Körperübung
Im Bereich von Schultergürtel und Brustwirbelsäule neigen wir durch unsere vorwiegend sitzende und häufig vorgebeugte Haltung (Arme und Hände auf dem Tisch) zu Verspannungen und Verkürzungen der Brust-, Schulter- und Nackenmuskeln. Häufig beobachten wir nach vorn gezogene Schultern mit chronisch verspanntem Trapezmuskel (M. trapezius), Schulterblatthebern (M. levator scapulae) und Brustmuskeln (M. pectoralis). Anatomisch gesehen sind Brustkorb und Schultergürtel aber ein sehr bewegliches Gebilde. Diese Beweglichkeit wollen wir mit der Körperübung „Flossen und Flügel“ fördern, sodass sich Herz und Lunge wieder freier im Brustkorb anfühlen und Sehnen, Muskeln und Bänder gesund und geschmeidig bleiben können. Ein wichtiger Effekt dieser Körperübung ist der Erhalt oder die Zurückeroberung der Beweglichkeit der Rotatorenmanschette, „saftiger“ Sehnen und Bänder sowie der Funktionsfähigkeit der Schleimbeutel unterhalb des jeweiligen Acromions, dem Knochenvorsprung, der den höchsten Punkt des Schulterblattes bildet.
ANATOMIE DES SCHULTERGÜRTELS
Knöcherne Struktur Der Schultergürtel wird aus den beiden Oberarmknochen (Os humerus), den Schulterblättern (Scapulae) mit Rabenschnabelfortsätzen (Processi coracoidei), den Schlüsselbeinen (Clavicula = Schlüsselchen, da der Knochen sich nur wie ein Schlüssel im Schloss bewegen kann), dem Brustbein (Sternum) und den Rippen (Costae) gebildet. Das Schulterblatt ist ein dreieckig bzw. eher „dreirundig“ geformter Plattknochen, in dessen Vertiefungen sich die jeweiligen Muskeln wie angegossen hineinfügen. Das Schultergelenk besteht aus einer Kugel, dem Oberarmkopf, und einer flachen, pfannenartigen Basis, der Schultergelenkspfanne. Es ist das beweglichste, aber auch instabilste Gelenk unseres Körpers. Demnach ist es auch besonders anfällig für Ausrenkungen, es sollte deswegen regelmäßig trainiert werden. Mit der hier vorgestellten Körperübung erreichen wir eine flexible Stärke, also Beweglichkeit und Stabilität.
An den Bewegungen der Schulter sind mehrere Gelenke beteiligt: die Schultergelenke, die scapulothorakalen Gelenke (zwischen Schulterblatt und Brustkorbwand), die Schultereckgelenke (Acromioclaviculargelenke) sowie die Gelenke links und rechts zwischen Schlüsselbein und Rabenschnabelfortsatz.
MUSKULÄRE STRUKTUR
Um den Oberarm abzuspreizen und anzuheben, muss zunächst das Schulterblatt stabilisiert werden. Dann leitet der Obergrätenmuskel (M. supraspinatus) die Abduktion ein. Der Deltamuskel (M. deltoideus) unterstützt sie bis etwa 120 Grad. Wird der Oberarm ganz nach oben gestreckt, dreht der Trapezmuskel (M. trapezius) das Schulterblatt nach außen. Spannt man den Untergrätenmuskel (M. infraspinatus) an, rotiert der Oberarm auswärts und zieht den großen Oberarmhöcker von der Schulterhöhe weg. Bei einer Kontraktion des langen Trizepskopfes (Triceps brachii) dreht sich die Schulterhöhe. Wir wollen hier den Schwerpunkt auf die Rotatorenmanschette legen. Sie besteht aus vier Muskeln, die alle am Oberarmkopf ansetzen: dem Obergrätenmuskel (M. supraspinatus), dem Untergrätenmuskel (M. infraspinatus), dem Unterschulterblattmuskel (M. subscapularis) und dem kleinen runden Muskel (M. teres minor). Diese vier Muskeln umhüllen den Oberarmkopf wie eine Manschette, daher auch die Bezeichnung „Rotatorenmanschette“.
