinken, bei Bedarf können Sie süßen (kein Süßstoff!). Kinder sollten 2 Tassen täglich zu sich nehmen. So lange anwenden, bis die Beschwerden vorüber sind, jedoch nicht länger als 6 Wochen.
Der Virenkiller
- 25 g Bergbohnenkraut
- 25 g Zistrosenkraut
- 25 g Nelkenwurz (Wurzel)
- 25 g Beifußkraut
Diese Tee-Mischung wird als Infus zubereitet und soll mit 3 Tassen täglich getrunken werden.
Bei Magen-Darm-Infekten
- 25 g Beifußkraut
- 25 g Kamillenblüten (Vorsicht bei Korbblütler-Allergie!)
- 25 g Süßholzwurzel
- 25 g Melissenkraut
Diese Tee-Mischung wird als Infus zubereitet und soll mit 3 Tassen täglich getrunken werden.
FAZIT
Betrachten wir in der Naturheilpraxis das Immunsystem, so konzentrieren wir uns nicht nur auf die Biochemie der unspezifischen und spezifischen Abwehrmechanismen und etwaige Erreger, sondern immer auch auf die Darmgesundheit sowie auf Stressfaktoren und Konflikte im Leben unserer Patienten, welche das Immunsystem beeinträchtigen können, weswegen Erreger leichteres Spiel haben. Bei einfachen Infekten bzw. Erkältungen und in frühen Krankheitsphasen können diverse Heilkräuter und -pflanzen aufgrund ihres breiten Wirkstoffspektrums gute Dienste leisten und das Immunsystem in seiner Arbeit unterstützen, ohne dass die Gefahr einer Resistenzbildung oder Dysbiose besteht.
Im Übrigen können Heilkräuter und -pflanzen nicht nur über ihre Inhaltsstoffe Wirkung entfalten. Bereits ihr Anblick kann das Gemüt positiv beeinflussen, denn ihre Farben wirken beruhigend und lebensbejahend zugleich. Daneben wird der Duft von Blüten und Blättern über die Nase aufgenommen und entfaltet im Gehirn eine direkte emotionale Wirkung. Schließlich können feinstoffliche Aspekte ausgeschöpft werden, z. B. in der Homöopathie oder im Rahmen der Bach- Blüten-Anwendung.
SEMINAR-TIPP
Immunstärkende Heilkräuter für Mensch und Tier
Dozentin: Christine Schulz
Start Ort
05.07. Hannover
Christine Schulz
Heilpraktikerin, Dozentin an den Paracelsus Gesundheitsakademien
heilpraktiker-schulz@gmx.netWeitere Artikel aus dieser Ausgabe
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