Fallstudie aus der Tierheilkundlichen Praxis
FASZIENTHERAPIE BEI EQUINEM ASTHMA
Die Besitzerin einer 9-jährigen Islandstute mit Verdacht auf Equines Asthma ruft mich an, weil sie neben der schulmedizinischen Behandlung eine ganzheitliche Unterstützung wünscht. Der Tierarzt verordnet Schleimlöser, 2-mal täglich Inhalation mit Bronchienerweiterern und Kortison. Die Stute soll täglich 20 Minuten im Schritt geführt werden.
ANAMNESE
Die Besitzerin erzählt, dass die Stute zwei Jahre zuvor aus Island importiert wurde. Sie sei vom Wesen her sehr sensibel und anfangs berührungsempfindlich gewesen. Im ersten Jahr habe das Pferd keinerlei Auffälligkeiten gezeigt, im zweiten Jahr habe sich jedoch ein ausgeprägtes Sommerekzem entwickelt. Im Frühsommer (Juni) des darauffolgenden Jahres seien Husten und Atemnot hinzugekommen. Die Stute steht bei der Besitzerin am Hof in einer kleinen stabilen Herde. Den Tag verbringen die Pferde auf einem Sandplatz, hier haben sie auch einen großzügigen Unterstand zur Verfügung. Nachts kommen alle in große helle Boxen. Der Koppelgang (Mai-Oktober) findet stundenweise statt. Die Boxen werden gut mit Elefantengras (Miscanthus) eingestreut. Zum Fressen bekommen die Pferde Heu aus eigener Herstellung, welches über 24 Stunden in mehreren Portionen verteilt gegeben wird.
BEFUND
Während meines Besuchs stelle ich bei der Stute eine deutliche Bauchatmung mit Atemfrequenz von über 50 Atemzügen pro Minute fest. Das Atmen fällt ihr deutlich schwer, trotzdem macht sie einen sehr ruhigen Eindruck. Die Körpertemperatur liegt bei 37,2 °C. Der Lungenbefund ist linksseitig distal gering- bis mittelgradig, rechtsseitig nur geringgradig verschärft. Zudem besteht ein Stridor trachealis.
BEHANDLUNGSANSATZ
Gerade bei Pferden mit Equinem Asthma oder anderen Erkrankungen, welche die Lunge betreffen, bietet die Faszientherapie eine gute Möglichkeit, unterstützend zu behandeln. Meinen Schwerpunkt setze ich auf die Ober- und Unterhals-muskulatur, den dreiteiligen Brustmuskel, den Widerrist und die Interkostalmuskulatur.
THERAPIE
Bevor ich mit der Faszientherapie beginne, fahre ich mit einem Faszienrädchen ohne Druck und in sehr langsamem Tempo den Blasenmeridian beidseits ab. Diese Methode habe ich mir aus der Körperarbeit angeeignet, sie hat sich als Einstieg in die Faszienbehandlung bewährt. Ziel ist es, mit dem Pferd in Verbindung zu treten und schon jetzt kleinere Blockaden zu lösen. Anschließend beginne ich mit der eigentlichen Faszientherapie.
Wichtig: Das Pferd muss dabei immer im Auge behalten werden, da unterschiedliche Reaktionen möglich sind!
Ich beginne mit der Oberhalsmuskulatur, fahre diese mit dem Rädchen erst ohne Druck von links nach rechts ab und gebe der Stute genügend Zeit zur Verarbeitung der Reize. Sobald sie sich entspannt (Abschnauben, Abkauen, Gähnen etc.), wiederhole ich den Vorgang und erhöhe den Druck leicht. So verfahre ich mehrmals, wobei mit jedem Zyklus etwas tiefer in das Gewebe eingetaucht werden sollte, um Verhärtungen zu lösen. Nach demselben Schema arbeite ich anschließend nacheinander an der Unterhals- und Brustmuskulatur sowie dem Widerrist. Zum Schluss lockere ich die Interkostalmuskulatur.