BAND- UND SEHNEN-STRUKTUR
Am Schultergelenk setzen folgende Bänder an: Ligamentum coracohumerale, Ligamentum coracoglenoidale, Ligamentum coracoacromiale und die Ligamenta glenohumeralia (oberes, mittleres, unteres). Diese Bänder schützen die Schultergelenke vor Ausrenkung und geben ihnen Stabilität. Zu den beteiligten Sehnen an der Schulter zählen v. a. der lange Kopf der Bizepssehne sowie die Sehnen der Rotatorenmanschette. Je nach deren Verbindung zum jeweiligen Muskel heißen sie entsprechend (z. B. Supraspinatussehne).
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ÜBUNG: FLOSSE UND FLÜGEL – VARIANTE AM BODEN
Diese Körperübung ist meiner Erfahrung nach gut als Präventionsmaßnahme gegen das Entstehen folgender Erkrankungen geeignet: Frozen Shoulder, Kalkschulter, Impingement-Syndrom und Sehnenruptur. Grundposition ist die Seitenlage, der Unterbauch ist zur Wirbelsäule gezogen und wölbt sich nicht nach vorn. Die Knie sind leicht angewinkelt, Füße und Unterschenkel liegen übereinander. Sie haben eine stabile Mitte. Der Kopf liegt auf dem ausgestreckten Arm oder Sie legen ein Kissen bzw. eine zusammengefaltete Decke unter den Kopf.
Wichtig ist, dass Sie nicht nach hinten oder nach vorn kippen. Sie können sich auch vorstellen, dass genau hinter Ihrem Rumpf und Ihrem Becken eine kleine Mauer verläuft, die verhindert, dass Sie nach hinten kippen. Wenn Sie diese Grundposition verinnerlicht haben, beginnen wir mit dem Training.
Flosse
Fassen Sie mit der freien Hand an die Schulter, bilden Sie eine Flosse und lassen Sie den Ellenbogen als Flossenspitze in unterschiedliche Raumrichtungen tanzen. Wir wollen Weite im Brustkorb, sodass wir als Bewegungsrichtung zunächst „nach hinten“ wählen.
Flügel
Lassen Sie dann die Flosse zum Flügel werden und ihn wellig in alle Richtungen tanzen: vor dem Körper, parallel zum Körper, hinter dem Rücken. Wir lassen die Bewegung vom Brustbein bis in die Fingerspitzen fließen und umgekehrt. Die Fingerknöchelchen bewegen sich wellig, das Handgelenk kreist, der Ellenbogen bewegt sich im Scharniergelenk, der Oberarmknochen spiralisiert in der Rotatorenmanschette.
Achten Sie immer wieder darauf, dass Sie nicht aus der stabilen Seitenlage kippen und dass Ihr Unterbauch leicht zur Wirbelsäule gehalten bleibt, also nicht nach außen kippt. Der Arm tanzt bis in das Schultergelenk hinauf, das sich genüsslich im Gelenk dreht und kreist. So werden alle gelenkigen Verbindungen in unserem Arm und Schultergelenk wiederbelebt und mit nährender Gelenkflüssigkeit versorgt.
Nachdem Sie in alle Bewegungsrichtungen um den Körper herum getanzt haben, lassen Sie ganz langsam Arm und Hand auf die Hüfte heruntergleiten, so wie ein Blatt im Herbst vom Baum herunterschwebt. Der Arm ruht sich nun aus und Sie spüren den Bewegungen nach. Dann wechseln Sie die Seite und wiederholen die Übung dort.
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Barbara von den Driesch
Präsidentin des Fachverbandes Wellness, Beauty und Gesundheit e.V. (WBG), Dozentin an den Paracelsus Gesundheitsakademien
vondendriesch@wellness-fachverband.deWeitere Artikel aus dieser Ausgabe
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