Die Stute genießt die Behandlung. Ich merke sofort, wenn sich eine Verklebung im Gewebe gelöst hat. Beim Ausstreichen bzw. „Ausradeln“ der Zwischenrippenmuskulatur atmet das Pferd schließlich befreit tief ein und aus. Nach meiner Behandlung leite ich die Besitzerin an, die Zwischenrippenmuskulatur mit den Fingern selbst auszustreichen. Ebenso zeige ich ihr das Widerrist- und Schweifschaukeln. Den nächsten Termin vereinbaren wir für eine Woche später.
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VERLAUF
Zum Folgetermin ist die Bauchatmung etwas besser geworden, auch die Atemfrequenz ist rückläufig. Die Besitzerin bestätigt, die ihr gezeigten Übungen jeden zweiten Tag durchgeführt zu haben.
Die nächste Behandlung wird nach demselben Schema wie beim ersten Treffen durchgeführt. Anschließend lege ich ein Faszien-Tape im Bereich des äußeren schrägen Bauchmuskels (M. obliquus externus abdominis) an. Dieser sehr flächige Muskel trägt die Eingeweide und unterstützt durch seine Verbindung zu den Rippen die Atmung.
Im Verlauf der folgenden, im wöchentlichen Abstand angesetzten Termine lässt sich bei der Stute eine eindeutige Besserung feststellen. Die angespannte Muskulatur wird merklich weicher und wir können immer müheloser in die Tiefe arbeiten. Die Bauchatmung ist schließlich kaum bis gar nicht mehr vorhanden, und die Atemfrequenz pendelt sich bei 16-20 Atemzüge/Minute ein. Auch der Auskultationsbefund der Lunge ist deutlich gebessert, sodass ich gemeinsam mit der Besitzerin beschließe, die Behandlungsabstände auszudehnen. Wir sehen uns daraufhin alle zwei Wochen, zum Schluss nur noch monatlich. Die Besitzerin führt weiterhin gewissenhaft die ihr gezeigten Übungen durch.
Begleitend passen wir im Therapieverlauf die Fütterung an, versuchen, das Heu zu bedampfen, führen bis zum Ende des Allergiegeschehens (November) eine Kur mit Heilpilzen (Reishi, Cordyceps sinensis und Coriolus versicolor) durch und stellen von Miscanthus (Elefantengras) auf staubärmeres Einstreu für Allergiker um.
STATUS QUO
Das allergische Asthma wird die Stute weiterhin begleiten, auch wird es wieder herausforderndere Phasen geben, weswegen die Behandlung fortdauert. Während der Allergiezeit (abhängig von der Wetterlage meist Mai/Juni bis November/ Dezember) führe ich daher wiederkehrend die Faszientherapie durch und setze Heilpilze ein. In der allergiefreien Phase achtet die Besitzerin eigenständig (nach Anleitung) darauf, dass die Faszien geschmeidig bleiben. Bewegung ist für die Belüftung der Lunge sehr wichtig, allerdings sollte das Training an die aktuelle Tagesform der Stute angepasst werden.
FAZIT
Faszien sind essenziell für den Körper, da sie die Organe und Muskeln umgeben und ihnen Schutz und Halt geben. Die Faszientherapie kann sehr breitgefächert angewandt werden, z. B. bei Equinem Asthma, Fehlstellungen, unterstützend nach der Trächtigkeit etc. Daher sollte dieser wertvollen adjuvanten Methode in der Praxis Beachtung geschenkt werden. VANESSA BAUMGARTNER Ganzheitliche Pferdeheilpraktikerin (AfH) mit Schwerpunkten Ernährungsberatung bei Stoffwechselerkrankungen, Mykotherapie, Phytotherapie und Faszientherapie info@naturpferde.
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Vanessa Baumgartner
Ganzheitliche Pferdeheilpraktikerin (AfH) mit Schwerpunkten Ernährungsberatung bei Stoffwechselerkrankungen, Mykotherapie, Phytotherapie und Faszientherapie
info@naturpferde.comWeitere Artikel aus dieser Ausgabe
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